Unter den Göttern dominieren zweifelsohne die männlichen Gottheiten. Sie stehen im Mittelpunkt der überlieferten Mythen. Auf Reliefs wird vorrangig das männliche Herrscherprinzip ins zentrale Blickfeld gerückt. Schauen wir beispielsweise auf altindische Bildwerke stehen die Göttinnen (oft verkleinert) ihren Männern zur Seite, weil eben keiner dieser göttlichen Herrlichkeiten ohne seinen weiblichen Gegenpart denkbar ist und schöpferisch tätig werden kann. Der Gott Shiva ohne seine Frau PARVATI ist nicht vorstellbar, wie eben auch Vishnu nicht auf seine SHAKTI verzichtet. Das Weibliche zieht seinen jeweils männlichen Gegenpart magisch an. Der einander bedingenden Polaritäten wären viele zu nennen. Tag und Nacht sind untrennbar verbunden. Sonne, Mond (und Sterne) werden besungen. Stärke überwindet Schwäche. An den Grundprinzipien der Schöpferkraft der Natur vermochten auch die Götter nicht zu rütteln. Diese Abhängigkeiten spiegeln sich in den künstlerischen Hinterlassenschaften Asiens eindrucksvoll wieder. Die Zusammenhänge zeichnen sich unter anderen auch in vielgestaltigen Götterbildern naturalistisch oder symbolisch ab. Bild 1: Idealbild einer Göttin – National Museum Phom Penh Bild 2: Max Klinger – Amphitrite – Nationalgalerie Berlin Bild 3: Idealbild einer Göttin – Art of Institut Chicago Die leider kopflosen wunderschönen Göttinnen (Bild 1 & 3) könnten in einer Sonderausstellung neben der in der Nationalgalerie Berlin ausgestellten Amphitrite Max Klingers präsentiert werden, ohne dass die kambodschanischen Torsi neben Klingers klassisch adaptierter Statue auch nur im Geringsten ins Hintertreffen gerieten. Weiblicher Liebreiz und anmutige Eleganz sind von Khmer-Bildhauern kaum jemals überzeugender in Stein geformt worden. Was göttlich sich nennt, muss wohl oder übel zwangsläufig mit makelloser überirdischer Schönheit aufwarten. »Dies Bildnis ist bezaubernd schön, wie noch kein Auge je gesehn! Ich fühl es, wie das Götterbild mein Herz mit neuer Regung füllt.« lässt Mozart seinen Tamino hingerissen singen und Goethe konstatierte »Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan!« Tatsächlich verbirgt sich hinter jedweder Gottesdarstellung ein Idealbild, eine idealisierte Vorstellung. Jeder Künstler erschafft zunächst sein persönlich intendiertes Gottesbild. Jegliche Kunstwerke, gleich ob aus innerem Antrieb oder als Auftragswerk erschaffen, werden im Idealfall zu Heiligtümern. Andächtige oder auch ekstatische rituelle Verehrung der von menschlicher Hand geschaffenen Gottesbilder kann die seltsamsten Formen und Ausmaße annehmen. Die Grenzen zwischen hingebungsvoller Anbetung und exaltierter Verzückung verschwimmen. Unmöglich können alle Göttinnen (alle Götterpaare) gezeigt und besprochen werden. Das äußerst umfängliche Thema lässt sich nur mittels vernünftiger Beschränkung einigermaßen verständlich bewältigen. Götterpaare waren von jeher ein bevorzugtes Motiv asiatischer Bildhauer. Hier jedoch soll das Augenmerk hauptsächlich auf die Göttinnen gerichtet werden. Findet altindische Literatur Erwähnung, werden zumeist die Veden zitiert. Die sagenhaften Wunder und Taten der Götter lassen sich in den verschiedensten brahmanischen Aufzeichnungen nachlesen, beispielsweise in den vedischen Schriften der Rigveda und den Upanishaden. Berühmt sind die bildgewaltigen Epen Ramayana und Mahabharata. Innerhalb der Mahabharata nehmen die Bhagavadgita einen herausragenden Rang ein. Wichtig für Hindus sind die Puranas, in diesen Heiligen Schriften werden die Entstehung der Welt und die damit verwobenen Göttergeschichten anschaulich erzählt. Das umfängliche Sammelwerk der Puranas beruft sich inhaltlich auf die Veden. Im Laufe mehrerer Jahrhunderte wurden die Puranas nach und nach aufgezeichnet. Der Sanskrit-Begriff Purana meint schlichtweg "alte Geschichte". Der Vorzug der Geschichtensammlung liegt in der übersichtlichen Gliederung, sie kann auszugsweise gelesen und zitiert werden, ohne dass Zusammenhänge verloren gehen. Die einzelnen Teile der Puranas bewahren ihre jeweilige Eigenständigkeit. Jedes Buch der Puranas ist einem Gott und seinen Verdiensten zugewiesen. Die dreifach gegliederte Hauptgruppe der Puranas widmet sich den Göttern Brahma, Vishnu und Shiva. Weitere Teile der Puranas lobpreisen die Wundertaten und Vorzüge der Göttinnen. Geraten Betrachter ins nähere Umfeld der Göttin PARVATI sind zunächst ihre Erscheinungsformen augenfällig und überraschend. Ihre vielgestaltigen Verwandlungen verunsichern. Sie mutiert nach Belieben jeweils den Bestimmungen folgend zur KALI, zur DURGA, zur SHAKTI, zur SARASVATI, zur LAKSHMI, zur AMBIKA und zur ISHVARI und doch feiert stets die gleiche Frau ihren Auftritt auf der Götterbühne. Hier sind außenstehende Nicht-Hindus ernsthaft gefordert. Im Umfeld von Shiva gibt sie immer die PARVATI: Shivas Frau und stolze Mutter zweier Söhne, deren einer bekannt ist, während der andere seltener Erwähnung findet: die Rede ist vom Brüderpaar Ganesha (siehe Artikel INMITTEN VON GÖTTERN TEIL 8) und Karttikeya. Mit der Göttin DURGA hat es seine besondere Bewandtnis. Sie ist zu vielfältigen Verwandlungen fähig und passt sich gleich mehreren männlichen Begleitern an. Durga gilt einerseits als die Göttin der Vollkommenheit und tritt in dieser Eigenschaft als Sarasvati, Lakshmi, Ambika oder Ishvari hervor. In diesen Verwandlungen verkörpert Durga Kraft, Wissen, Handeln und Weisheit. Grundsätzlich lassen sich alle Erscheinungen auf MAHADEVI (die große Göttin) reduzieren bzw. zurückführen, denn: "DEVI (…) gilt als einzige Göttin, die alle Göttinnen in sich vereint, denn alle Göttinnen erscheinen nur als Ausprägungen von Devis unterschiedlichen Naturen. (…) Devis zentrale Rolle in der Mythologie ist die der Schöpferin und Königin des Universums. (…) Als Königin der unzähligen Universen und unzähligen Brahmas, Shivas und Vishnus, die aus ihr hervorgehen, ist Devis Funktion das Schöpfen, Erhalten und Zerstören." (Zitiert aus dem Artikel DEVI bei WIKIPEDIA) Was für Außenstehende schwer zu begreifen ist, muss geglaubt bzw. anerkannt werden: eine Göttin verkörpert alle anderen, ob sie als Durga, Shakti oder Parvati auftritt, immer blicken wir auf die große Mutter, immer auf Devi. Die Schöpfung, schlechthin die Entstehung allen Lebens, ist unbestritten weiblichen Ursprungs. Früheste überlieferte figürliche menschliche Darstellungen zeigen uns Frauen: die Venus von Willendorf, die Venus vom Galgenberg, die Venus vom Hohlefels. Fruchtbarkeitsidole oder (pseudo)religiöse Kultfigurinen tragen ausschließlich feminine Merkmale. In frühen Hochkulturen der Menschheit wurden schöpferisch tätige Frauen (Göttinnen) angebetet. Im Tantrismus wird Durga als Shakti verehrt. Tantra ist eine esoterische Strömung des Hinduismus, aus dessen Sinngehalt später der Buddhismus Teile für die eigenen tantrischen Glaubensriten übernahm. Erkennen wir die Göttin als Lakshmi, dann gehört sie als Frau zum Gott Vishnu und werden wir auf die Göttin Sarasvati (nämlich Brahmani) verwiesen, tritt sie als Gattin des Gottes Brahma in Erscheinung. Die mit Abstand häufigste Darstellung der Göttin Durga ist eine Kampfszene: Durga besiegt (tötet) den Dämon Mahishasura. Den Hindus ist der Bildtitel Mahishasuramardini geläufig. Derartige Bildwerke stechen insofern hervor, weil eine FRAU=Göttin einen männlichen Dämon (meist in Büffelgestalt) siegreich überwand. In manchen Bildwerken bittet der Dämon in Menschengestalt um Gnade. Die Darstellungen dieses Kampfes variieren. Durga bedient sich allenfalls mehrerer bewaffneter Arm-Paare. Im Bild 7 zeigt die Göttin Durga ein äußerst grimmiges Angesicht, ihr ragen Eckzähne aus dem Mund, die wiederum zeichnen den wütenden furchterregenden Kämpfer Bhairava aus, der – wir erinnern uns – eine Inkarnation des Gottes Shiva ist. Wird Durga als Kämpferin abgebildet, ist sie keinem männlichen Gott zugeordnet. Tritt die Göttin ausschließlich als Durga in Erscheinung, bedarf sie keiner männlichen Unterstützung. Meist wurde die gegen den Dämon Mahishasura kämpfende Göttin Durga vier, sechs oder achtarmig dargestellt. Im Kampf unterstützt sie ein Löwe (die Mythen erzählen vom Tiger). Bild 7: Durga Mahishasuramardini (1300-1500) Ost-Java – Amsterdam Rijks Museum Bild 8: Durga Mahishasuramardini (1000-1100) Bangladesh – Amsterdam Rijks Museum Durga ist leicht zu identifizieren, sie wird immer als Siegerin präsentiert. Sie hält den Büffeldämon in Schach, mit einem Bein drückt sie den Dämon nieder. Kein Mann in der Nähe, der ihr zu Hilfe käme. Sie besteht den Kampf gegen Mahishasura allein. Im Bild 7 ist der Kampf bereits beendet. Die Siegerin steht selbstbewusst auf dem Verlierer. Das Bild 8 beschreibt einen dramatischen Kampfmoment. Der Dämon Mahishasura bittet in Menschengestalt um Gnade, die ihm nicht gewährt wird. Kurz vor seiner Vernichtung zeigte Mahisha (Büffel) letztmalig seine Kräfte als Dämon (Asura). Er war fähig als Büffel und als Mensch (Dämon) in Erscheinung zu treten. Doch gegen die allseits gerüstete Durga versagten die dämonischen Kräfte des Mahishasura. Die Götter hatten ihre Streiterin mit allen verfügbaren (männlichen) Waffen ausgestattet. Kein Arm, keine Hand, die nicht bewehrt wäre. Gegen Shivas Dreizack (trishula), Vishnus Muschelhorn (shankha), Kuberas Keule (gada), Indras Donnerkeil (vajra) war die Niederlage des Dämon Mahishasura schicksalhaft kalkuliert. Eine friedfertige Darstellung der Durga kann auf Bild 9 begutachtet werden. Durga sitzt auf einem Lotos-Thron und präsentiert ihre Macht. Schwert und Schild signalisieren Kampfbereitschaft. Eine Hand, die hintere rechte, streckt sich dem Betrachter leer entgegen, vielleicht eine Geste der Friedfertigkeit. Die vordere linke Hand hält eine Lotosblüte. Durgas leicht gesenkter Blick initiiert Versunkenheit während der Meditation. Die ausdrucksstarke Skulptur vermittelt zwei Bewusstseinszustände: einerseits die Wachsamkeit und andererseits die Konzentration. Ein Zustand bedingt den anderen. – In anderen Manifestationen erscheint Durga als Kali oder Chamundi. (Siehe die Bilder: 12, 13, 23) Die Geschichte von der büffeltötenden Frau ist dem kollektiven Bewusstsein der Inder eingebrannt, wie den Deutschen das Märchen vom tapferen Schneiderlein vertraut ist. Angeblich vermag jedes Kind die spannende Geschichte aus dem 5. Buch der Devi Bhagavatam/Devi-Purana (Kap. 2-18) wiedergeben. Das in Indien weit verbreitete Mahishasuramardini-Motiv konnte (vom Autor) in Kambodscha bisher nur mit einem Beispiel in Sambor Prei Kuk eindeutig nachgewiesen werden. Der liegende, im Kampf niedergesteckte Dämon weist hier Menschengestalt auf. Die Siegerpose ist deutlich zu erkennen, die Göttin Durga und ihr Löwe sind nur noch partiell erhalten. Kein helfender Gott, einzig ein Löwe steht ihr zur Seite (auch hier ein Löwe, kein Tiger). Die aus Ziegeln gestalteten Mauer-Medaillons von Sambor Prei Kuk sind in Kambodscha einmalig. Einerseits verweisen die kreisrunden Bildwerke auf inhaltliche Übernahmen aus dem indischen Kulturkreis und andererseits stellen sie gleichsam ein frühes Zeugnis künstlerischen Eigenwillens dar. (Siehe auch den Artikel: Tempelmauern in Kambodscha auf dieser Webseite.) Erst in jüngerer (jetziger) Zeit sind sich die Künstler bewusst geworden, dass Durga auch eine bewundernswerte schöne Frau zu sein hat, entsprechend schillernd und auffällig bunt idealisiert finden sich zeitgenössischen Darstellungen dieser Göttin. Die Göttin KALI (»Die Schwarze«) wird als zornige Manifestation der DURGA angesehen. Dem Tod und der Zerstörung widmet sie ihre Kräfte. Manche Quellen dichten Kali jedoch auch erneuernde Wirksamkeit an. Sie gilt als die dunkle Seite der Göttin Parvati. Wir finden Kali oft in körperlicher Vereinigung mit Bhairava (»Der Schreckliche«), der als Manifestation Shivas gilt. Es fügt sich, was zusammen gehört: Kali & Bhairava → Parvati & Shiva. Im Banteay Srei Tempel in Kambodscha ist ein bemerkenswert schönes Beispiel dieser göttlichen Verbindung, die nicht ausschließlich nur sexuell konnotiert gesehen werden sollte, zu bewundern. Hier muss endlich auf den Terminus SAPTA MATRIKA näher eingegangen werden. Innerhalb der überbordenden Bilderfluten, die sich im indischen Großraum im Laufe der Jahrhunderte aufgestaut haben, nehmen die Sieben-Mütter-Bilder (Sapta-sieben, Matrika-Mutter) eine Sonderstellung ein. Vereinigt finden sich sieben (manchmal acht) Mutter-Göttinnen, denen über Zeiten hinweg eine außerordentliche Wertschätzung zuteilwurde. Der Gott Shiva und die Götterfrauen Brahmani, Mahesvari, Kaumari, Vaishnavi, Varahi, Indrani und Chamundi haben in Reihe geordnet zum Gruppenbild Aufstellung genommen bzw. sich gesetzt. Nehmen wir von links nach rechts die Matrika-Parade ab. Jeweils rechts unten neben den Göttinnen haben sich die Reittiere niedergelegt. Über Shiva (ganz links) müssen wir nicht reden. Allein den Götterfrauen widmet sich unsere Aufmerksamkeit. BRAHMANI, ihr Name verrät es unmissverständlich, ist die Gattin Brahmas. Brahmanis Kopf mit drei Gesichtern gilt als Indiz zur Identifizierung dieser Götterfrau. Brahma selbst wird meist mit drei Gesichtern (Köpfen) und vier Armen dargestellt. Nicht nur die korbartige Krone ist typisch, sie zeigt auch ihre Attribute vor: das Buch der Veden, eine Lotosblüte und ein Wassergefäß. Eine Gans (hamsa) ist das Reittier der Göttin Brahmani, dargestellt links unten am Sockel. MAHESVARI ist eine Verkörperung der Parvati, ist also die Frau des Shiva. Im Lande hatte es einhundert Jahre lang nicht geregnet. Die endlose Dürre zeitigte verheerende Folgen. Hunger und Elend quälten die Menschen. Tief berührt von diesen Zuständen weinte Mahesvari neun Tage und neun Nächte lang. Die Tränen flossen und vereinigten sich zu einem Strom. Die Menschen wurden durch das Mitleid und die (unbewusste?) Tat einer Frau gerettet. Bewegende Geschichten nisten sich in das Gedächtnis ein und werden begeistert von Generation zu Generation weiter erzählt. KAUMARI (Kumari) steht im Zusammenhang mit Karttikeya (dem Kriegsgott und Bruder Ganeshas), sie gilt als dessen Shakti und reitet ebenfalls einen Pfau. Ihr können vier bis zwölf Arme wachsen. Sie bekämpft die Rakshasa (Dämonen), ist als Kriegsgöttin einzuschätzen und im vernichtenden Eifer ihren Mann gewiss nicht nachstehend. VARAHI kann auf Grund ihrer auffälligen äußerlichen Erscheinung ohne Schwierigkeiten erkannt werden. Den Eberkopf hat sie von ihrem Gatten Vishnu geliehen, falls der nicht selbst als Varaha in Erscheinung tritt. Die Varahi aus Gujarat (Bild 20) scheint Teil einer Sapta Matrika-Gruppe gewesen zu sein, ähnlich könnte es sich mit der Mahesvari (Bild 16) und der Vaishnavi (Bild 18) verhalten. Die senkrechten, ziemlich geraden Außenkanten der genannten Skulpturen suggerieren den Trennschnitt mit der Säge. INDRANI, der Name verrät und spricht es deutlich aus, ist zweifelsfrei die Frau des Gottes Indra. Beschrieben wird INDRANI (auch SHACHI genannt) als auffallend schöne Frau, deshalb wird sie häufiger auch als Göttin der Schönheit apostrophiert. CHAMUNDI (Chamunda) steht im Zusammenhang mit Durga und Kali, schlussendlich wieder eine Inkarnation der Parvati. Sie unterstützt den Gott Shiva im Kampf gegen den Dämon Andhaka. Sie wird auch unter dem Namen YAMI gelistet, gilt damit als Frau des Yama, dem Herrn des Todes. Üblicherweise wird Chamundi als hässliche alte ausgemergelte Frau dargestellt. Chamundi sitzt oft auf einem Leichnam und trägt Schädelgirlanden als Halsschmuck. In den Händen hält sie meist einen abgetrennten Kopf und eine Schädelschale, auch eine Sanduhrtrommel und Dreizack. Mit Keule und Schwert zieht sie in den Kampf. Es muss mehr oder weniger als Rückversicherung nochmals betont werden, das im Grunde, so verschieden die Erscheinungen der Göttinnen auch ausfallen mögen, der Blick stets auf die gleiche Göttin fällt: auf DEVI, die nur in veränderten Verwandlungen auf die Götterbühne tritt. Die Bildwerke der SAPTA MATRIKA werden geschätzt. Um die sieben Frauen ranken sich zahllose Legenden. Im Kailasha-Tempel in Ellora wurde in der südlichen Außengalerie eigens eine Halle zur Ehre der sieben Göttinnen in den Fels geschlagen. Das ist insofern bemerkenswert, weil dieser monumentale Tempel allein dem Gott Shiva dezidiert wurde. Wer die Galerie im Uhrzeigersinn abschreitet, beginnt westseitig mit den drei Fluss-Göttinnen (Ganga, Yamuna, Kaveri), wird alsbald dutzendfach mit dem Gott Shiva konfrontiert, dem auch vereinzelt seine Parvati zur Seite steht. Nordseitig folgen weitere Bilder Shivas, dazwischen hat auch Vishnu seinen Auftritt. Ostseitig rückt mehr und mehr PARVATI ins Blickfeld. An diese Galerie schließt sich der SAPTA MATRIKA-Saal an. In diesem Saal haben sich die Göttinnen mit ihren Reittieren zusammengefunden. Auf der Insel Elephanta (Nähe Mumbai) wurde in der Haupthöhle hinter dem Ost-Schrein eine ganze Felswand der Sapta Matrika gewidmet. Leider befindet sich dieses überdimensionale Relief im Zustand arger Zerstörung. Die Göttinnen (und Götter) führen in diesem sicher einst imposanten Bildwerk nur noch ein Schattendasein. Noch deutlich schaut aus der rechten Bildseite Ganesha heraus. Der Gott Ganesha (Sohn Parvatis) ist nicht in allen Sapta Matrika - Versammlungen zugegen. Chamundi, die Hässliche, ist noch am ehesten zu erkennen, über die Aufstellung der anderen Göttinnen könnten lediglich vage Vermutungen geäußert werden. Die Phantasie des Betrachters versucht die Fehlstellen zu ersetzen. Überzeugend ist die Größe des Raumes und der Figuren. Hier wurde den Göttinnen nach europäischem Verständnis ein opulenter Altar errichtet. Bild 29: Shiva-Lingam im Kailasha-Tempel – Ellora (Maharashtra) Indien Bild 30: Shiva-Lingam, Höhle 14 – Ellora (Maharashtra) Indien Ein Lingam – das anikonische Symbol für den Gott Shiva – befindet sich niemals in isolierter Aufstellung. Das häufig als Phallus betrachtete steinerne Idol ist stets von einer Yoni (Snanadroni) – die wiederum als Shakti interpretiert wird – umgeben bzw. in ihr aufgestellt. Generalisierend ließe sich behaupten: Lingam und Yoni versinnbildlichen die Verbindung von männlicher und weiblicher Schöpferkraft. Nur durch das bewusste Zusammenwirken und die Vereinigung der energetischen Polaritäten kann Leben entstehen: Zweiheit, die nach Einheit strebt.
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GANESHA – wir kennen ihn alle – ist unbestritten das prominenteste Mitglied im hinduistischen Götterpantheon. Vermutlich lebt in Indien kein Kind, das den dickleibigen Elefantengott nicht ins Herz geschlossen hätte, doch auch die erwachsenen Menschen pflegen ihr Verhältnis zu Ganesha. Dieser Gott ist auf Erden allgegenwärtig. Seine Erscheinung ist unverkennbar, mit keinem anderen Gott kann er verwechselt werden. Er tritt immer als Elefant auf. Verwandlungen sind ihm fremd. Er bleibt, was er ist, eine sympathische Erscheinung, die keiner fürchtet. GANESHA präsentiert sich, er zeigt, was er hat. Kugelrund ist sein Leib. Eine Schlange windet sich um diesen gepflegten Bauch. In der linken Hand hält Ganesha eine mit Früchten gefüllte Schale, die andere Hand umfängt den Stängel einer Lotosblüte, für Futter ist gesorgt. Die rechte Hand führt den abgebrochenen Stoßzahn, mit diesem notiert er die Sünden der Menschen. Die vierte Hand hält eine Art Stachel bereit, ein Werkzeug, wie es Elefantentreiber verwenden. Die liebevoll gestaltete, keineswegs kleine Statue schien beliebt zu sein, ehe sie im Museum Aufstellung fand. Bauch und Knie sind blank gegriffen. Vermutlich wird Ganesha im Museum auch noch vertrauensvoll berührt. Das Verbotene reizt. Sieht man von den Schäden an der Skulptur ab, die auf lange Sicht nachweislich entstehen werden, können vorsorgliche Berührungen nicht schaden – vielleicht schwinden das Bauchweh oder die Kniegelenkschmerzen. Physische Annäherungen müssen steingewordene Götter (Kunstwerke) in Indien zwangsläufig aushalten. Ganesha soll über viele unglaubliche Fähigkeiten verfügen. Ganesha – der Wunderhelfer. (Eine Anmerkung zum Vergleich: Ikonen unter Glas, goldene Kruzifixe und Hände christlicher Würdenträger werden innig geküsst. – In Tibet werden heilige Schriften mit der Stirn berührt.) Der Beliebtheitsgrad Ganeshas kann kaum überboten werden. Das Museum in Aihole im indischen Bundesstaat Karnataka zeigt im Außenbereich eine stattliche Ganesha-Kollektion. Kaum eine Museumssammlung, die asiatische Kunst zeigt, besitzt nicht mindestens einen Ganesha. Eines haben diese Statuen alle gemeinsam, der Gott Ganesha befindet sich (von Ausnahmen abgesehen) stets in entspannter bequemer Sitzposition. Diese Ruhehaltung strahlt eine angenehm-wohltuende Gemütlichkeit aus. Für Elefanten ist diese Sitzposition eher untypisch. Gelegentlich wird diese Sitzhaltung im Zirkus vorgeführt, doch diese Tiere sind speziell trainiert und keine Götter. Anders Ganesha, der ruht völlig gelassen in sich selbst. Seine üppige Masse vermittelt Erdverbundenheit und Erdenschwere. Ihn kann nichts erschüttern. Vielleicht macht die statische Unverrückbarkeit einen Teil seiner Anziehungskraft aus. Der Rest seiner Faszination strahlt in Form der Vermenschlichung des Gottes auf uns nieder. So könnten auch wir sitzen und ruhen. Es würde uns mehr als nur guttun. An sich selbst und sein Wohlbefinden denkt Ganesha. Auch wir denken meist zuallererst an uns. Ganesha ist ständig am Fressen. Sein linker Arm hält (wie schon erwähnt) meist eine Schale mit Früchten oder eine Lotosblume fest. Er sorgt für sich. Wir schauen auf Ganesha und blicken sinnbildlich in einen Spiegel. In Ganesha erkennen wir uns wieder. Sympathisch sitzt der Gott uns gegenüber, niemals schaut er grimmig drein. Wir möchten ihm ähnlich sein, das ist der Vorzug jeglicher Gottesbilder, sie reizen uns, spornen uns zur Nachfolge an. Den Göttern folgen, heißt einen Weg einschlagen, der zu uns selbst, in unser Inneres führt. Doch meist ist alles ganz anders, schwieriger und keineswegs geradlinig zu erreichen. In Kambodscha hat sich der Ganesha-Kult stets in Grenzen gehalten. Von einer flächendeckenden Ganesha-Verehrung kann keine Rede sein. Nur vereinzelt sind Ganesha-Idole aus frühen Zeiten überliefert. Die im Pariser Musée Guimet gezeigte Ganesha-Statue ist eines der wirklich raren Beispiele der Ganesha-Verehrung in Kambodscha. Sra Ta Set bezeichnet wohl nur den Fundort der Statue. Sra meint immer ein Wasserbecken, keinen Tempel. Ta Set bezeichnet ein Wasserbecken in Angkor Thom. Im Angkor-Gebiet ist (nach Wissensstand des Autors) kein Tempel jemals dezidiert dem Ganesha-Kult vorbehalten gewesen. – Nun ließe sich einwenden, überall im Angkor-Gebiet und in ganz Kambodscha wären doch Elefanten präsent, sogar Tempel hießen Prasat Damrei. Das ist richtig, jedoch ist nicht bewiesen, dass diese Tempel der Ganesha-Anbetung dienten. Meist sind die oftmals großen Elefanten-Skulpturen an den Eck-Punkten oder an Treppenaufgängen der Tempel platziert, wie eben auch Löwen an und in Khmer-Tempeln präsent sind. Ein Beispiel: der Prasat Damrei in Koh Ker zeigt zwar Elefanten, doch über dem Zugang zum Heiligtum thront der Gott Indra. Ein zweites Beispiel: der East Mebon Tempel im Angkor-Gebiet wird auf den unteren Pyramiden-Stufen von prächtigen Elefanten bewacht, geweiht wurde der Tempel dem Gott Shiva. Das dritte Beispiel: die Elefanten-Terrasse in Angkor Thom zeigt Elefanten zuhauf, doch keines dieser Tiere trägt göttliche Attribute. Zu sehen ist eine Elefanten-Parade: dargestellt sind Zirkusszenen und Elefanten-Polo, ein sportliches Spiel. In großzügig angelegten Reliefbildern wird der Elefant bestenfalls als ein von Göttern den Menschen geschenktes Tier verehrt. Diese mehr oder weniger weltliche Huldigung setzt sich bis heute fort. Viele Zugänge moderner buddhistischer Tempel werden von Elefanten bewacht. Der Unterschied zwischen Elefanten-Skulptur und Götter-Idol wird anhand der folgenden zwei Fotos ausgewiesen. Beide Kunstwerke sind nicht näher bezeichnet, weder Herkunft noch Datierung scheinen bekannt zu sein. Im Fall des Ganesha aus Kampong Thom (Bild 6) wäre die zeitliche Zuordnung seiner Entstehung wichtig. Nirgends in Kambodscha finden sich derart archaisch, radikal vereinfachte Ganesha-Skulpturen. (Das ist eine Aussage unter Vorbehalt und nur die private Meinung des Autors, der allein diesen einen außergewöhnlich hervorstechenden Ganesha kennt. Hinweise sind jederzeit willkommen.) Der Ganesha aus Tamil Nadu eignet sich bestens für die kunstgeschichtliche Auswertung. Üblicherweise wird Ganesha mit vier Armen dargestellt. Diese vier Arme symbolisieren Geist, Ego, Intellekt und Bewusstsein. In zwei Händen hält er eine Axt und ein Fangseil, die anderen Hände umklammern Süßigkeiten und eine Lotosblume. Im Regelfall sitzt Ganesha auf einer Lotosblume, hier allerdings hat er sich auf einem Thron niedergelassen. Ihm zu Füßen wartet unterwürfig sein Reittier: eine Ratte, hier sogar gesattelt. Die Ratte symbolisiert den Egoismus. Ganesha hat diese uns Menschen sehr vertraute negative Eigenschaft völlig überwunden. Er ist der Herr der Ratte. Das Reittier ist Ganesha, seinem Gebieter, absolut hörig. Dieser Ganesha repräsentiert eindringlich Macht und Stärke eines Gottes. Charakteristisch in den vielfältigsten Darstellungen sind die großen Ohren und die kleinen Augen. Viele Ganesha-Idole verfügen nur über einen Stoßzahn. Auch das ist gewollt und bewusst so dargestellt. Weshalb Ganesha einen Stoßzahn eingebüßt hat, erzählen verschiedene Geschichten. Das nicht näher bezeichnete Idol aus dem Königspalast in Phnom Penh verfügt über die markanten beschriebenen Merkmale. Beine und Arme sind geschmückt. Ganesha trägt eine Krone, er sitzt auf einer Lotosblume und ist in Meditation versunken. Demütig zu Füßen duckt sich die Ratte. Die Holz-Statue zeigt den Gott in sehr konzentrierter Haltung. Die Vermenschlichung ist hier weit getrieben. Er sitzt wie ein Buddha. Füße und Hände sind menschlich ausgeformt. Der Blick ist leicht gesenkt. Noch deutlicher spiegelt sich dieser Aspekt im Banteay Srei-Ganesha (Bild 9) wieder. Der Bildhauer zeigt uns einen Menschen mit Elefantenkopf. Dieser Mensch (Mann) trägt Khmer-Kleidung und hat die Hände zum Gebet gefaltet. Noch heute werden in Indien und in Kambodscha die Hände zum Gruß und zum Gebet in der im Lintel gezeigten Weise zusammengelegt. Nebenbei noch eine Feststellung am Rande: die Khmer-Bildhauer formten Ganesha immer nur zweiarmig. Ein sehr schön ausgebildeter Ganesha aus dem National Museum Phnom Penh, der hier leider aus rechtlichen Gründen nicht abgebildet werden darf, begnügt sich mit nur zwei Armen, wie auch der Ganesha aus dem Kampong Thom Museum (Bild 6) mit zwei Armen leben kann. Der in New York gezeigte stehende Ganesha (Bild 14) behauptet sich ebenfalls mit nur zwei Armen. Naturtreue schien angesagt. Die realistisch-natürliche Formbildung zeichnet nicht zuletzt den Prasat Andet-Stil (Bild 14) aus. Viergliedrig, also mit zwei Armen und zwei Beinen, ließ sich wohl die angestrebte Vermenschlichung überzeugender gestalten. Fehlt auch dem Ganesha (Bild 10) der Rüssel, kommt trotz des Mangels die kunstvolle Gestaltung der Skulptur zur Wirkung. Ganesha sitzt auf einer Lotosblüte (einem Lotos-Thron). Eine in Falten gelegte Decke dient ihm als Unterlage. Seine Beinkleider sind mit Blumen verziert. Um die Fesseln trägt er Perlenketten. Bauch, Hals und Oberarme sind ebenfalls schmuckbewehrt. Deutlich zu sehen ist die Schlange, die sich um den Leib windet. Die Form der Krone ist schwer zu erkennen, sie ist schadhaft. Das schwarzgraue Gestein (Lava-Gestein aus Java) passt wunderbar zu Ganesha. Der vermutlich zeitgleich entstandene Ganesha (Bild 11) vermittelt ziemlich gesicherte Auskünfte, wie der Ganesha im Kopfbereich (Bild 10) ursprünglich ausgesehen haben könnte. Ganesha kann auch tanzen. Diesbezüglich ist er wohl der gelehrige Sohn des Vaters. Ganesha ist der Sohn des Gottes Shiva. Parvati ist seine Mutter. Tanzbilder, die den Vater Shiva zeigen, sind weit verbreitet, den tanzenden zwölfarmigen (!) Ganesha trifft man seltener an. Zwölf Hände mit passenden Attributen zu füllen, war für den Künstler keine leichte Aufgabe. Die rechten unteren Hände halten Ritualobjekte fest, die bei tantrischen Riten benutzt und bis heute bei buddhistischen Zeremonien verwendet werden: den Phurba (Dolch) und den Vajra (Donnerkeil). - Angeblich liebte Ganesha das Vergnügen. Auch den Frauen schien er nicht abgeneigt. In dieser Angelegenheit driften die Meinungen weit auseinander. Zu lesen ist, er hätte sich drei Frauen gleichzeitig zugewendet. Andere Quellen verfechten sein Zölibat. Viele Geschichten über Ganesha kursieren und alle sind wie aus dem realen Leben gegriffen. Die ältesten überlieferten Bildwerke, die uns den Elefanten als Gott zeigen, stammen aus dem 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die Anbetung Ganeshas muss wesentlich eher begonnen haben. Ein Zentrum früher Ganesha-Verehrung befand sich in der Stadt Benares (heute Varanasi). Dort werden noch heute Dutzende Ganesha-Schreine von Gläubigen besucht. Um einen zentralen Ganesha-Tempel wurden (konzentrischen Kreislinien entsprechend) auf den Hauptkoordinaten kleinere Schreine errichtet. Pilgerströme bewegen sich durch Varanasi und suchen das Ufer der heiligen Ganga zu erreichen. Auf den Pilgerwegen werden den Göttern Shiva und Ganesha Opfer gebracht. Das Stadtbild wurde nicht zuletzt von Tempeln und zahlreichen Schreinen, die der Ganesha-Verehrung dienten, geformt. Was erhoffen sich die Menschen vom Gott Ganesha? Wofür ist er zuständig? Was wird ihm nachgesagt? Was wird ihm zugetraut? Ganesha gilt als Herr der Hindernisse, nur er kann sie beseitigen. Ganesha trägt verschiedene Namen, der geläufigste seiner Namen ist Ganapati: Herr der Gana. Sowohl die Gana, kleine dickbauchige Gesellen, als auch Ganesha selbst sollen mit den Yakshas kooperieren. (Hier scheiden sich die Meinungen.) Nach europäischen Verständnis sind die Yaksha kleine, den Menschen meist freundlich gesinnte Erdgeister. Irgendwie und irgendwann muss sich Ganesha hervorgetan haben. Er übernahm die Führung der Truppen, die später im Gefolge von Shiva in Erscheinung treten. (Näheres zu den Gana im Artikel INMITTEN VON GÖTTERN TEIL 7) Es wäre ein Leichtes gewesen, Fakten betreffs Ganeshas Verdiensten und Fähigkeiten aus Büchern und dem Internet abzuschreiben. Geschichten aus seinem Leben werden ehrfürchtig mitgeteilt. Legenden verwandeln sich im Laufe der Jahrhunderte. Zutaten ergänzen die alten Geschichten. Jede Generation erschafft sich ihren Ganesha. Noch enger gefasst, jeder gläubige Mensch (Hindu) trägt seinen Ganesha im Herzen und verehrt Ganesha, wie es ihm beliebt. Zur Empfehlung sei hier wenigsten auf die WIKIPEDIA-Seite zu Ganesha verwiesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Ganesha. Wärmsten empfohlen werden muss das Buch: »Benares Stadt des Lichts« von Diana L. Eck erschienen als Insel-Taschenbuch Nr. 3171 im Insel Verlag 2006
Ehe Ganesha zum Gott stilisiert wurde und heutzutage fast zur Kult-Figur avancierte, lebten die acht großen Elefanten, die angeblich die Welt trugen. Vier (manchmal auch nur zwei) auserwählte Elefanten wuschen (tauften?) die Göttin Gajalakshmi mit reinstem Wasser (siehe INMITTEN VON GÖTTERN TEIL 5). Der Gott Indra kam auf einem dreiköpfigen Elefant geritten (siehe INMITTEN VON GÖTTERN TEIL 3). Der Elefant an sich wurde stets als ein den Göttern ebenbürtiges Wesen angesehen, ein Vorzug, der gewiss aus seinen besonderen Eigenschaften resultiert. Man muss kein Hindu sein, um den Elefant als außergewöhnliches Wesen anzuerkennen. Schauen wir auf die Kinder. Spielen sie mit Plüsch- Holz- oder Stofftieren, dann sind die Elefanten äußerst beliebt, Elefanten sind die Favoriten. Die Faszination für den Dickhäuter wird nicht nachlassen. Etliche indische Restaurants in Deutschland tragen den Namen des Gottes, der in diesem Artikel beschrieben wurde. Ganesha ist zum Markenzeichen für das Gute, für den Genuss geworden. Die Vermarktung schreckt auch vor einem Gott nicht zurück.
Die Relief-Bildwerke der Chalukya-Tempel und Chalukya-Höhlentempel in Badami unterscheiden sich inhaltlich erheblich, nehmen jedoch Bezug auf die jeweils zu verehrende Gottheit. Frühzeitig wurden im alten Indien Formen skulpturaler Architektur erprobt und angewandt. Skulpturen, im speziellen Fall vorwiegend großformatige Hoch- und Halbreliefs, dienten der Vermittlung religiöser Aspekte und Inhalte. Im Bildaufbau und der formalen Gliederung erwecken die überlebensgroßen Relief-Bilder der Höhlen-Tempel in Badami durchaus Assoziationen zu europäischen sakralen und sepulkralen Bildwerken des späten Mittelalters und Altarbildwerken der Renaissance-Zeit. Mag auch die Idee eines Vergleiches absurd oder weit hergeholt erscheinen, lässt sich dennoch auf den ersten Blick eine entfernte Verwandtschaft nicht von der Hand weisen. Leider verbieten sich im Rahmen dieser kurz gefassten Abhandlung weitere vergleichende Gedanken zwischen indischen Bildwerken und ähnlich gearteten Meisterwerken skulpturaler Kunst der westlichen Hemisphäre.
Bestechend an dem Dvarapala (Wächter) ist der wirkungsvolle, wechselweise Einsatz von Hoch- Halb- und Flachrelief. Der überlebensgroße (übrigens waffenlose) Dvarapala ist als vollplastisches Hochrelief herausgearbeitet, für den unteren Bildteil kam die Halbrelieftechnik zum Einsatz, als Flachrelief erscheint die trennende Girlande. In dem Wächter-Bild wurden die damals bekannten Möglichkeiten der Relieftechnik angewandt. Die meisten der Götterreliefs im Hochformat stehen auf einem Bildfries bzw. sind ihnen schmale alternierende Bilderstreifen als Basis untergeschoben, diese wiederum fordern den Vergleich mit den Predellen westlicher Altarbilder heraus.
Sehr in die Breite gezogene Halbrelief-Bänder finden sich an den Veranden der Badami-Höhlen und an Fundamenten einzelner Tempel in Badami. Allein den Basis-Reliefs und den Reliefbändern will sich diese kurze Betrachtung widmen. Besucher, die in Badami unterwegs sind, haben viel zu tun. Außer den vier berühmten Höhlentempeln gibt es ein reichliches Dutzend Chalukya-Tempel zu besichtigen. Sowohl die Höhlentempel als auch die anderen Tempel wurden am See (künstlich angelegtes Becken) bzw. in dessen Nähe erbaut. Nördlich und südlich des Sees erheben sich markante Felsen, auf denen jeweils ein Fort errichtet wurde. Schon Jahrhunderte früher ließen die Chalukya-Könige auf dem Nord-Felsen den Oberen Shivalaya Tempel erbauen. Der imposante (stark restaurierte) Tempel aus dem Jahr 642 erhebt sich 631m über der kleinen Stadt Badami. Näher dem Himmel ist in Badami kein Tempel gelegen.
Klar zu unterscheiden sind die ursprüngliche Bausubstanz und die zeitgenössischen "Zutaten", die dem Shiva-Tempel ein vermutlich authentisches Aussehen verleihen sollen. Der Wiederaufbau ist gelungen. Der Sockel und die Stufen, die einst in die Veranda oder in einen Mandapa (Vorbau) führten, mussten ersetzt werden. Erhalten aus der Originalsubstanz haben sich die Stufenwangen und Teile der Elefantenskulpturen. Vorstellbar wäre, dass sich am Sockel (Fundament), auf dem der Tempel errichtet wurde, die Bilderfriese umlaufend fortgesetzt haben könnten. Sofort ins Auge fallen die Elefantenskulpturen, die jene schmalen Reliefbänder bewachen bzw. begrenzen. Die schmalen Halbrelief-Bildbänder, die leicht übersehen werden, sollen hier näher betrachtet werden.
Beharrliches Nachfragen, was denn auf diesen Friesen abgebildet sei, wurde von einem umfassend informierten ortskundigen Reiseführer durchgehend einsilbig beantwortet. "Lilliputs" seien zu sehen. Mehr hatte er zu den Bildbändern nicht zu sagen, dabei, dass muss zu seiner Ehrenrettung erwähnt werden, konnte er zu allen anderen Bildwerken plausible Erklärungen liefern und die jeweils passenden mythologischen Geschichten erzählen. Kurzum, er war bestens präpariert. Hier aber waren wir auf eine Wissenslücke gestoßen. Keiner kann alles wissen. Wir fanden die Auskunft betreffs der "Lilliputs" ungenügend. Schließlich kannten wir Liliputaner, also die Bewohner von Liliput nur aus Jonathan Swifts Roman »Gullivers Reisen«. Gewiss, so meinten wir, können die kleinwüchsigen Erfindungen eines englischen Autors mit den indischen Gnomen nichts gemein haben. (bei Swift "Lilliput", in deutschen Übersetzungen nur "Liliput") Im DuMont-Buch »Richtig reisen« SÜD-INDIEN (1993) werden "Paare dickbäuchiger Zwerge in einer Vielzahl witziger Posen" erwähnt, (zu finden ist das Zitat a. S. 246). Kurz nur wird der Bildschmuck der Veranda von Höhle III in Badami besprochen. Nähere Einzelheiten über die dickleibigen Wichte konnten die Autoren Petra Haubold und Günter Heil auch nicht vermelden. Wieder daheim machten wir uns kundig und fanden im Internet befriedigende Informationen, die hier vereinfacht und hoffentlich für Jedermann verständlich gegeben werden. Die GANA – von ihnen wird forthin zu reden sein – rücken scharenweise an. Einzeln sind sie auf keinem der Bildbänder zu sehen, immer verbündet treten sie auf, als Gruppe vereint sind sie stark. Was hat es auf sich mit den kleinen, aufgeweckt tobenden, nicht unsympathischen Gestalten? Manchem Betrachter scheinen sie unheimlich, zu fürchten sind sie nicht wirklich. Gleichen sie nicht den Kobolden und Trollen oder sonstigen irrlichternden Nachtalben, die in westlichen Mythologien herumgeistern und ihr Wesen und Unwesen treiben?
Der Sanskrit-Begriff GANA meint etwa: Gruppe, Horte oder Schar. Die zwergenhaften und dickbäuchigen Gesellen sind die Begleitscharen des Gottes SHIVA. Sie geben sich also nicht zufällig am Eingang zu einem Shiva-Tempel die Ehre. Nennen wir sie die Vorhut des Gottes. Vorbei an ihnen muss, wer sich dem Gott nähert. Angeführt werden die wilden Truppen von GANESHA, dem Elefanten-Gott, ebenfalls dickbäuchig, der sich übrigens vornehm im Hintergrund bewegt, in den Bildern niemals in Erscheinung tritt. Ein anderer Name, den GANESHA trägt, lautet GANAPATI, Herr der GANA. Eigentlich alles ganz einfach und verständlich, man muss eben nur wissen, wo es nachzulesen ist: nämlich bei WIKIPEDIA → Gana (Mythologie).
An verborgenen Orten sollen sie sich gern aufhalten. In Höhlen scheinen sie sich wohl zu fühlen, dort können sie Unterschlupf finden. Am Oberen Shivalaya Tempel in Badami müssen sie den Tempel bewachen, der Aufgaben sind viele. Shiva zu dienen ist ihre erste Pflicht. Einige von ihnen haben sich der Musik verschrieben. Flötenspieler und Trommler geben Melodie und Takt vor, die anderen wiegen sich mehr behäbig als gesellig im Tanz. Sind sie trunken? Oder nur übermütig? Allenfalls dienen ihre Vorführungen der Unterhaltung der Götter. Im Süd-Fries (Foto 2) marschieren acht, im Nord-Fries (Foto 3) neun GANA auf. Die Truppen gleichen sich nicht. Die bildhauerische Gestaltung ist sehr verschieden. Zwei Bildhauer müssen, ohne dass einer auf den anderen geschaut hat, die Bildfriese des Oberen Shivalaya Tempel gefertigt haben oder einer der Friese stammt von der Bildumrandung des Fundamentes oder gar von einem anderen Tempel? Was möglich wäre, weil die Längen variieren. Vielleicht ist auch der südliche Fries nachträglich gefertigt worden? Er scheint späteren/anderen Ursprungs zu sein. Stilistisch stimmen beide Friese in keinster Weise überein.
In BADAMI wurden vier Höhlen in die südseitig des Sees gelegene Felswand getrieben. Die GANA-Friese in der Shiva gewidmeten Höhle I sind stark verwittert. Bis auf einen Teilbereich an der linken Veranda-Seite sind Einzelheiten der Figurenreihen kaum noch zu erkennen.
Die Höhlen II und III wurden dem Gott Vishnu geweiht. Trotzdem geben sich GANA die Ehre. Sie sind also Diener zweier Herren. Die offene Veranda zum Höhlen-Tempel II ist über eine mittig gelegene Treppe zu erreichen. Die vorderen Wandflächen der Veranda sind mit GANA-Bildfriesen belegt. Auf jeglichen anderen Bildschmuck wurde verzichtet. Jeweils vierzehn GANA tummeln sich. Je länger man ihrem Treiben folgt, desto karnevalesker mutet ihr Reigen an. Die GANA-Truppen an Höhle II scheinen von der Hand eines Bildhauers zu stammen. Zu ähnlich sind sich die Gestalten, als dass sie von verschiedener Hand aus dem Felsen geschlagen wurden.
Die Höhle III in Badami (Foto 10, 11) ist die größte der vier Höhlen, die, es sei nochmals erwähnt, dem Gott Vishnu dediziert wurde. Die Breite wird mit beachtlichen 21m angegeben, folglich messen die Wände der Veranda (mukha mandapa) wenigstens 9m, entsprechend lang auch die Bildbänder. Dafür hat sich der Bildhauer eine neue Art der Bildfries-Gestaltung einfallen lassen. Rechtecke, in denen jeweils zwei GANA gezeigt werden, gliedern die Überlänge des Bildbandes auf. Nur noch paarweise treten die GANA in Erscheinung. Welch eine Herausforderung: 34 ungleiche GANA-Paare zu erfinden. Zwei weitere Paare finden sich noch seitlich am Felsvorsprung eingearbeitet, (rechts im Bild). Erfindungsreichtum und Vorstellungskraft müssen den Bildhauer ausgezeichnet haben.
Auch in AIHOLE, PATTADAKAL und MAHAKUTA begaben wir uns auf Spurensuche, um weiteren dieser wackeren Gesellen zu begegnen. Wir wurden nur bedingt fündig. Tempelbauten sind in den drei kleinen Siedlungen in Vielzahl vorhanden, doch die GANA fühlen sich wohl eher an düsteren und abgelegenen Orten wohl. Nur vereinzelt wurden wir ihrer ansichtig. Vereint in langen Reihen traten die dickleibigen Burschen in keinem der prachtvollen Chalukya-Tempel mehr auf.
Jeder der fünf Musiker ist in einen eigenen Rahmen gefasst. Senkrechte Blütenleisten bilden die Trennpfeiler. Die Besetzung der Kapelle scheint vorgegeben. Die Instrumentalisten gleichen den Musikern, die auch in Badami fröhlich aufspielen. Blasinstrumente und Trommeln vereinigen sich zur Standardbesetzung. Noch heute wird klassische indische Musik mit Rohrblattinstrumenten und Tabla aufgeführt. An der Instrumentierung hat sich in Jahrhunderten nichts verändert.
Zur eindeutigen Identifizierung der GANA können nicht in jedem Fall stichhaltige Beweise erbracht werden. In manchen Bildfolgen und Einzelbildern sehen die Yaksha den GANA auffallend ähnlich. Manche Darstellungen bringen beide Gruppierungen in wechselseitige Zusammenhänge. Wo die einen unterwegs sind, treten die anderen meist auch in Erscheinung. Ob GANA, Yaksha oder sonstige halbgöttliche Wesen die Bildwerke bevölkern, lässt sich meist nur aus der bilderreichen Gesamtkonzeption eines Tempels ablesen. Jeder besetzt seinen Platz. In den Himmeln herrscht eine strenge Hierarchie, die sich kunstvoll vielgestaltig im Schmuckwerk der Tempel niederschlug. Bildanhang: Gana in Badami
Die linke Körperhälfte (im Bild rechts) verweist auf Shiva (Muschelhorn und Wurfscheibe), ihm zur Seite steht seine Frau Parvati. Die rechte Körperhälfte (im Bild links) zeigt den Gott Vishnu, ihm zur Seite ein GANA. Auf den seltenen Fall, das sich ein Zwerg=Gana im Lichtschein (s)eines Gottes zur Schau stellt, muss in dieser Abhandlung verwiesen werden. Der zu Shiva aufblickende GANA scheint beim Publikum eine herausgehobene Bevorzugung zu genießen, Bauch und Brust sind blank gegriffen. (Die Vermutung muss erlaubt sein: Vielleicht ist anstatt eines GANA der vermenschlichte Ganesha im Bild platziert worden?)
Die indische Internet-Seite http://www.art-and-archaeology.com/india/aihole/dur13.html spricht übrigens in der Bilderläuterung zum Harihara-Standbild vom "dwarf Gana" und erläutert in einem link: "A dwarf-like, auspicious nature-spirit that is often found decorating the temples and shrines of India and Southeast Asia. In Hinduism, the ganas are servants of Shiva (the name of Shiva's son, the elephant god Ganesha, means "Lord Of The Ganas.") In Buddhism, the ganas are servants of Kubera, the god of wealth."
Übersetzung: Ein zwergartiger, verheißungsvoller Naturgeist, der häufig die Tempel und Schreine Indiens und Südostasiens schmückt. Im Hinduismus sind die Ganas Diener von Shiva (der Name von Shivas Sohn, dem Elefantengott Ganesha, bedeutet "Herr der Ganas"). Im Buddhismus sind die Ganas Diener von Kubera, dem Gott des Reichtums.
Weitere Einzelheiten zu den GANA finden sich auf den S. 222-225 in »Benares Stadt des Lichts« von Diana L. Eck, erschienen als Insel-Taschenbuch 3171 im Insel Verlag 2006
Europäer und Amerikaner verbinden mit Shiva schlechthin den Herrn des Tanzes. Darstellungen des tanzenden Gottes, wie diese im 12. Jahrhundert im südindischen Tamil Nadu gefertigte Bronze, die im Pariser Musée Guimet gezeigt wird, formten und formen bis heute die Shiva-Vorstellungen der westlichen Hemisphäre. Shiva tritt auf den kleinwüchsigen Dämon Apasmara, tanzend vernichtet Shiva die Verkörperung der Unwissenheit und geistiger Verblendung. Shivas göttlicher Tanz symbolisiert Schöpfung und Zerstörung zugleich. Shiva führt seinen kosmischen Tanz (tandava) aus. Das hervorragend gearbeitete Relief aus rotem Sandstein gilt als einmalig. Impulsiver tanzend, geradezu in Ekstase verfallen, wird Shiva selten gezeigt. Besonders hervorzuheben ist an diesem Relief die Vielarmigkeit des Gottes. In den Armen hält Shiva seine Waffen. Die achtzehn Arme zeigen außerdem in unnachahmlicher Manier, (laut Aussage eines Touristenführers aus Aihole), die Armhaltungen des klassischen indischen Tanzes. Diese Gesten sollen bis heute nichts an Verbindlichkeit eingebüßt haben. Tänzer und Tänzerinnen würden nach diesem Relief ihre gestischen Tanzpositionen orientieren. Haartracht und Kopfschmuck sind eines Gottes würdig. Links unten ist das Reittier des Shiva zu sehen, der Buckelstier Nandi. Rechts unten neben Shivas Podest, auf dem er tanzt, steht der Elefanten-Gott Ganesha, Shivas Sohn. Die Figur ganz rechts zeigt einen Trommler, einen Musiker (Gandharva?), der Shiva den Tanz-Rhythmus vorgibt, tatsächlich könnte aber auch der trommelnde Ganesha in Menschengestalt abgebildet sein, in diesem Fall stünde Ganesha zwiefach im Bild. Die vier Höhlen von BADAMI wurden im 6. Jh. n. Chr. in den Fels getrieben. Ohne Übertreibung kann behauptet werden, dass die Badami-Höhlen-Tempel zum Besten zählen, was während der Ära der Chalukya-Dynastien an künstlerischer Entfaltung hervorgebracht wurde. Die Höhle I ist dem Gott Shiva gewidmet, die Höhlen II & III sind der Vishnu-Verehrung vorbehalten. In der Höhle IV wurde ein prächtiger Jain-Tempel kreiert. Die Skulpturensammlung im Chhatrapati Shivaji Maharaj Vastu Sangrahalaya Museum in Mumbai (ehemals das Prince of Wales Museum of Western India) bietet einige ausgesucht schöne Stücke zur Ansicht. Die Skulpturen und Reliefs sind in einem großen Saal mit Nebenräumen aufgestellt. Jedes der ausgestellten Werke ist mit einer konkreten Beschreibung versehen. Geboten wird ein Rundumblick auf die verschiedenen Strömungen altindischer Bildhauerkunst. Wer entdecken möchte, was den meisten Tempeln Süd-Indiens fehlt, der besichtige die Skulpturensammlung im Chhatrapati Shivaji Maharaj Vastu Sangrahalaya. In diesem Museum wird kaum einer enttäuscht. Der hier vierarmig dargestellte Vishnu trägt trotz Eberkopf (Varaha) seinen Kopfschmuck, der ihn als Gott auszeichnet und kenntlich macht. In jeweils einem Arm hält er die Wurfscheibe (Chakra) und das Muschelhorn (Shankha). Mit dem linken (vorderen) Arm trägt er Lakshmi, sie steht auf einem Lotos (Padma) und neigt sich ihm zu. Auch ihr hat der Bildhauer eine göttliche Krone aufgesetzt. Der rechte (vordere Arm) hält die nach unten gerichtete Keule (Gada). Vishnu ist jederzeit angriffsbereit. Sein rechter Fuß steht fest auf der Erde (dem Boden), der linke Fuß ruht auf einer Padma (Lotos). Rechts unten lagern die Schutzgötter Nagaraja (Schlangengott) und seine Frau Nagaraji. Der Bildabschluss wird vom Treiben munterer Gana erfüllt. Über Vishnu in luftiger Höhe schweben himmlische Wesen. (Nähere Informationen zu den Gana sind im Artikel INMITTEN VON GÖTTERN TEIL 7 nachzulesen.) In dem noch (!) kleinen Dorf AIHOLE sind mindesten einhundert Tempel zu entdecken. Wichtige Tempel im Zentrum des Ortes sind in einem umzäunten Museumsareal zu besichtigen. Der Durga Tempel ist kein Höhlen-Tempel, sondern ein zu ebener Erde errichteter Steinbau. Er ist im Museumsbereich die Hauptattraktion. In keiner anderen Siedlung ließen die Chalukya-Könige mehr Tempel als in und um Aihole bauen. Die leider etwas beschädigte Figur zeigt den Gott Vishnu und die Göttin Lakshmi. Vishnu blickt zu Lakshmi auf. Sie wird buchstäblich auf Händen getragen. Elegant stützt sich Lakshmi auf der Schulter ihres Mannes ab. Im rechten (hinteren) Arm hält Vishnu – immer zum Kampf gerüstet – den Chakra (Wurfrad). Der linke, hintere fehlende Arm hielt vermutlich eine weitere Waffe bereit. Die resolute Schrittstellung des Kämpfers suggeriert das Bewusstsein schierer Unbesiegbarkeit. Schließlich hat er das Schlangengötterpaar im Gefolge, auf deren Schutz er sich verlassen kann. Der Nagaraja und die Nagaraji gehören unweigerlich ins Götterpantheon. Sie fehlen in kaum einem Bilderzyklus. Auch bei diesem Paar findet sich, wie so oft, der weibliche Götterpart verkleinert dargestellt. Der Naga windet (die Naga winden) sich an und in den Tempeln Kambodschas ungehindert bis heute. Ungezählte Tympani, Akroterien und Lintel zeigen den Schlangengott in seiner Funktion als Schutzgeist. Garuda, das Reittier des Gottes Vishnu, gilt als Erzfeind der Nagas. Im Großformat ist dieser Kampf neben den Toren des Preah Khan Tempel im Angkor-Gebiet zu sehen. Im Süden Indiens finden sich häufig schlicht gestaltete Steine, die das Schlangenpaar zeigen. Solche Plätze, an denen die zumeist kleinen Schlangen-Steine (Nagakal) Aufstellung fanden, scheinen ihre ursprüngliche Magie niemals eingebüßt zu haben. Ein alter Baum, woran einige dieser Steine gelehnt wurden, kann durchaus der Anbetung für würdig befunden werden. Inder suchen bis heute die Begegnung mit den Göttern. Sie leben mitten unter Göttern. Shesha breitet ihre Häupter schützend über Vishnu aus, ein in Südostasien weitverbreitetes Motiv, welches auch der Buddhismus für sich vereinnahmte. Buddha sitzt, wie hier Vishnu, auf dem Schlangenthron. Wie einen Schutzschirm breitet der Naga mit seinen bis zu sieben Köpfen einen Schutzschirm (Fächer) über den jeweiligen Gott aus. Die Meditationshaltung scheint Vishnu nicht leicht zu fallen, Buddha ist in gleicher Situation wesentlich gelenkiger. Vishnu ruht auf Shesha (Sheshasayi) aus Gurjarat 12.Jh.n.Chr.: Das herrlich gearbeitete Stück aus der Skulpturensammlung des Chhatrapati Shivaji Maharaj Vastu Sangrahalaya Museum in Mumbai zeigt Vishnu, der auf Shesha, der Schlange, schläft und von einer neuen Welt träumt. Ihm zu Füßen sitzt Lakshmi. Ein weithin berühmter Vishnu Sheshasayi – der Budhanilkantha – befindet sich in Kathmandu. Das etwa 6m x 3m große in einem Ritualbecken "schwimmende" Relief wird täglich von Gläubigen aufgesucht und hochverehrt. Die Huldigung solcher Bildwerke hatte sich offenbar schon in frühen Zeiten über den gesamten indischen Subkontinent ausgebreitet. Die in Paris gezeigte im Asram Maha Rosei (Kambodscha) geborgene berühmte Harihara-Statue stellt einen sanften Gott vor. Der ehemals vierarmige Gott kann sich nur noch auf seine Wurfscheibe berufen, zum Ersatz führt er einen makellosen Körperbau vor. Weibliche Züge sind beiden Gesichtshälften eigen. Die topfförmige Krone ist vom Khmer-Bildhauer zweigeteilt worden. Der Chalukya-Bildhauer beließ die Krone im Ganzen, bildete aber die Vishnu- und Shiva-Attribute auf der Krone ab. Die Vishnu-Seite der Krone zeigt eine Haarsträhne, die Mondsichel und einen Totenkopf. Auf der Shiva-Seite winden sich vier Schlangen (im Bild nicht zu sehen). Die ebenfalls weiblichen Züge wirken im Verhältnis zum athletischen Körperbau schon maskenhaft. Kraftvolle Angespanntheit und Konzentration hätten dem Gesicht Ausdruck verliehen, schließlich waren die Götter Shiva (Hara) und Vishnu (Hari) keineswegs Träumer, sondern Kämpfer, denen daran gelegen war, die Welt – und seien es nur die Himmel – zu verändern. In der Vor-Angkor-Periode wurde diese Gottheit in Kambodscha hochverehrt. König Jayavarman II. nannte seine erste Regierungshauptstadt HARIHARALAYA, dort ließ er Tempel bauen, die heute unter dem Namen Roluos-Gruppe firmieren. Narasimha (Mensch-Löwe) gilt als die vierte Erscheinungsform (Avatar) Vishnus. Die spannende Geschichte, wie der Gott Vishnu als Narasimha seinen Verehrer Prahlada vor den Verfolgungen und Mordanschlägen seines eigenen Vaters rettet, in dem Vishnu-Narasimha den Vater tötet, wird in der Bhaghavatapurana (Bhagavat Gita) erzählt. Die Bhagavat Gita lagen schon im 19. Jahrhundert in mehreren deutschen Übersetzungen vor. In Windeseile verbreiteten sich diese Geschichten im "Westen" und wurden als die klassische indische Literatur schlechthin wahrgenommen. Hermann Hesse verwies wiederholt auf den Wert dieser Dichtung. Er schätzte die Übersetzung von Franz Hartmann. Wer die Veranda der Höhle III betritt wird beidseitig von Vishnu empfangen. Majestätisch gebietet Vishnu Einhalt. Ihm soll gehuldigt werden. Zur Linken aufrecht positioniert scheint Vishnu hier die Funktion eines Dvarapala (Wächter) zu übernehmen. Alle Hände sind bewehrt. Sämtliche Insignien seiner Macht werden vorgewiesen. Lediglich die linke vordere Hand ruht entspannt und gelassen auf dem Oberschenkel. Nach europäischem Verständnis präsentiert sich der Gott im Gala-Gewand. Wohin man schaut, in der Veranda der Höhle III ist der Gott Vishnu allgegenwärtig. Nachdem die Veranda passiert und der Hauptraum des Tempels betreten ist, bleiben nur noch wenige Schritte bis zum Heiligtum. Im Vergleich zur Veranda wird im Tempel auf jegliches Bildwerk verzichtet, nur ornamentaler Schmuck ziert die Pfeiler und Teile der Wände. Kleine wenig kunstreich gestaltete Figurenbilder sind links und rechts der Stufen zum Heiligtum angebracht. Die Pracht der Veranda steht im Kontrast zur Schmuckarmut des Tempels. Die Vishnu-Verehrung in Form von Bildfolgen beschränkt sich in der Höhle III allein auf die Veranda. Allgegenwärtig sind auch hier die Gana, obgleich diese üblicherweise als Schutztruppen Shivas auftreten. Zwei 4m hohe Reliefbilder erzählen die gleiche Geschichte. Angeblich mit drei Schritten macht sich Vishnu das Universum zum Untertan bzw. zu Eigen. Der in einem Satz komprimierte Mythos von Ramana muss hier etwas näher ausgeführt werden. Zitat: "Trivikrama (Sanskrit: त्रिविक्रम trivikramam) Ein Name für Vishnu, der in dem Rigveda steht und sich auf drei Schritte bezieht. Laut der Meinung eines Berichterstatters, sind diese Schritte "die drei Zeitabschnitte des Sonnenlaufs - das Aufgehen, der Höhepunkt und der Sonnenuntergang". Ein anderer Berichterstatter erzählt: "Vishnu ging durch das ganze Universum. An drei Orten setzte er auf, einen Schritt auf der Erde, den zweiten in die Atmosphäre und den dritten in den Himmel. Daraus entstanden Agni, Vayu und Surya." Der große Kommentator Sayana, ein verhältnismäßig moderner Schriftsteller, versteht diese Schritte, als die drei Schritte Vishnus in der Vamana oder Zwergen-Inkarnation. " Quelle: https://wiki.yoga-vidya.de/Trivikrama (Anmerkung: Sayana lebte im 14. Jahrhundert.) Anneliese und Peter Keilhauer erzählen den Mythos anders: "Nach dem Vamana-Purana wird Vishnu als Sohn von Aditi und Kashyapa im Brahmanenstand wiedergeboren. Als zwergengestaltiger Brahmanenschüler begab er sich zum Pferdeopfer (Ashvamedha) des Bali. Der König und seine Gattin wuschen ihm ehrerbietig die Füße, und Vamana erbat von Bali so viel Land, wie er mit drei Schritten durchmessen könne. Trotz der Warnung seines Gurus erfüllte Bali lachend diesen Wunsch. Der Zwerg wuchs zum Riesen Trivikrama = Dreischritt; mit dem ersten Schritt durchmaß er die Erde, mit dem zweiten Himmel. Bevor er zum dritten Schritt ausholte erschien Prahlada und bat um Gnade für seinen Enkel Bali, der sich demütig unter Trivikramas Fuß beugte. Vishnu als Trivikrama begnadigte Bali und wies ihm die Unterwelt als Reich zu." Quelle: Anneliese und Peter Keilhauer – Die Bildsprache des Hinduismus. DuMont Buchverlag Köln. Taschenbuch 2. Auflage 1986 (Seiten 88-90) Vishnu in Menschengestalt mit Pferdekopf zählt zu den wenig bekannten Erscheinungsformen dieses Gottes.
Zitat: "Vishnu zeigt sich in einer Vielzahl von Manifestationen. Um den Dharma im Sinne einer gerechten kosmologischen und menschlichen Ordnung zu schützen, inkarniert er sich immer, wenn die Weltordnung (Dharma) ins Schwanken zu geraten droht, auf der Erde. Diese Inkarnationen werden Avataras genannt. 1. Matsya – Fisch, zieht in der großen Flut die Arche 2. Kurma – Schildkröte, trägt den Berg Mandara beim Quirlen des Milchozeans auf ihrem Panzer 3. Varaha – Rieseneber, rettet die Erde in Gestalt der Göttin Bhudevi aus dem Urozean 4. Narasimha – Mann mit Löwenkopf, tötet den Dämon Hiranyakashipu 5. Vamana – Zwerg, wächst zum Riesen heran und misst mit drei Schritten die Welt aus 6. Parashurama – „Rama mit der Axt“, Vishnu in Menschengestalt als Rächer eines Brahmanenmordes 7. Rama – der Held des Epos Ramayana, nicht mit der 6. Inkarnation identisch 8. Krishna – „der Schwarze“, Verkünder der Bhagavad Gita 9. Buddha – manchmal auch „Balarama“, der Bruder Krishnas 10. Kalki – zukünftige Inkarnation Vishnus als Reiter auf dem Pferd, der den Dharma wiederherstellt." (Zitat Ende) Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Vishnu Weitere Inkarnationen Vishnus sind: Kapila, Dattatreya, Hayagriva, Hayashirsha, Yajna, Dhanwantri, Vet Vyas, Rishabha, Nara, Narayana, Balarama, Narada, Varadaraja, Manmatha, Prithu, Mohini. |
Autor Günter Schönlein
Auf meinen bisher acht Reisen nach Kambodscha habe ich viele Khmer-Tempel photographisch dokumentiert. Mit Pheaks Hilfe suchte ich auch viele schwer zu findende entlegene Tempel auf. In diesem Blog möchte ich meine dabei erworbenen Eindrücke und Kenntnisse gerne anderen Kambodscha-Liebhabern als Anregungen zur Vor- oder Nachbereitung ihrer Reise zur Verfügung stellen. sortiert nach Themen:
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Kirtimukha Kambodschas Löwenskulpturen Kampong Thom Museum Kanheri Caves Karla Caves Kapitelle Karttikeya und andere Vahanas Kasen Tempel Kat Kdei Tempel und mehr Kbal Chen Tempel Kbal Spean Khleangs & Prasat Suor Prat Khmer-Bronzen in Mandalay Khandoba Tempel Aurangabad Khmer Halsschmuck Khmer zur See Kinnari Kirtimukha Klöster in Siem Reap Kna Phtoul Tempel Koh Ker Koh Ker Tempelmauern Kok Singh Tempel Kouk Nokor Tempel Kouk Tempel Kok Pongro Kravan Krishna & Kaliya Krishna Govardhana Krol Ko Spezial Krol Romeas & Kral Romeas Lakshmi in der asiatischen Kunst Leak Neang (Phnom Bok) Leak Neang (Pre Rup) Leben am Fluss Lingam & Yoni Lintel Literatur-Empfehlungen Lolei - Restaurierungs-Stand Lost Collection Löwen in Indien Löwen in Indonesien Löwen in Kambodscha Löwen in Myanmar Löwen in Sri Lanka Mahakali Caves Makaras der Cham Mandalays Khmer-Bronzen Mandapeshwar Caves Marmorberge Da Nang Mebon Tempel Banteay Chhmar Mihintale Mucalinda versus Naga Museen in Kambodscha Museen in Siem Reap Museum of Da Nang Musik und Tanz der Cham My Son (Teil 1) My Son (Teil 2) My Son (Teil 3) My Son (Teil 4) My Son (Teil 5) Myanmars Holzarchitektur 1 Myanmars Holzarchitektur 2 Myanmars Holzarchitektur 3 Myanmars Löwenskulpturen Myanmar Stupas Mythos vom Milchozean Naga Naga-Chakra Namenlose Tempel am Bayon Nandi und andere Vahanas Narasimha und Hiranyakahipu Nationalmuseum in Phnom Penh Neak Buos Tempel Nebentempel Banteay Chhmar Neuentdeckungen in Roluos 1 Neuentdeckungen in Roluos 2 Neuentdeckungen in Roluos 3 Neuentdeckungen in Roluos 4 Neuentdeckungen in Roluos 5 Nokor Bachey Tempel Norodom Sihanouk Museum Pachisi Spiel Pandava Caves - 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