Leider wenig besucht wird das sehenswerte Preah Norodom Sihanouk Angkor-Museum in Siem Reap. Die Zufahrtsstraße Apsara Road ist breit und asphaltiert, für jede Art von Fahrzeugen tauglich, Parkmöglichkeiten sind ausreichend vorhanden und dennoch kommen kaum Besucher. Die nicht vorhandene Popularität dieses Museums ist vermutlich allein auf seine abseitige Lage zurückzuführen. Der moderne Museumsbau wurde zirka einen Kilometer nördlich vom Angkor Park Pass Ticket Counter erbaut, zugegebenermaßen weit vom Stadtzentrum entfernt. Im Erdgeschoss sind bis zu 3000 Jahre alte Artefakte zu sehen, Grabungsfunde, welche die Geschichte der kambodschanischen Zivilisation dokumentieren, allerdings zu Recht auf die Angkor-Region rund um Siem Reap eingeschränkt. Außerdem werden Objekte vom fast verlorenen Prei Khmeng Tempel und von Koh Ta Meas (einem Grabungsort im West Baray) präsentiert, des weiteren Funde jüngeren Ursprungs (15. – 19. Jahrhundert) vom Prasat Kok Patri, einem wenig bekannten Tempel in Siem Reap. Nicht jedermann ist gewillt, sich diesem Spezialgebiet der Archäologie zu widmen. Steinsplitter, Skelette, Knochenreste und Tonscherben sind für viele Menschen nur von geringem Schauwert, doch für Wissenschaftler und ihre Forschungen sind solche Funde unverzichtbar. Von größerem Schauwert für Laien sind die Objekte im Obergeschoss, diese Etage beherbergt die sensationellen Funde aus dem Banteay Kdei Tempel. Kambodschanische und japanische Archäologen gruben im Jahr 2001 im Ostbereich vom Banteay Kdei Tempel 274 steinerne Buddha-Statuen und drei Bronzen (2 kleine Buddhas und eine Glocke) aus, ein überraschender Zufallsfund, denn das ursprüngliche Vorhaben sollte sich der hydraulischen Bodenbeschaffenheit widmen. Nach dem Tode des buddhistisch gesinnten Königs Jayavarman VII. tobte ein von hinduistischen Priestern leidenschaftlich entfachter Bildersturm, dem zahlreiche Reliefs und Statuen zum Opfer fielen. Die sichergestellten Buddha-Statuen wurden vermutlich vergraben, um sie vor ihrer Zerstörung zu bewahren. Die ansehnlichsten dieser Fundstücke sind in einer sehr übersichtlich geordneten Zusammenstellung zu sehen. Während im National Museum in Siem Reap ein 1000 Buddha Saal eingerichtet wurde, mit Präsentationsstücken aus unterschiedlichen Epochen, gewährt die Ausstellung im Preah Norodom Sihanouk Museum die Sicht auf das Buddha-Verständnis und die Bildhauerkunst einer, nämlich der Bayon-Periode. Kein Museum in Kambodscha zeigt mehr Buddha-Statuen, die in einem begrenzten Zeitrahmen entstanden (spätes 12. – frühes 13. Jahrhundert) und aus einem Tempel stammen. Mit wenigen Ausnahmen hatten alle Statuen ihren Standplatz im Banteay Kdei Tempel. Ehe Touristen über den Ost-Gopuram II in den Banteay Kdei Tempel gelangen, sind sie meist ahnungslos an zwei unscheinbaren, ungleichen Tempelgebäuden, welche beidseitig neben dem Hauptweg stehen, vorbeigegangen. Unmittelbar vor dem östlichen, rechtseitig am Weg gelegenen Tempelbau (Bild 2) wurden die Buddha-Statuen entdeckt, das graue Rechteck (Bild 1 ganz oben rechts) bezeichnet den Ausgrabungsplatz. Mehrere hundert Jahre lagerten die Statuen in zwei Meter Tiefe unberührt unter der Erde. Wahrscheinlich wurden die Skulpturen in einer eiligen Nacht- und Nebelaktion geborgen und begraben. Das etwas vom Haupttempel entfernt gelegene Versteck schien den buddhistischen Mönchen offenbar geeignet und sicher genug, um die Statuen vor den Zerstörern zu retten oder es blieb keine Zeit nach einem anderen Versteck zu suchen. Es lässt sich kaum nachvollziehen, auf welche Weise diese Aktion unbemerkt vonstattenging. Eine Frage drängt sich auf: wurde diese verzweifelte Rettungsaktion nur im Banteay Kdei Tempel durchgeführt oder sind auch in anderen Tempeln Statuen und Ritualobjekte vergraben worden? Wissenschaftler, Touristen und Kunstliebhaber können sich glücklich schätzen, dass ein japanisches Unternehmen die Kosten für den Bau des Museums übernahm, um die Statuen ihrem Wert gebührend dem Publikum präsentieren zu können. Genug der Worte, einige Fotos sollen die Bandbreite und Erlesenheit dieser Buddha-Sammlung zeigen. Leider wurde noch immer kein Katalog zur Ausstellung aufgelegt, lediglich ein Flyer zum Museum ist greifbar, doch inzwischen können Interessenten eine Online-Publikation zur Buddha-Ausstellung aufrufen: https://www.norodomsihanouk.info/document/doc_103.html?p=1 Eine gepflegte Grünanlage umgibt das Museum. Bänke, Blumenrabatten und eine große Buddha-Statue laden zum stillen Verweil. Fotos und Text: Günter Schönlein
Korrektur: Vanessa Jones
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In der hinduistischen Ikonographie muss Kala als eines der seltsamsten, gleichsam rätselhaftesten Wesen genannt werden, kaum ein Khmer-Relief, auf dem Kala nicht präsent wäre. Wer ist Kala und wie wird Kala dargestellt? Die kleine Studie versucht sich Kala zu nähern, ohne den Anspruch zu erheben, dem Leser umfassendes Bildmaterial oder gar neue Erkenntnisse zu liefern. Kala geradewegs als Gottheit zu definieren, wäre falsch, denn im Götterkanon taucht Kala als eigenständige Gottheit nicht auf, doch auf Kala können die Götter nicht verzichten. Das Erscheinen der Götter zieht den Auftritt Kalas nach sich. Kala, der schwer Fassbare, scheint sich seiner Sendung und seiner Wertigkeit bewusst. Die Dominanz seiner Gegenwärtigkeit bestätigt seine notwendige Anwesenheit unter den Göttern. In allen bekannten Angkor-Tempeln finden sich auf Tympana, Türstürzen, Pilastern und Wandflächen zahllose Kala-Darstellungen. Kala war und ist zu allen Zeiten bis heute präsent. Diese Betrachtung beschränkt sich auf Khmer-Reliefs und wird verschiedene (ausgewählte) Darstellungen Kalas zeigen. Begonnen wird die Kala-Vorstellung mit Reliefs aus dem Angkor Wat. Die Bildbeispiele aus dem Angkor Wat belegen verschiedene Erscheinungsformen, Positionierungen und Darstellungsmöglichkeiten Kalas. Allgemein verbindlich (ohne Sonderfälle auszuschließen) behauptet Kala die Reliefmitte auf Türstürzen und Tympana. Gleich ob Kala am unteren Rand oder etwas höher in Erscheinung tritt, er bleibt auf Grund seines Aussehens Blickfang. Weniger häufig tritt Kala ohne eine ihm zugehörige Gottheit auf. Auf dem Tympanum (Bild 1) dominiert Kala die untere mittlere Reliefregion, um ihn herum, kreisförmig angeordnet, finden sich in Medaillons reitende Götter/Halbgötter. Inmitten dieser himmlischen Parade thront über Kala die zentrale Gottheit, mit großer Wahrscheinlichkeit residiert Shiva auf seinem Thron. Shiva kann sich vielfältig emanieren, beispielsweise als Yama, aber auch als Kala. Tritt Shiva auf, ist unbedingt an Kala zu denken. Die Umkehrung lautet: blicken wir auf Kala, darf unbesorgt an Shiva gedacht werden, der eine schließt den anderen nicht aus. Auf dem stark beschädigten Türsturz (Bild 2 & 2.1) kann Kala leicht übersehen werden. Wem Kalas Erscheinungsbilder vertraut sind, der wird trotz "künstlerischer Verschlüsselung" Kala erkennen. Die in sich verwachsenen und mit einander korrespondierenden Blätter und Ranken lassen keine andere Deutung zu: in dem phantasievoll gestalteten floralen Bildmuster verbirgt sich Kala. Eine über Kala thronende Gottheit ist nur noch schemenhaft vorhanden, deshalb nicht zu identifizieren. Typisch, geradezu mustergültig muss das Kala-Relief auf dem Türsturz (Bild 3) genannt werden. Kala mit Breitmaul, großer Nase, Glupschaugen und Flammenhaaren klammert mit seinen Krallen zwei Löwen. Über den Löwen bilden Pflanzenranken einen Rahmen für die von Kala getragene Gottheit. Das Flachrelief (Bild 4) zeigt Kala in Aktion. Nicht in Löwenbeine, sondern in die Beine zweier Kämpfer hat sich Kala verbissen. Der Kampf spielt sich im Freien ab, die Szenerie ist eindeutig als Wald erkennbar. Zu beiden Seiten unter hohen schattenspendenden Bäumen sitzen Menschen und verfolgen den Verlauf der Auseinandersetzung. Im Regelfall kämpfen Götter gegen Götter oder gegen Dämonen. Auf welche mythologische Begebenheit das Relief anspielt, entzieht sich der Kenntnis des Autors. Nur als Bruchstück hat sich das mittlere Teil von einem Türsturz erhalten (Bild 5). Zu registrieren ist auch hier die florale Einbindung von Kala und der Gottheit, von dem nur Oberkörper und Schurz zu erkennen sind. Bemerkenswert ist die unmittelbare Verschmelzung von Kala und Gott. Kala greift auf diesem Relief Pflanzenstränge, diese stehen emblematisch für die Nagas (Schlangen), ein häufig variiertes Bildmotiv, welches verbindlich auf vielen Khmer-Reliefs nachzuweisen ist. Die Pfeilerbasen (Bild 6 & 7), entdeckt im arg zerstörten, etwas abgelegenen, selten besuchten Ko Po Tempel, zeigen Kala als Schutzgottheit. Auf Basen ruhten Pfeiler, die meist den Türrahmen vorgestellt waren, die aber auch die Lasten der Türstürze teilweise aufnahmen. Zwischen den Basen lagerten die Stufen zu den Eingängen der Tempel. Auf den Flächen der Basen wurden Kala apotropäische Aufgaben zugewiesen. Priester und Menschen vertrauten auf die Schutzwirkung der anwesenden Götter und Halbgötter. Mit geringer Einbildungskraft werden die Nagas, welche Kala auf der Basis (Bild 6) fest im Griff hat, vorstellbar. Anders der Kala auf Bild 6.1, der erscheint nur als Kopf bzw. Gesicht ohne Beiwerk. Diese Darstellung muss als Ausnahme betrachtet werden. Die differierenden Erscheinungsbilder Kalas in einem Tempel sind erheblich, zu verzeichnen sind stilistische Variationen auf engsten Raum. Der östlichen Reliefwand vom Banteay Chhmar Tempel waren quadratische Pfeiler vorgestellt, die eine Überdachung (Halbgewölbe) trugen. Die Überdachungen der Galerien sind nicht mehr vorhanden, doch einige Reliefs auf den Pfeilerblöcken haben sich teilweise erhalten. Die in Flachrelieftechnik ausgeführten Bildwerke zeigen Kala umrahmt von Pflanzenwerk. Die Reliefs gleichen sich weitestgehend und bedecken jeweils die untere Fläche einer Pfeilerseite (Bild 7 & 8). Der unglaublich schön dekorierte Banteay Srei Tempel kann selbstredend auf Kalas Anwesenheit nicht verzichten. Kala ist in allen Tempelbereichen präsent. Die Wirkung einzelner Figuren oder Bildelemente lässt die angewandten Techniken und die handwerkliche Meisterschaft vergessen. Halbrelief - bzw. Hochrelieftechnik dominieren die Wandverzierungen, respektive die Darstellungen auf den Lintel und Tympana. Ungemein plastisch hebt sich Kala auf dem Türsturz (Bild 9) hervor. Kräftige Unterarme und Hände verleihen der mächtigen Gestalt zusätzliche Würde. Selten wurden Kala-Gesichter einprägsamer in Stein geschnitten, solche Erscheinungen vergisst man nicht, sie rufen Respekt, wenn nicht gar Schauder hervor. Kalas Erscheinung heischt unbedingte Achtung. Dagegen fast harmlos wirken die ornamental eingebundenen Kala-Gesichter auf dem Pfeilerrelief (Bild 10), hier wurde Kala mehr oder weniger zum Dekorationselement degradiert, wobei die künstlerische Gestaltung makellos gelungen ist. Mit den Türstürzen vom Banteay Samre Tempel (Bild 11 & 12) werden zwei seltene Reliefmotive vorgestellt. Mehrere altindische Texte erwähnen den Kampf Vishnus gegen Madhu und Kaithaba bzw. seinen Sieg über die Dämonen (Asuras), die er mit seinem Diskus (Wurfscheibe) enthauptet haben soll. Auf dem Relief (Bild 11) ist ein Moment des Kampfes erfasst: Vishnu hält beide Asuras an ihren Haarschöpfen fest, zwingt sie nieder, um sie später zu töten. Die bewegte Szene taucht im Khmer-Bilderkanon eher selten auf, sie spielt sich unmittelbar auf bzw. über Kalas Haupt ab. Ein gewissenloser Kopfjäger hat Vishnus Haupt entfernt. Während Götterreliefs häufig beschädigt wurden, blieben Kalareliefs über die Jahrhunderte hinweg meist unversehrt. Im Unterschied zu anderen Reliefs klammert Kala hier zwei Affen, die wiederum zwei Schlangen (Nagas) im Griff haben. Nach europäischen Vorstellungen erinnert die gedrängte Anordnung der Affen, der Dämonen und der Gottheit Vishnu, die sich um Kala versammeln, an heraldische Bildlösungen. Der Türsturz (Bild 12) zeigt ein oftmals wiederholtes Motiv: Indra auf Airavatha. Die Besonderheit an diesem Relief ist nicht der dreiköpfige Elefant, das Reittier Indras, sondern die Verdoppelung Kalas. Die Elefanten (der Elefant Airavatha) unterstützen den zwiefachen Kala, sie umschlingen die Pflanzenstränge (Nagas) mit ihren Rüsseln. Die Kalas wiederum haben sich in die Nagas verbissen und je zwei Krallen halten die Nagas fest. Diese symmetrische, wunderbar gestaltete außergewöhnliche Bildlösung findet sich nur im Banteay Samre Tempel, zumindest ist dem Autor kein weiteres Relief mit diesem Motiv bekannt, so gesehen ist das Kala-Doppel bis auf Widerruf als Unikat zu bewerten. Zur Sicherung mobiler Kunstwerke wurde in Siem Reap die Einrichtung Angkor Conservation gegründet. Hier werden Türstürze, Statuen, Säulen, Pfeiler und sonstige bearbeitete Steinteile vor dem Verlust, vor Diebstahl bewahrt. Wichtige Inschriften auf Stelen befinden sich in verschlossenen Lagerhallen. Witterungseinflüsse können den wertvollen steinernen Dokumenten nicht mehr schaden. Den umfangreichsten Bestand an reliefierten Steinen bilden die Türstürze, welche unter dem Vordach einer Halle dem Publikum präsentiert werden, leider fehlen Beschriftungen. Bei der Aufstellung wurde eine chronologische Zusammenstellung der Türstürze angestrebt, die annähernd seine Richtigkeit hat. Aus besagten Gründen wurden die hier vorgestellten Kala-Reliefs nur mit Kala I – IV gekennzeichnet. Absolut typisch gibt sich Kala I (Bild 13): die gierig gefletschten Zähne und das gefräßig aufgerissene Maul widersprechen den vermenschlichten Händen. Meistens trägt Kala an den Handgelenken Schmuckarmbänder. Nicht auf allen Kala-Reliefs wird eine Zunge oder gar eine Unterkieferpartie sichtbar. Die Lintel Kala II und Kala III (Bild 14 & 15) sind leicht als Indra/Airavatha-Lintel zu erkennen. Jedoch stark unterscheiden sich die Kala-Darstellungen, während einerseits das rechteckige Breitmaul (Kala II) dominiert, bilden im Lintel (Kala III) das verkleinerte, weniger ausgeprägte Gesicht und die dünnen Arme Kalas, welche sich abgewinkelt auf die Löwen stützen, den Blickfang. Dem Bildhauer lag wohl mehr an einer naturgetreuen Wiedergabe der Elefantenpartien, als an einem stereotypen Kala-Bild. Immerhin gelang beiden Bildhauern die überzeugende Darstellung der Abhängigkeit der mythologischen Wesen. Kala, die Nagas und die Löwen sind untrennbar miteinander verbunden. Kala IV verschwindet fast im pflanzlichen Flechtwerk (Bild 16). Raffiniert eingebunden in die floralen Stränge ist Kala kaum erkennbar, weil auf Stirnhöhe direkt über den Augen Kalas die Gottheit seinen Platz behauptet, die wiederum im Größenverhältnis zu Kala sehr klein, gleichfalls unauffällig in Erscheinung tritt. In diesem speziellen Fall wurde Kalas Kopf (ohne Hände) auf der horizontalen Mittelachse des Lintel positioniert. Der zu Lebzeiten des legendären siebenten Jayavarman erbaute Preah Khan Tempel zählt neben dem Angkor Wat zu den größten Tempelbauten im Angkor-Kerngebiet, die je ein König initiierte. Den baustilistischen Unterschieden einzelner Tempel nachzuspüren, ist nicht Thema dieser Betrachtung, hier werden weiterhin Kala-Bilder betrachtet. Mehrere Tore und Bauten im Preah Khan Tempel boten genügend Raum und Flächen für vielgestaltige Dekorationsvarianten, so findet sich Kala nicht nur auf Türstürzen, sondern auch auf Wänden und auf Pfeilern steinern verewigt. Auf den Bildern 17 & 18 sind die umlaufenden Pfeilerdekorationen unter den Kapitellen als breite Zierbänder angelegt. Die regelmäßigen Musterwiederholungen auf den Pfeilerflächen sind weitestgehend typisiert, ein beabsichtigter apotropäischer Schutzschild kann den Zierbändern kaum unterstellt werden. Auf den Bändern wird Kala zum Detail eines Girlanden-Musters. Schon mancher hat sich im Preah Khan Tempel verlaufen. Die zahllosen kleinen und größeren Tempelräume verwirren die Besucher. Nur wenige haben alle Innenräume besichtigt. Viele Wandflächen blieben unbearbeitet, wurden nur geglättet. Andere Flächen sind mit Flachreliefs bedeckt, die aber sind häufig abgegriffen bzw. vorsätzlich beschädigt worden. Einzig in schwer zugänglichen, oberen Wandbereichen haben sich geschlossene Dekorationen erhalten, so sind beispielsweise in einem Raum drei verschiedene Kala-Darstellungen zu begutachten und zu vergleichen. Nicht nur die Kopfbilder, auch die Handstellungen unterscheiden sich (Bild 19 – 21). Auf nur wenigen Kala-Reliefs werden vollständige Arme gezeigt, die in einen vorstellbaren Schulterbereich münden, woraus eine vermenschlichte Anatomie resultiert (Bild 19). Lediglich die Unterarme und die Hände sind auf dem zweiten Kala-Relief (Bild 20) zu sehen. Das dritte Relief (Bild 21) zeigt einen völlig auf Gesicht und Hände reduzierten Kala. Die folgenden Bilder dokumentieren weitere Kala-Darstellungsvarianten (Bild 22 – 27), besonders zu achten ist auf die unterschiedlich geschnittenen Gesichtspartien. Auf keinem der Reliefs gleichen sich die Nasen, die Augen, die Stirnen, die Haare. Kala trumpft stets mit veränderten Erscheinungsbild auf. Nur auf wenigen Kala-Reliefs ist eine doppelte Zahnreihe oder gar der Unterkiefer zu sehen (Bild 25 – 27), diese Aussage gilt nicht ausschließlich für die Preah Khan-Reliefs. Die verschiedenen Handstellungen Kalas müssen nicht gesondert beschrieben werden, beim Vergleich der Reliefs fallen sie ohnehin auf. Kala verwendet vielfältige Griffvarianten, um die Nagas bzw. andere mythologische Wesen zu bannen. Auf Beschreibungen und versuchsweisen Deutungen von Kalas differierenden Begleitfiguren und der jeweiligen Gottheiten wird in diesem Abschnitt verzichtet. Kala soll im Fokus der vielschichtigen Betrachtung bleiben. Ein Kala-Bildersteifen, vorgeführt als Endlosschleife, wäre das ideale Medium sich dem Phänomen Kala zu nähern. Eine Gegenüberstellung bzw. das Nebeneinander der verkleinerten Kala-Reliefs (Bilder 22 – 27) kann im Anschluss an die Einzelvorstellungen der Stürze begutachtet werden. In allen Regionen von Kambodscha wurden in den letzten Jahrzehnten neue Klöster gebaut. In keinem dieser modernen Tempel werden tradierte Dekorationen negiert. Viele Reliefs und Bauelemente der klassischen Angkor-Tempel finden sich in den neuen Tempelbauten mehr oder weniger verändert unverkennbar wieder. Die Kambodschaner halten nicht nur am buddhistischen Glauben unbeirrbar fest, sie achten und pflegen auch ihr kulturelles Erbe, was unter anderem auch an den zeitgenössischen Tempeln sichtbar ist. Drei Beispiele eindeutiger Übernahmen bzw. Anleihen aus der Khmer-Kultur werden mit den letzen Bildern vorgestellt. Die Motive sind den Menschen vertraut, zur Deutung der Bildwerke bedürfen sie keiner Erläuterung. Auf dem Lintel (Bild 28) sind neben Göttern und Halbgöttern Kala, anthropomorphe Nagas und Makaras zu sehen, dargestellt ist der von Pflanzenwerk umrankte bekannte Reigen mythologischer Wesen. Sehr archaisch wirkt der monströse Kala auf einer Pfeilerbasis im Wat Bo (Bild 29). Das Wat Bo zählt zu den großen Klöstern in Siem Reap. Im Wat Bo bestätigt sich die von Buddha dekretierte Tatsache ständiger Veränderung durch permanente Bautätigkeit über Jahre hinweg. Die Verzierung auf einem Pilaster der La Ork Pagoda (Bild 30) ist eindeutig dem Banteay Srei-Stil entlehnt, zum Vergleich bietet sich Bild 10 an. Die Unterschiede liegen einzig im Material, heutzutage wird vorwiegend Zement verwendet. Sandstein wäre zu teuer. Farbenfreudige Bemalungen erheben viele Betonreliefs zu Kunstwerken, die zum würdigen Gesamteindruck der Klosteranlagen beitragen. Fotos und Text: Günter Schönlein
Korrektur: Vanessa Jones Die Geschichte vom Khmer-Imperium ist weitestgehend erforscht. Touristisch vermarktet werden die Hinterlassenschaften der Khmer-Dynastien: die bekannten Angkor-Tempel in der Region Siem Reap. Baustilistisch lässt sich die Entwicklung an den Tempeln von Roluos bis Angkor Thom lückenlos nachvollziehen. Vom Preah Ko Tempel bis zum Bayon Tempel sind die stilprägenden Merkmale an den Tempeldekorationen anschaulich nachzuweisen, doch über das Werden und die künstlerische Entfaltung der eigenständigen Khmer-Kunst in den präangkorianischen Jahrhunderten ist vergleichsweise wenig bekannt. Wer rückwärts schaut, wird seine Erkundungen vom Roluos-Gebiet auf den Phnom Kulen und nach Sambor Prei Kuk ausweiten müssen. Wer in Sambor Prei Kuk Tempel begutachtet, der ist kulturhistorisch gesehen im 7. Jahrhundert unterwegs, der Sambor Prei Kuk Stil wird für den Zeitraum 600 bis 650 definiert. Was aber geschah in den Jahrhunderten zuvor. Archäologisch nachgewiesen ist beispielsweise die Besiedlung des Mekong-Deltas seit der Eisenzeit. Vom Funan-Reich und den Cham wird oft gesprochen, doch hierzu verlieren sich die Erkenntnisse häufiger in Vermutungen. Historiker müssen sich mit Leerstellen abfinden, noch kann die Geschichtsschreibung nicht lückenlos erfolgen. Rar sind die Funde und karg die Überreste der Tempelbauten aus den 6. und 7. Jahrhundert. Bekannt sind die Standorte einzelner Tempel. Mit speziellen Kameras konnten per Luftaufnahmen die Ausmaße früher Siedlungen im Angkor-Gebiet lokalisiert werden. Aus dieser Zeit haben sich nur wenige in Stein gehauene Inschriften erhalten. Sanskrit- und Khmer-Schrift können nur Spezialisten lesen, dem Laien bleibt die Begutachtung der Tempel aus den frühen Jahrhunderten. In den Jahren zwischen 635 – 700 etablierte sich der Prei Khmeng Stil. Der Prei Khmeng Tempel (westlich von Siem Reap) verlieh dem Baustil und der Kunst dieser Zeit einen Namen. Mit dem ambitionierten Vorsatz, das Typische dieser Stilepoche zu erfassen, werden in diesem Artikel von Wissenschaftlern identifizierte Zeugnisse dieser Periode vorgestellt. Viele Tempeleinträge im Google Maps Kartenwerk verlocken zu Exkursionen, dem Eintrag zum Prei Khmeng Tempel kann man getrost folgen: zu sehen sind die spärlichen Überreste von einem Ziegelprasat, ansonsten muss von einem Bodendenkmal gesprochen werden, welches allerdings die Ausmaße der Tempelanlage kenntlich macht. Wer aber meint, an diesem Platz dem Prei Khmeng Stil auf die Spur zu kommen, wird enttäuscht. Nur vereinzelte Sandsteinbauteile geben versteckte Hinweise auf die nur Fachleuten vertraute Stilrichtung. Neben mehreren massiven Bauteilen (Stufen, Grundplatten, Türrahmenteile und einem Piedestal) aus Sandstein stechen zwei Artefakte besonders hervor, zum einen das Bruchstück einer Säule, zum anderen ein Gargoyle. Beide Fundstücke sind von großer Bedeutung, einerseits verweisen sie auf exzellente Fertigkeiten der Sandsteinbearbeitung und andererseits ermöglichen sie Rückschlüsse auf Formen und Ausprägungen künstlerischen Ausdrucks. Konkret: dem wahrscheinlich schmucklosen Türrahmen waren runde Säulen vorgestellt, die einen verschollenen Türsturz trugen. Jeder Drechsler fände am unregelmäßigen Ringmuster solcher Säulen Gefallen. Fazit: die Khmer beherrschten ein Verfahren Sandstein zu drechseln, (kursiv gesetzt, weil sich Drechseln üblicherweise auf einen Holzbearbeitungsvorgang bezieht). Unwillkürlich drängen sich Vergleiche zu prachtvoll gedrechselten Specksteinsäulen in manchen Tempeln Südindiens (Karnataka) auf. Die frühen Chalukya-Dynastien erstarkten zwischen dem 6. und dem 8. Jahrhundert, zumindest besteht hier zeitlich eine Parallelität, inwieweit ein kultureller Transfer stattfand, sei dahingestellt. Die Technik des Stein-Drechselns könnten indische Wanderarbeiter oder pilgernde Mönche in Kambodscha bekanntgemacht haben. Mit Bild 7 (aufgenommen im Nationalmuseum Siem Reap) wird eine prächtig verzierte Prei Khmeng-Säule vorgestellt. Es kommt fast einem Wunder gleich, der ansehnliche Gargoyle (wörtlich: Wasserrinne, Wasserspeier) liegt nun schon etliche Jahre (Jahrzehnte?) mehr oder weniger unbeachtet im Tempelbereich am Boden, dabei muss diesem Artefakt Seltenheitswert attestiert werden (Bild 8.1 & 8.2). Keine weiteren mit solchen archaischen Tierköpfen verzierten Gargoyle aus der Prei Khmeng-Zeit sind dem Autor je ins Blickfeld geraten. Ähnlich gestaltete Tierkopf-Gargoyle sind aus Sambor Prei Kuk bekannt. Grundsätzliches zu Khmer-Wasserspeiern (nebst Fotos) liefert der Artikel GARGOYLE in diesem Blog, abzurufen über folgenden Link: https://www.angkor-temples-in-cambodia.com/schoumlnlein-blog/gargoyle-wasserspeier-der-khmer-tempel Wer den Prei Khmeng-Stil kennenlernen möchte, muss in die Museen gehen. Nur dort finden sich von Wissenschaftlern dieser Stil-Periode zugeordnete Relief-Arbeiten. Das National Museum in Siem Reap verfügt über größere Ausstellungsflächen als das gleichnamige Museum in Phnom Penh. Im Aufbau und in der Präsentation unterscheiden sich die Sammlungen erheblich. Das National Museum Phnom Penh wäre nicht das bedeutendste Museum des Landes, wenn es nicht mehr Ausstellungsobjekte zu den einzelnen Stilperioden besäße als die anderen Museen in Kambodscha. Es mag sein, dass die prächtigeren (wertvolleren?) Stücke in Phnom Penh gezeigt werden, aber betreffs wissenschaftlicher Aufarbeitung und Detailinformationen für das Publikum übertrifft das Museum in Siem Reap das Museum der Hauptstadt Phnom Penh. Betreffs der Herkunft der vorgestellten Reliefs geben die Objektbeschriftungen im National Museum Phnom Penh keine näheren Auskünfte. Das Publikum muss sich mit der Bezeichnung der Stilepoche begnügen, ohne einen exakt definierten Fundort zu erfahren. Weitere Fundstücke ohne Herkunftsangabe aus dieser Stilepoche finden sich im Provincial Museum Battambang und im Angkor-Borei-Museum. Anhand von drei Türstürzen aus dem Nationalmuseum Siem Riep werden nachfolgend typische Motive des Prei Khmeng-Stils veranschaulicht. Auf fast allen Türstürzen einer vermutlich frühen Prei Khmeng-Periode haben florale Dekorationen in diversen Anordnungen den Vorrang (Meinung des Autors). Beim Lintel I (Bild 9) wird dem Ankommenden durch die außenstehenden quadratischen Kapitelle, auf denen ein hübsch geschmückter Bogen ruht, von dem Girlanden und Blumen herabhängen, unweigerlich eine Eingangssituation suggeriert. Tatsächlich muss jeder, der einen Tempel betritt, unter einem Türsturz, der auf Säulen lagert, hindurch. Auf dem Lintel I ist keine zentrale Gotteserscheinung zu sehen. Sämtliche Blüten, Ranken und Ornamente geben keinerlei Rückschlüsse oder Andeutungen auf versteckte Gottheiten. Florale Pracht dominiert diesen Lintel. Auffällig ist die schlichte, nicht verzierte Oberkante, die wie ein Vordach als Schutz für das Relief funktioniert. Derart niedrige, gering gewölbte Bögen kennzeichnen als ein wesentliches Hauptmerkmal den Prei Khmeng-Stil, später diente das erprobte Bogenmuster als Vorbild für bestimmte Tympana. Das Fragment von Lintel II (Bild 10) nimmt mit seinen sehr bestimmten Anordnungen stilisierter Pflanzenranken Bildlösungen vorweg, die in späteren Stilepochen in Form von Pflanzensträngen die Nagas symbolisieren. Im Zentrum des Lintels behauptet sich übergroß Kala, hier ein dickwangiger, breitmauliger, plattnasiger Dämon (oft abwegig als Monster bezeichnet), in Wahrheit ist Kala der Herr der Zeit, sprich: der Herr über die Vergänglichkeit, somit ein Gott. Die kunstvolle Einbindung Kalas in das stilvoll gewundene Pflanzenwerk zeichnet dieses Relief aus. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist diese Kala-Darstellung eines der frühesten Kala-Reliefs, welches je an einem kambodschanischen Tempel auf einem Türsturz zu sehen war. Bemerkenswert ist Kalas Dominanz, sein Alleinstellungsrecht, keine andere Gottheit ist neben Kala anwesend. Um eventuellen Einwänden oder Widersprüchen vorzubeugen, muss eingeräumt werden, dass Kala ziemlich untypisch dargestellt ist. Im Kanon späterer Kala-Reliefs ist der Herr der Zeit anders zu sehen. Dem Kala (Bild 10) ragen nur zwei Zähne aus dem Maul, gewöhnlich zeigt Kala ein zahnreiches Gebiß, meist mit Oberkiefer, seltener mit Ober- und Unterkiefer. Bleibt also die vorsichtig und zaghaft gestellte Frage: gibt sich hier wirklich Kala die Ehre oder muss an Bhairava (den Furchteinflößenden) gedacht werden, nämlich an eine grimmige Emanation Shivas? Shiva kann als Bhairava in acht Varianten erscheinen, so auch – wie könnte es anders sein – als Kala-Bhairava, letztendlich also doch Kala. Erscheint Kala, ist immer auch an Shiva, den wandelbaren, hier an den zornvollen Gott zu denken. Eine Bilderreihe zu Kala könnte mit diesem ungewöhnlichen Prei Khmeng-Türsturz eröffnet werden. Bleibt noch anzumerken bzw. gesondert hervorzuheben, dass dieser einmalige Prei Khmeng-Türsturz im namensgebenden Prei Khmeng Tempel geborgen wurde. Der Lintel III aus dem National Museum Siem Reap (Bild 11) darf mit Fug und Recht als verfeinerte Variante vom Lintel I (Bild 9) betrachtet werden. Die Gegenüberstellung beider Lintel bestätigt diese Behauptung. Die Dekorationen der Bögen stimmen überein: an gleicher Stelle befinden sich drei ovale Schmuckornamente, dazwischen sind Blüten platziert, auch die vom Bogen herabhängenden Girlanden gleichen sich, lediglich die Blumen sind andere. Die Unterschiede beider Lintel sind mit einem Blick zu erfassen. Während der Bogen vom Lintel I auf Kapitellen ruht, wächst der Bogen vom Lintel III aus dem Mäulern von stattlichen berittenen Makaras bzw. geht der Bogen in die Makaras über. Die Reiter auf den Makaras sind als bewaffnete Gestalten erkennbar. Welche mythologischen Wesen (Gottheiten?) hier in Szene gesetzt wurden, bleibt in der Schwebe, wie auch die Betenden in den Ovalen nicht zu identifizieren sind. Makara-Bögen bzw. Naga-Makara-Bögen wurden in späteren Khmer-Stilepochen häufig als Rahmen (Rand) von großformatigen Tympana angewandt. Die Makara-Bögen der Prei Khmeng-Periode dürfen durchaus als Vorbild oder Ausgangsmuster für spätere Tympana-Einfassungen angesehen werden. Auf dem Lintel I aus dem National Museum Phnom Penh (Bild 12) wird das Bogenmuster erneut, jedoch stark variiert, aufgenommen (vergleiche: Bild 9). Der Bogen ruht auf Kapitellen, die auch als quadratische Sockel definiert werden könnten. Auf den Sockeln sind von Blattornamenten eingefasste bewaffnete Wesen positioniert. In diesen dekorativ getarnten Gestalten sind Dvarapalas zu vermuten, Wächter, die den Bogen beschützen, denn auf dem Bogen sind drei Gottheiten ansässig, deren mittlere sich von den äußeren unterscheidet. Die mittlere Gottheit kann ziemlich eindeutig als Shiva identifiziert werden, das flächige hochaufragende Phallussymbol mit dem Kopfbild lässt kaum eine andere Deutung zu. Phalli mit Kopfbild sind als Übernahmen altindischer Darstellungen zu bewerten. Da sich die äußeren Gottheiten nicht gleichen, wäre es möglich in den drei Göttern die unsterbliche Trias BRAHMA – SHIVA – VISHNU zu vermuten. Wichtiger jedoch als diese nicht belastbare Annahme, ist die Bildgestaltung unter dem Bogen: jegliche Blumen, alle Girlanden bleiben ausgespart, die vom Bogen überspannte Relieffläche schildert einen konkreten Handlungsablauf. Im Zentrum des Breitband-Reliefs steht ein Tempel bzw. ein Baldachin unter dem sich auf einem Thronsitz in sehr lässiger Haltung ein Mensch die Ehre gibt. Dieser Mensch muss großer Verehrung würdig sein, denn von beiden Seiten strömen die Menschen herbei, drängen sich am Tempel, um ihn zu sehen, um ihm Opfergaben zu bringen. Die ungezwungene Sitzhaltung spricht nicht für einen Gott, es könnte auch einem König die Verehrung der Menge zuteil werden, dann allerdings wäre auf einem Lintel eine weltliche Szenerie veranschaulicht, was höchst selten, eher unwahrscheinlich ist. – Ganz nebenher fallen noch die relieflosen Flächen im oberen Lintelbereich auf, die Tiefen des Reliefs sind zu glatten Zwischenräumen gestaltet worden, wodurch die vordergründigen Bogenmotive besser hervortreten. Der Lintel II (Bild 13) muss zweifellos als Sonderfall begutachtet werden. Die äußerst streng komprimierte, auf höchste gesteigerte und gleichzeitig versachlichte Bildaussage des Motivs dürfte im Khmer-Reliefkanon einmalig sein. Gedrängt auf engen Raum zieren drei kreisrunde schmucklose Ornamente (Medaillons) den Bogen. Kleine Blüten drängen sich zwischen die Kreise. Drei Kreise und vier Blüten ergeben die Zahl Sieben. Drei große Kelchblüten (Lotos) hängen unter den geometrischen Ornamenten herab. Vier kleinere Kelchblüten, die aus Girlanden wachsen, flankieren die großen Blüten, auch hier ergibt sich in der Summe die magische Sieben. Besonders fallen die Lotospflanzen über den Kapitellen/Sockeln auf, diese schönen sehr natürlichen Motive erinnern an indische Purnagatha-Reliefs, an denen niemals mit ästhetischen Reizen gespart wurde, immer galt es die Natur kunstvoll nachzugestalten, solche Übersteigerungen führten zur Stilisierung der Motive. Der Lintel III (Bild 14) bildet den Gegenpart zum Lintel II (Bild 13). Versachlichung steht opulenten Prunk gegenüber. Der Lintel I aus Siem Reap (Bild 9) bietet sich als Vergleichobjekt an, so frappant die Ähnlichkeiten sind, so verschieden sind die Details. Die Motive gleichen sich, um genau zu sein, es sind die selben Motive: dekorierte Bögen auf geschmückten Sockeln, unter den Bögen hängen Pflanzen und Blüten. Ein wahrscheinlich beliebtes Bildmuster wurde fantasievoll variiert. Während der Siem Reap-Lintel I solide und gediegen wirkt, mutet der Phnom Penh-Lintel III lebhaft und leicht an, sein Pflanzenwerk überzeugt durch eleganten Schwung. Natürlichkeit (Lintel III) übertrifft Statik (Lintel I). Die Entscheidung, welchem Lintel der Vorzug einzuräumen wäre, fällt schwer, ist auch wenig nützlich, denn beide Bildlösungen vermögen zu überzeugen. Die folgenden Bilder stellen zwei Lintel vor, auf denen das gleiche Motiv verschieden umgesetzt wurde, zu sehen ist jeweils der Gott Vishnu, dargestellt als Anantashayana. Vishnu befindet sich im Schöpfungsschlaf. Während der Bildhauer vom Phnom Penh-Lintel IV (Bild 15) das Motiv (den Gott) formatfüllend in Szene setzte, vermochte sich der Bildhauer vom Battambang-Lintel (Bild 16) nicht vom traditionell erprobten Bogen lösen. Bogen und Sockel sind prachtvoll ausgeführt. Vishnu schläft unter einer göttlichen Einfassung. Der Rahmen ist dem Gott würdig bzw. dem Thema angepasst, schließlich geschieht hier Weltveränderung. Die Geschichte vom schlafenden Vishnu, der eine neue Welt erschafft, gehört in Asien zum kollektiven Vermächtnis. Jeder Hindu wird den Mythos kennen und seine persönliche Version im Gedächtnis lebenslang bewahren. Auch die unbekannten namenlosen Bildhauer haben ihr Verständnis der Geschichte in Stein gehauen. Die differierende Lage Vishnus (einmal nach rechts und einmal nach links gewendet) ist der unwesentlichste Unterschied beider Reliefs, selbst die Größenunterschiede der Götter beeinträchtigen die Wirkung der Reliefs in keiner Weise, doch dem Bildhauer vom Phnom Penh-Lintel gelang die überzeugende Darstellung einer Wasserwelt, schließlich spielt das Geschehen im Weltenozean, Ananta und Vishnu sind von Wasser, von Wellen umspült (Bild 15), während auf dem Battambang-Lintel (Bild 16) Vishnu und die Weltenschlange Ananta in einem nichtssagenden, vom Bogen überspannten Raum platziert sind. Einigkeit bestand in der Vorstellung, dass Ananta sieben Köpfe haben müsse, Vishnu vierarmig dargestellt sein muss und dass ein Lotos aus Vishnus Nabel wachsen muss, auf dem Brahma thront. Übereinstimmung herrschte auch darin, dass jegliche Beteiligte auszusparen sind, dass weder Lakshmi, die Frau Vishnus, die auf anderen (später entstandenen Reliefs) zu Füßen Vishnus sitzt, noch andere Götter oder Halbgötter anwesend sind. Der zum Schöpfungsakt unbedingt notwendige weibliche Aspekt Vishnus (Lakshmi) wurde von beiden Bildhauern konsequent ausgeblendet. Vishnu selbst trägt auf dem Phnom Penh-Lintel seine typische Topf-Krone, die ihn gegenüber anderen Göttern kenntlich macht. Auf dem Battambang-Lintel wurde dem Gott Vishnu eine höchst ungewöhnliche stufenförmige pyramidale Krone aufgesetzt. Betreffs Brahma bleibt festzustellen, dass der Gott auf dem Phnom Penh Lintel in direkter Nähe zu Vishnu Bestandteil des unmittelbaren Geschehens bleibt, während auf dem Battambang-Lintel der Gott Brahma zum Bestandteil des Bogens avanciert. Schlussendlich bleiben noch die Randfiguren vom Battambang-Lintel zu erwähnen, die in seltsamer Sitzhaltung verharrenden Beter lassen sich schwer bestimmen, weil verschiedene halbgöttliche Wesen die Himmelswelten bevölkern. Die hier vorgegebene Beinstellung der Figuren trifft noch am ehesten auf die fliegenden Vidyadharis zu, die auch als Weisheitshalter gelten. Die aneinander gelegten Hände könnten auch schlichtweg als Gruß- und Achtungsgeste gedeutet werden, die dem Gott entgegen gebracht wird. Der Lintel aus der Angkor Borei-Region (Bild 17) beschließt als Ausnahmemotiv den Reigen der Prei Khmeng-Türstürze. Auf den ersten Blick scheint das Bogenmotiv mit allen Details vertraut, doch der zweite Blick verrät mehr. Auf dem Bogen sind nicht drei, sondern fünf verzierte Rosetten (Medaillon anstatt Rosette wäre auch ein treffendes Wort) platziert und nur die mittlere Rosette ist von einer Gottheit besetzt. Weitere von Blattwerk umwucherte göttliche Wesen sind in den Außenbereichen des Reliefs über den Sockeln zu sehen. Festzustellen bleibt, dass die drei göttlichen Wesen eindeutig als Göttinnen zu erkennen sind, hier also die feminine Allmacht betont wird, folglich mit der Göttin im Zentrum des Reliefs Gaya-Lakshmi, die Ur-Mutter, das Sinnbild weiblicher Schaffenskraft überhaupt gemeint sein könnte. Auch hier bietet sich wieder die Parallele zu südindischen Tempeln an, dort wurde Gaya-Lakshmi über vielen Tempeleingängen verewigt. Letztendlich sind alle weiblichen Emanationen auf Mahadevi, also auf Durga zurückzuführen, folglich sind alle vermeintlich exakten Definitionen unter Vorbehalt zu lesen. Für Laien mehren sich die Zweifel an einigen stilistischen Zuschreibungen der Türstürze. Kenner werden feststellen, dass innerhalb der einzelnen Perioden mehr Ähnlichkeiten als deutliche Unterschiede in den angewandten Bildelementen zu finden sind, weshalb manche Lintel sowohl der Prei Khmeng als auch der Sambor Prei Kuk Ära zugeordnet werden könnten, selbst noch Türstürze im Kampong Preah-Stil sehen denen aus Sambor Prei Kuk verblüffend ähnlich. Im Zweifelsfall ist der Fundort als wichtiges Faktum für die jeweilige Zuweisung ausschlaggebend. Betrachten wir Kunstwerke aus der Prei Khmeng Zeit, beschränkt sich der Zeitraum auf keine hundert Jahre. Wie nahe die Stilperioden beieinander liegen, sogar parallel verlaufende zeitliche Überlappungen vorhanden sind, zeigt die folgende Auflistung: Phnom Da Stil: 540 – 600 Sambor Prei Kuk Stil: 600 – 650 Prei Khmeng Stil: 635 – 700 Kampong Preah Stil: 706 – 800 Diese chronologisch sortierten Jahresangaben zu den Stilepochen berufen sich auf ein Schaubild im National Museum Siem Reap. Seltener noch als Lintel erhielten sich Statuen aus der Prei Khmeng Zeit. Das National Museum in Siem Reap präsentiert eine Harihara-Statue (Bild 18) und eine Durga-Statue (Bild 19) aus dieser Epoche. Der Gott Harihara ist eine Kombination aus Shiva und Vishnu, ein Gott der schon während der Phnom Da-Ära und in Sambor Prei Kuk verehrt wurde. Die Göttin Durga ist als Siegerin über den Dämon Mahisha zur Legende geworden. Durga selbst vermag sich in vielen Gestalten zu inkarnieren, sie gilt bis heute als Mahadevi, wenn man so will als First Lady im hinduistischen Götterkanon. Die keineswegs verbindlichen Beschreibungen der vorgestellten Objekte basieren auf Kenntnissen und Erkenntnissen, die im Laufe etlicher Jahre im Kontext vergleichender Betrachtungen zur Khmer-Kunst reiften. Trotz Aufwand bei der Materialzusammenstellung und den Schwierigkeiten der Zuordnungen triumpfiert letztendlich die Freude an den Kunstwerken.
Zusätzlich zu den Museumsstudien ist ein Besuch im Angkor Conservation in Siem Reap zu empfehlen, dort muss allerdings jeder Interessent selbst entscheiden, ob er die in Frage kommenden Objekte dem Prei Khmeng-Stil oder dem verwandten Sambor Prei Kuk-Stil, eventuell auch dem Kampong Preah-Stil zuordnet. Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones Das 1999 eröffnete Museum nennt sich nach dem Ort, dem Fluss und der Region ANGKOR BOREI. Die weitestgehend flache Gegend wird vorwiegend landwirtschaftlich genutzt. Das Gebiet zählt zur Provinz Takeo. Die Entfernung nach Phnom Penh beträgt lediglich 80km. Trotz mehrfacher Grabungen in den letzten 100 Jahren ist die Region kulturhistorisch noch längst nicht vollständig erschlossen. Wenig weiß man über das Königreich Funan und dessen Hauptstadt Vyadhapura (heute: Angkor Borei). Konkret lässt sich die Besiedelung des Mekong-Deltas zumindest 2500 Jahre nachvollziehen. Es wird davon ausgegangen, dass schon während der prähistorischen Eisenzeit Menschen im südostasiatischen Raum siedelten. Das Angkor Borei Museum ist eine der Außenstellen des National Museums in Phnom Penh. Mehrere solcher äußerlich ähnlichen Museumsbauten wurden in Kambodscha gebaut. Die kleinen Museen beherbergen archäologische Funde und geben Auskunft über die jeweiligen Regionen. Die Sammlungen des Angkor Borei Museums beinhalten Artefakte aus der Frühzeit kambodschanischer Zivilisation, gezeigt werden Grabungsfunde aus der Funan- und Chenla-Periode. Die wichtigsten=auffälligsten Ausstellungsobjekte stammen vom Phnom Da, einem Hügel in der Nähe von Angkor Borei, auf dem noch zwei markante Tempel aus frühen Khmer-Zeiten zu sehen sind. Es besteht keineswegs die Absicht, in diesem Artikel die Museumkollektion umfassend vorzustellen. Nur einige besondere Objekte, die den üblichen Rahmen regionaler Ausstellungen sprengen, sollen hier kurz beleuchtet werden. Das Thema der Sammlung steht unter dem Motto: Von Funan nach Angkor. Chronologisch geordnet schildern die Ausstellungsobjekte den Verlauf der kulturhistorischen Entwicklung und das Erstarken von Handwerk und Kunst der Khmer. Die Buddhistische Stele (Bild 1, 1.1 & 1.2) muss als äußerst seltenes Fundstück betrachtet werden, in keinem Museum Kambodschas wird eine auch nur ähnliche Stele gezeigt, weshalb das herrliche Stück aus dem 6. Jahrhundert in drei Teilansichten vorgestellt und ausführlich beschrieben wird. Zwei Seiten der Stele sind bearbeitet, eine dritte Seite blieb unbearbeitet, möglicherweise stand diese Seite an einer Wand oder an einem Pfeiler, die vierte Seite der massiven Stele ist abgebrochen. Der untere Teil des Steins ist im Querschnitt quadratisch, der obere Teil ist oktogonal gestaltet, woraus sich eine Formänderung bzw. eine Flächenverschiebung ergibt, oben endet die Stele äußerst formvollendet mit einer kreisrunden Lotosblüte. Die Frontseite (Bild 1 & 1.1) zeigt eine stehende Person, welche in der linken Hand einen Lotosstängel hält. Ähnliche Figuren dieser Ausstrahlung sind an den Eingängen zu indischen Höhlentempeln auf dem Dekkan (Süd-Indien) nachweisbar, dort sind sie eindeutig als Dvarapalas (Tempelwächter) identifizierbar und als solche definiert. Die um 45° versetzten kleinen Rechteckflächen geben jeweils Raum für einen Pagoden-Stupa. Hervorzuheben ist die Symbolik der Zahl Sieben, ausgedrückt und betont durch den Stufenaufbau des Stupas. Der Stupa gilt als architektonische Metapher für den Buddha. Übrigens sind in Kambodscha derartige Stupas nie gebaut worden. Die Seitenfläche (sofern diese nicht als Frontansicht der Stele gedacht war) brilliert mit drei glückverheißenden, tradierten buddhistischen Symbolen: dem Rad der Lehre (Chakra), einer Vase (Purnagatha) mit Lotos und einem Gazellen-Paar. Der Purnagatha könnte auch als Piedestal für den Lotos angesehen werden, das entspräche einer sachlich-nüchternen Bildauslegung. Wann aber hätte ein Lotos eines sockelartigen Unterbaus bedurft, Lotos und Postament passen nicht zueinander. In der frühen Khmer-Reliefkunst sind keine derartigen Bildlösungen bekannt. Die Gazellen sind eine Referenz an jene Tiere, die im Hain von Benares Buddhas erster Rede gelauscht haben sollen. Vereinigt in harmonischer Eintracht finden sich auf der Seitenfläche der Stele das Rad der Lehre und die Gazellen, Symbole, die bis heute über den Eingängen buddhistischer Klöster an Buddhas Lehrtätigkeit erinnern. Nimmt man die zwei (vormals vier) Stupas auf den oberen kleinen Flächen und den Lotos hinzu, ist die Stele als eine gelungene uneingeschränkte Huldigung an den Buddha zu bewerten. Sollte die Stele tatsächlich, wie vermutet, aus dem 6. Jahrhundert stammen bzw. in dieser Zeit gefertigt worden sein, wäre das Kunstwerk ein Beleg für die religiöse Orientierung der frühen Siedler und auch ein Hinweis auf deren Herkunftsland, sofern sich die beschriebenen formalen Ähnlichkeiten und stilistischen Verwandtschaften stichhaltig als indisch/südindisch belegen ließen. Das in Angkor Borei (Kampong Rou, Poek Phtoul) ausgegrabene ungewöhnliche Buddha-Relief (Bild 2) zeigt einen völlig ausgemergelten Buddha, über dessen Knochen sich nur noch Haut spannt. Schulter, Schlüsselbein, Brustkorb und Rippen zeichnen sich deutlich ab. Buddha hatte beschlossen, durch Askese und völlige Enthaltung die Erleuchtung zu erreichen, folglich seine täglichen Essensrationen auf wenige Reiskörner zu beschränken. Das äußerst seltene, leider nur fragmentarische Sandsteinrelief wird dem 4. – 5. Jahrhundert zugeordnet. Khmer-Bildhauer haben sich selten oder wahrscheinlich nie am "Fasten-Buddha" versucht. Darstellungen vom hungernden Buddha Shakyamuni sind beispielsweise durch die Gandhara-Kultur (heute Pakistan) überliefert, eventuell finden sich Bilder vom fastenden Buddha auf bemalten Wänden in modernen Klöstern Kambodschas wieder. Zwei recht gut erhaltene Buddha-Statuen (Bild 3 & 4) werden im Umfeld der Buddhistischen Stele (Bild 1) präsentiert, das ist durchaus legitim, weil sie annähernd der gleichen Periode zugeordnet werden. Die Statuen unterscheiden sich in der Ausführung erheblich, was in der jeweiligen Ausstrahlung und im Gestus zum Ausdruck kommt. Der Buddha (Bild 3) ist fein modelliert, besonderer Ernst ist dem Buddha ins Gesicht geschrieben (Bild 3.1), solche Gesichter wurden von Khmer-Bildhauern nicht gestaltet, unweigerlich drängen sich Vergleiche zu Kunstwerken aus der Dvaravati-Kultur auf. Der in das 7. Jahrhundert datierte Buddha präsentiert sich mit der Varanda-Mudra, das ist die Geste der Wunscherfüllung. Die zweite Buddha-Statue (Bild 4), datiert in das 6. Jahrhundert, ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht fertiggestellt worden. Der stehende Buddha zeigt die Abhaya-Mudra, das ist eine Grußgeste, die gleichzeitig Schutzgewährung garantiert. Formschönheit und Eleganz können der kopflosen Durga-Statue (Bild 5 & 5.1) nicht streitig gemacht werden. Körper und Gewand vereinen sich zu zeitloser Harmonie. Kaum eine Göttin ist populärer als Durga, sie ist die GÖTTIN schlechthin, die Ur-Mutter (Mahadevi) überhaupt. Durga kann sich in verschiedenen Erscheinungen manifestieren. Verehrt wird sie als Sarasvati, Shakthi oder Lakshmi, aber auch als Ambika oder Ishvari. Tritt sie als Kali oder Chamunda auf, dann zeigt sich die vielgestaltige Göttin in furchterregenden Emanationen. Um die rachedürstende Kali zu besänftigen, werden ihr bis heute in Indien und Nepal blutige Tieropfer erbracht. In Kambodscha hat sich der einstmals populäre Durga-Kult gelegt. Durga-Statuen haben sich nur wenige erhalten, so beispielsweise die berühmte Durga aus Sambor Prei Kuk (National Museum Phnom Penh). Die hier vorgestellte Durga steht fest auf ihrem Sockel, an dem sich der massive Zapfen gut erhalten hat. Zapfen und Sockel belegen den ehemaligen Standort der Statue auf/in einem Piedestal (Bild 5.2). Ganz schwach konturiert ist an der Frontseite vom Sockel eine Gravur zu erkennen, die einen Büffel zeigt. Gefunden wurde die Statue im Wat Kamnou, Prek Phtol (Angkor Borei), gefertigt wurde die Statue im 7. Jahrhundert. Türstürze im Prei Khmeng-Stil sind selten, gut erhaltene Einzelstücke befinden sich in Museen. In situ haben nur wenige Stürze aus dieser Vor-Angkor-Periode überdauert, das hat seine Ursache im geringen Tempelbestand aus dieser Zeit. Den namensgebenden Prei Khmeng Tempel in Angkor besuchen nur Archäologen und bestenfalls unentwegte Tempelliebhaber, denn dort ist vom Tempel fast nichts mehr zu sehen, auch kein Lintel. Der Lintel (Bild 6) wurde im Wall vom Phnom Touch in Angkor Borei geborgen. Stilistisch markiert dieser Lintel schon den Übergang zum Sambor Prei Kuk-Stil. Alle frühen Lintel im Prei Khmeng-Stil zeigen vorwiegend florale Motive. In pflanzliches Rankenwerk integrierte Darstellungen von Göttern bzw. halbgöttlichen Wesen sind eher die Ausnahme. Auf dem Prei Khmeng-Lintel sind drei weibliche Götter zu sehen. Mit den jeweils außen auf den Pflanzenranken positionierten Wesen könnten Nagini gemeint sein, das wären die Personifikationen der weiblichen Nagas (Schlangen). Zieht man in Betracht, dass im 7. und 8. Jahrhundert die kultische Verehrung der Durga noch weit verbreitet war, wäre als Mittelbild Durga nicht auszuschließen. Menschenähnliche Darstellungen der verehrten Götter (Anthropomorphismus) vermochten sich als Stilmittel erst in späteren Perioden der Khmer-Kunst durchzusetzen. Götterbilder von Indra, Shiva und Vishnu sind seit dem Preah Ko-Stil zahlreich nachweisbar, doch Göttinnen auf Reliefs der frühen Stilperioden müssen als Rarität betrachtet werden. Während in späteren Stilperioden die Götterbilder dominieren und die vielgestaltigen floralen Gebilde eher als dekoratives Beiwerk rangiert, herrscht auf dem Prei Khmeng-Lintel zwischen floralen und anthropomorphen Bildelementen noch eine gediegene Ausgewogenheit. Bemerkenswert im Angkor Borei Museum sind auch die zahlreichen Fundstücke profaner Herkunft, die Rede ist von Ziegelsteinen, Dachziegeln und Irdenwaren, wie etwa Krüge und Schalen, besondere Erwähnung verdienen noch einige liebevoll gehauene Reibesteine.
Keine Museumsdependance in Kambodscha zeigt seltenere und wertvollere Fundstücke aus frühen Khmer-Zeiten. Dieser Sammlungsbestand und die Tempel auf dem Phnom Da rechtfertigen eine Visite in der Region Angkor Borei. Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones |
Autor Günter Schönlein
Auf meinen bisher acht Reisen nach Kambodscha habe ich viele Khmer-Tempel photographisch dokumentiert. Mit Pheaks Hilfe suchte ich auch viele schwer zu findende entlegene Tempel auf. In diesem Blog möchte ich meine dabei erworbenen Eindrücke und Kenntnisse gerne anderen Kambodscha-Liebhabern als Anregungen zur Vor- oder Nachbereitung ihrer Reise zur Verfügung stellen. sortiert nach Themen:
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