Inhaltsübersicht: Komplex I: Vishnu auf Garuda – Kampfszenen – Vishnu allein Komplex II: Vishnu Quirlen des Milchozeans Komplex III: Vishnu Anantashayin Komplex IV: Vishnu Avatare (Manifestationen) Komplex V: Vishnu Trimurti Komplex VI: Vishnu Statuen aus verschiedenen Epochen Komplex VII: Vishnu besondere Erscheinungen und Anhang Einleitung: Drei Götter dominieren die Bildwerke in Angkor: Indra, Shiva und Vishnu. Mehrfach wiederkehrende Darstellungen des Gottes Vishnu sollen hier geordnet nach Motivgruppen in sieben Themenkomplexen vorgestellt werden. Der Name Vishnu ist geläufig, doch Betrachtungen seiner Erscheinungen lassen sich keineswegs mit Leichtigkeit, schon gar nicht leichtfertig erledigen. Dieser Artikel wird sich in der Bildauswahl vorwiegend auf Reliefs beschränken und Vishnu-Statuen nur peripher vorführen. Schon die Überschrift bestimmt eine sinnvolle Themenzentrierung. Die kultische Vishnu-Verehrung ist nicht erst in den Glanzzeiten der Angkor-Epoche aufgekommen. Früheste Zeugnisse der Vishnu-Anbetung in Kambodscha sind im späten 6. und im frühen 7. Jahrhundert in Angkor Borei, auf dem Phnom Da in der Provinz Takeo und in Sambor Prei Kuk nachweisbar. Vishnu-Statuen aus dieser Zeit, teilweise überlebensgroß, werden im National Museum Phnom Penh präsentiert. Das Problem der Vishnu-Betrachtung liegt im Detail: der Gott Vishnu gibt sich in zwei Dutzend Verkörperungen zu erkennen. Wichtigste (bevorzugte) Hauptformen wurden den Überlieferungen folgend immer und immer wieder dargestellt. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich eine regelgerechte vishnuitische Ikonographie etabliert, die länderspezifisch differiert und nur noch von Fachleuten durchschaut bzw. gedeutet werden kann. Die verschiedenen Erscheinungsformen der Götter zu erkennen, bereitet den Nichteingeweihten ohnehin Schwierigkeiten. In Indien existieren bis heute zwei wesentliche, den Hinduismus bestimmende Glaubensrichtungen: der Shivaismus und der Vishnuismus. Neben Brahma und Shiva ist Vishnu der dritte im Bunde der Großgötter, die als Dreiergruppe (Trimurti) dargestellt wird, somit pflegen die Hindus eine Dreiheit zu verehren, an die lang schon vor der christlichen Dreifaltigkeit geglaubt wurde. In Vishnu verkörpert sich die Erhaltung des Universums, das Licht und die Güte. Die wesentlichen Erkennungsmerkmale Vishnus sind das Rad, das Muschelhorn, die Keule und der Lotos, um diese Attribute vorzuweisen, muss Vishnu vierarmig auftreten. Hierzu hat sich eine ziemlich eindeutige eigenständig unverkennbare Khmer-Emblematik entwickelt. Gleichfalls, vermutlich um die vielfältigen Erscheinungsformen Vishnus differenzieren zu können, haben sich verschiedene Beinamen für Vishnu herausgeschält. Wem diese Namen und die damit verbundenen Erscheinungsformen nicht geläufig sind, meint stets einem anderen Gott gegenüber zu stehen. Die Vielgestaltigkeit Vishnus erschwert die Rezeption, was übrigens auch auf Shiva und viele andere Götter zutrifft. Vorteil und Nachteil zugleich: im Angkor-Gebiet sind nicht alle Avatare Vishnus nachweisbar, somit wird sich die Betrachtung auf dominante Erscheinungen Vishnus konzentrieren, folglich ist keine vollständige Darstellung gewährleistet. Alle Vishnu-Bilder, auch die Vishnu-Garuda-Darstellungen, orientieren sich an tradierten indischen Bildmustern, die später von den Cham übernommen wurden und in Folge die Khmer-Bildhauer beeinflussten. Die Cham waren die nördlichen Nachbarn der Khmer, mit denen es mehrere kriegerische Auseinandersetzungen gab, ehe die Khmer siegreich hervorgingen. Häufig auf Türstürzen und Tympana zu sehen sind der Gott Vishnu und sein Reittier Garuda. Abgebildet ist der aufrecht stehende Garuda, auf dessen Schultern Vishnu meistens steht, seltener sitzt. Im Angkor Wat lassen sich viele variantenreiche Vishnu-Bilder nachweisen. Das Angkor Wat ist dem Gott Vishnu geweiht. Unmöglich können sämtliche Vishnu-Bilder vom Angkor Wat in diesem Artikel vorgeführt werden, um diesen Anspruch zu erfüllen, müsste eine spezielle Abhandlung verfasst werden. Aus diesem Grund werden sich die Beschreibungen nur auf zwei wichtige, hervorstechende Vishnu-Bild-Themen beziehen: auf die Kampfszenen (Komplex I) und auf das Quirlen des Milchozeans (Komplex II). Komplex I: Auf den Reliefwänden im Angkor Wat feiern Vishnu und Garuda mehrfach ihren Auftritt als kämpferisches Duo (Bild I.1 - I.3), wobei Vishnu auch als Krishna erscheint. Beim Quirlen des Milchozeans erscheint Vishnu ohne Garuda im Zentrum des Geschehens (Komplex II, speziell Bild II.1) Üblicherweise trägt Vishnu eine topfförmige Krone (Kirimukuta), die ihn untrüglich kenntlich macht (Bild 1.3 und I.5). Was aber, wenn sich Vishnu anders bekrönt die Ehre gibt? Dann könnte beispielsweise der Gott Krishna dargestellt sein, also ein Avatar Vishnus (Bild I.1 & I.2). Die Entscheidung, welchen Avatar Vishnu in der jeweiligen Bildszene verkörpert, kann nur mit Kenntnissen der möglichen Avatare bzw. der mythologischen Geschichten erfolgen. VISHNU erscheint oft als RAMA und auch als KRISHNA, das sind mit Abstand die bekanntesten Avatare. Den Gläubigen, vorwiegend Hindus, sind diese Erscheinungen Vishnus durch die Geschichten aus dem Ramayana vertraut. Die Popularität Vishnus hat sich bis heute nicht verloren. Selbst wenn Garuda allein kämpft, mehrere Szenen auf den Wandreliefs im Angkor Wat belegen solche Situationen, muss angenommen werden, dass sich in Garuda ebenfalls Vishnu verkörpert, ohne direkt kenntlich zu sein. Ein vormals sehr schön gestaltetes Tympanum vom Nord-Tor des Angkor Wat wurde außenseitig des Tores zu ebener Erde aufgestellt (Bild 1.4 & I.5). Garuda ist gut zu erkennen, von Vishnu ist nur der Kopf erhalten geblieben. Wir blicken in ein entspannt friedliches Antlitz und sehen die typische Topf-Krone (Bild I.4). Von Vishnus Attributen (Waffen) ist nur noch das meist als Wurfscheibe bezeichnete Rad (Chakra) vorhanden. Über dem Gott schweben zwei Vidyadharis, halbgöttliche Wesen, die, wenn Götter unterwegs sind, unvermeidlich auftauchen, sich immer in deren Nähe aufhalten. Der im National Museum Siem Reap präsentierte Lintel vom Prasat Bakong hat Seltenheitswert. Das Motiv, Vishnu auf den Schultern Garudas sitzend, konnte (vom Autor) bisher nicht nochmals im Angkor-Gebiet nachgewiesen werden. Der Bakong Tempel im Roluos-Gebiet wurde 881 geweiht und gilt als erste monumentale Tempelpyramide. Zwischen der Entstehung des Bakong-Lintel (Bild I.6) und dem Angkor Wat-Tympanum (Bild I.4) liegen rund 200 Jahre. Ein in der Bildgestaltung ähnlicher Lintel, geborgen im Prasat Kok Po (Angkor), kann im Pariser Musée Guimet als Original bewundert oder im Artikel INMITTEN VON GÖTTERN (TEIL 10) in der Foto-Version angeschaut werden. (Vergleiche auch den Lintel im Anhang: Bild VII.6) Die nicht näher bezeichnete Inschriften-Stele aus dem National Museum Siem Reap (Bild I.7) ist insofern bemerkenswert, weil Garuda die Schlangen in umgekehrter Weise bändigt. Üblicherweise sieht man seine Krallen auf den Kopfenden der Schlangen stehen, seine Hände halten die Schwanzenden fest (I.8). Einige bemerkenswerte ikonographische Veränderungen sind auf dem geschnitzten Giebelfeld des Wat Bo festzustellen (Bild I.8). Vishnu trägt keine Topf-Krone, sondern eine helmartige Krone, eher als Kappe mit langer Spitze einzuschätzen. Seine Attribute entsprechen nicht mehr der tradierten Ausstattung. Ursprünglich trug Vishnu Rad, Muschelhorn, Keule und Lotos, hier fehlen Rad, Muschelhorn und Lotos, dafür schwingt Vishnu Schwert, Peitsche und einen Haken. Garuda hat sich von seinem Herrn eine Kopfbedeckung geliehen, er trägt den gleichen Helm. Ihm, Garuda, dem Reittier, wurde der adäquate Brustschmuck angehängt, äußerlich ist der mythische Vogelmensch zum Gott erhoben. In dieser Darstellung muss sich der in den Hüften beflügelte Garuda nur gegen dünne Schlangen wehren. Das Bild vermittelt den Eindruck, als sei Garuda zum Schlangenbändiger avanciert, Kampf auf Leben und Tod vollzieht sich erheblich dynamischer. Weitere Ausführungen zu Vishnu-Garuda finden sich im Artikel INMITTEN VON GÖTTERN (TEIL 10) in diesem Blog. Kunsthistorisch hochwertig und absolut einmalig im Angkor-Gebiet sind die Vishnu-Ziegelreliefs im Mittelturm des Prasat Kravan (Bild I.9 & I.10) Vishnu-Vamana ist als kleinwüchsige Gottheit bekannt, die sich zu All-umfassender göttlicher Größe entfalten kann. Oft erzählt wird die Legende vom Dreischritt, im Sanskrit: Trivikrama. Dieses Wort taucht schon in der Rigveda auf und wird auch als Name für Vishnu verwendet, also der Dreischrittige. Angeblich maß Vishnu mit drei Schritten die Welt aus: die Erde, die Atmosphäre und den Himmel. (Bild I.10) Beide Reliefs zeigen Vishnu vollständig gerüstet, er weist sämtliche Attribute vor: Keule, Wurfscheibe, Schneckenhorn und Lotos. Zwei Bilder von den Reliefwänden des Bayon stellen den Gott Vishnu allein dar. Im Bild I.11 zeigt sich Vishnu in höchster Bewegung, diese sehr dynamische Darstellung steht im Gegensatz zu der äußerst statischen würdevollen Abbildung im Bild I.12 Beide Reliefs zeigen den Gott vierarmig, der seine Attribute vollzählig vorweist. Im Tempel-Relief (Bild I.12) beten der König Jayavarman VII und zwei Königinnen eine Vishnu-Statue an, der Podest, auf dem Vishnu steht, legt diese Vermutung nah. Komplex II: Der Gott Vishnu besetzt bei der Gewinnung des Amrita=Quirlen des Milchozeans eine zentrale Stelle, er ist im Grunde der spiritus rector des Geschehens. Ein 49m langer Bildfries in der südöstlichen Galerie des Angkor Wat zeigt mit überzeugender Anschaulichkeit das Ringen um die lebensverlängernde Essenz und den Einsatz Vishnus. Vishnu erscheint als Schildkröte (Kurma), die den Berg Mandara hebt und als Gott, der die gegenläufigen Bewegungen koordiniert (II.1). Hier ist nicht Raum genug, um den Mythos vom Quirlen des Milchozeans zu geben. Interessierte Leser finden die nacherzählte Geschichte und einige Bilder im Artikel VIDYADHARIS in diesem Blog. Weitere Bilder zum Mythos vom Milchozean und zu Anantashayin und nochmals die Wiedergabe der Geschichte können im Artikel INMITTEN VON GÖTTERN (TEIL 2) in diesem Blog abgerufen werden. Der Mythos vom Milchozean erfreut sich von jeher großer Beliebtheit. Der grundsätzliche Handlungsablauf ist für jedermann verständlich und eignet sich hervorragend zur Bildwiedergabe. Viele Darstellungen des Milchozean-Mythos in Angkor bestätigen den Bekanntheitsgrad dieser Geschichte. Hier muss allerdings der Begriff Angkor nicht nur als Gebiet rund um Siem Reap verstanden, sondern geographisch bis Beng Mealea und nach Battambang ausgeweitet werden, oder anders: die vorgestellten Darstellungen (Reliefs) entstanden allesamt während der Angkor-Periode. Eine Ausnahme bildet das Relief vom Prasat Phnom Da (Bild II.2), dieser Tempel wird auf das 6. Jahrhundert datiert. In Angkor Borei (Provinz Takeo) fanden Archäologen die frühesten Zeugnisse der Vishnu-Verehrung auf dem Gebiet des heutigen Kambodscha, damals noch das Reich der Chenla. Während auf den meisten Darstellungen vom Milchozean das Geschehen symmetrisch angeordnet wurde, muss der schmale Fries vom Wat Preah An Kau Saa in Siem Reap (Bild II.4) als Ausnahme angesehen werden. Zwar sind Kurma (Schildkröte) und Vishnu in der Bildmitte angeordnet, doch die Dämonen und Götter an Vasukis Körper sind ungleich verteilt. Einem Dämon (neben Vasukis Kopf) stehen sieben Götter gegenüber (rechts im Relief). Übermacht und zu erwartender Sieg werden anschaulich vorgeführt. Links im Relief hoffen die Götter auf den Sieg und das Amrita. Brahma thront auf einem Lotos. Shiva kommt auf Nandi daher. Der Lintel vom Kutishvara Tempel wird allgemein unterschätzt und zu selten erwähnt, dabei bediente sich der Künstler einer bildhauerischen Raffinesse. Offenbar war ihm bewusst, dass viele Götter und Dämonen an Vasukis Laib standen und zogen, er viele Figuren ins Bildgeschehen rücken müsse, doch die Breite des Lintel war begrenzt und also seine Möglichkeiten beschränkt. Geschickt verdoppelte er die Figurenzahl auf der Götterseite, indem er jeweils zwei Figuren nebeneinander stellte und damit die Übermacht der Götter betonte (Bild II.6 rechts). Mit etwas Fantasie lässt sich vor bzw. unter Kurma noch Kala (der Gott der Zeit) identifizieren, ein wesentliches Faktum insofern, weil der Gott der Zeit, jedenfalls nicht als Kala, in keinem Milchozean-Relief in Erscheinung tritt. Die Lintel vom Ek Phnom Tempel (Bild II.7) und vom Prasat West Snoeng (Bild II.8) geben das mythische Geschehen sehr anschaulich wieder. Jeweils sechs Dämonen und sechs Götter ziehen am Schlangenkörper. Kurma, die Schildkröte, steht nicht nur als Tier in der unteren Bildmitte, sondern wurde auch weiblich personifiziert abgebildet (Bild II.7 & II.8). Die Gegner – Götter und Dämonen – geben sich ziemlich entspannt, Lächeln auf beiden Seiten (II.8), als spielten sie. An Vasuki wird sich mehr festgehalten, als wirklich an ihrem Schlangenlaib gezogen wird. Wichtig schien dem Bildhauer (den Bildhauern?) die Parade der Götter gewesen zu sein, sie präsentieren sich sitzend wie auf einem Podium. Irgendeinem Fanatiker müssen die Dämonen (Bild II.7) ein Dorn im Auge gewesen sein. Wie erschreckend müssen die Gesichter der Dämonen wohl ausgeschaut haben, dass ein Mensch sich erdreistete, derartigen Frevel an einem Lintel zu begehen? Beiden Türstürzen (Bild II.7 & II.8) kann aus künstlerischer Sicht eine gewisse Naivität in der Darstellung nicht abgesprochen werden, als wäre volkstümlich-verständliche Bildhaftigkeit das Streben des Bildhauers/der Bildhauer gewesen. Wie auch immer, die Lintel sind in ihrer Art einmalig und an dem kleinen aus groben Blöcken geschichteten West Snoeng Tempel etwas ganz Besonderes. Der Prasat West Snoeng (Bild II.9 & II.10) steht direkt neben einer Hauptstraße und bildet das Pendant zu den drei Türmen des Prasat East Snoeng. Zwischen beiden historischen Tempeln wurde ein modernes Kloster erbaut. Das wirklich Sehenswerte am West Snoeng Tempel sind die Lintel. Dieser kleine Tempel war zweifellos dem Gott Vishnu dediziert, denn noch ein anderes, sehr verbreitetes Vishnu-Motiv ziert einen weiteren Türsturz über einer Scheintür (II.10 →III.1). Mit eben diesem Türsturz (Bild III.1) und einem WIKIPEDIA-Zitat wird der Komplex III Vishnu Anantashayin eröffnet. Komplex III: WIKIPEDIA "In einer Zeit vor der Erschaffung der Welt ruhte auf dem Grund des kosmischen Ozeans die Weltenschlange Ananta-Shesha, auf der nach hinduistischen und frühbuddhistischen Erzählungen Vishnu als Narayana liegt oder sitzt. Als erster Schöpfungsakt trat aus Narayanas Bauchnabel eine Lotosknospe hervor, auf der Brahma als der personifizierte Schöpfungsaspekt Vishnus sitzt." (Zitat Ende). Anmerkung: Narayana ist ein weiterer Name Vishnus. Kürzer lässt sich der Mythos nicht erzählen. Ein Mythos, der die Khmer-Bildhauer herausforderte. Einige Ergebnisse ihrer Bemühungen werden im Komplex III nachfolgend betrachtet. Für Hindus im alten Indien war der Vishnu-Anantashayin-Mythos die Schöpfungsgeschichte überhaupt und auch für die Khmer schien dieser Mythos nicht ohne Bedeutung zu sein, denn einige Beispiele, wenngleich die meisten nur in fragmentarischer Erhaltung, haben im Angkor-Gebiet die Zeiten überdauert. Der Lintel vom Prasat West Snoeng (Bild III.1) ist in zwei Register geteilt. Das untere Register, etwa doppelt so hoch wie das obere Register, zeigt den schlafenden Vishnu. In dieser Darstellung liegt Vishnu auf keiner Schlange, sondern auf einem Makara, jedoch findet sich ein Schlangenpaar unter und neben dem Makara. Die Randbilder links und rechts neben Vishnu erzählen periphere Geschichten, die nicht unmittelbar mit dem Schöpfungsakt in Verbindung zu stehen scheinen. Im oberen Register sitzen die Götter, in der Mitte auf einem Lotos thront eingefasst von zwei Tanzenden der Gott Brahma. Ganz rechts könnte Garuda stehen? Über die Khmer-Ikonographie und die spezielle Ausführung und die künstlerischen Besonderheiten des Preah Khan-Lintel Vishnu Anantashayin (Bild III.2) äußert sich Herr Ando Sundermann sehr kenntnisreich und ausführlich in seinem beispiellosen Artikel zum Preah Khan Tempel, aufzurufen und nachzulesen auf dieser Webseite. Der etwas abseits liegende Angkor-Tempel Prasat Chaw Srei Vibol ist weitestgehend zerstört, dennoch lohnt eine Besichtigung. Das Tympanum der Innenseite vom West-Gopuram zeigt den ruhenden Vishnu (Bild III.4). Der Gott liegt im Sinne des Wortes auf der Bildunterkante, somit ist auszuschließen, dass Vishnu auf einem Makara ruht. Mit etwas guten Willen lässt sich unter seinem rechten Ellenbogen eine Schlange erkennen, die sich fast bis zu seiner Hüfte hinzieht. Über Vishnu sind noch Fragmente vom Schlangenkopf zu erkennen. Vishnu schläft auf einer Schlange. Links im Bild wird durch ein Wassertier (Flusspferd?) die Wasserwelt, der Welten-Ozean symbolisiert. (Im Preah Khan Lintel sind unter dem Makara Wasserschildkröten und Fische zu sehen.) Über Vishnus Hüfte ist tatsächlich noch die Lotosblüte zu erkennen, mit viel Fantasie wird Brahma vorstellbar. Alle weiteren Details des einstmals prachtvollen Tympanums sind leider weitestgehend ausgelöscht. Der Banteay Samre Tempel zählt durchaus zu den wichtigen Tempeln in Angkor, wird aber auf Grund seiner Randlage seltener besucht. Der Tempel kann mit vielen sehr fein gearbeiteten Tympana, Lintel und vielen Kleindetails aufwarten. Im unteren Bereich eines Pilasters fand sich die sehr eng gefasste Vishnu Anantashayin-Darstellung, die sich wirklich nur auf Vishnu, den Makara und Lakshmi, die ihm die Füße massiert, konzentriert (Bild III.5). Auf die Anwesenheit Lakshmis, seiner Gattin, wird in keiner der vollständig erhaltenen Darstellungen verzichtet (III.1 III.2 III.5 III.8 III.9 III.10 III.14). Die links- oder rechtsseitige Ruhelage Vishnus scheint nicht von Belang gewesen zu sein, diesbezüglich variieren die Bildwerke. Kanonisch strenge Vorgaben betreffs der Bildgestaltungen schienen nicht existiert zu haben. – Der leicht erreichbare kleine Mangalartha Tempel wird selten aufgesucht, obwohl er mitten in der Tempelstadt Angkor Thom steht. Mangalartha soll das letzte Bauwerk gewesen sein, welches in Angkor Thom errichtet wurde. Das nur noch zur Hälfte ziemlich schlecht erhaltene Tympanum zeigt unverkennbar den Vishnu-Schöpfungsmythos (Bild III.6). Der Prasat Bakong im Roluos-Gebiet wurde als Staatstempel der Stadt Hariharalaya erbaut, sein Zentral-Prasat auf der oberen Pyramidenebene soll nachträglich errichtet worden und ein Umbau sein, wichtig hier ist der Vishnu-Lintel über der Scheintür. Hat auch die Verwitterung das Tympanum mächtig angegriffen, lässt sich das Vishnu Anantashayin-Motiv noch eindeutig definieren (Bild III.8). Interessant ist die rein pflanzliche Andeutung der Wasserwelt, unter dem Makara (immer: Ananta) wachsen Wasserpflanzen, sicher wird Lotos gemeint sein. Lakshmi ist nur noch zu ahnen, kaum noch zu erkennen. Bei den drei gerahmten Bildfeldern unter dem Zentralgeschehen könnte es sich eventuell um eine außergewöhnliche Darstellung der Trimurti handeln. Die drei tanzenden Figuren können vom Autor nicht eindeutig als Halbgöttinnen (Apsaras) identifiziert werden. Die Bewertung der drei gerahmten Bildfelder klingt gewagt, entspricht lediglich einer Intention des Autors und entbehrt jeglicher Verbindlichkeit. Selten erwähnt und beschrieben werden die wenigen erhaltenen Lintel im Angkor Wat. Unauffällig in einem Seitengang versteckt sich der sehenswerte Anantashayin-Lintel, dessen mittlerer oberer Bildinhalt leider verloren ist, dafür sind die restlichen Bildpartien wunderbar erhalten (Bild III.9). Völlig entspannt, fast lässig, streckt sich der vierarmige Vishnu auf der Weltenschlange Ananta, die in den Tiefen des Weltozeans beheimatet ist. Wirklich hat der Bildhauer unter ihr den bewegten Ozean durch Wellenlinien angedeutet. In altbewährter Position sitzt Lakshmi Vishnu zu Füßen. Noch im Schlaf (im Träumen) umklammert Vishnu zwei seiner Attribute, die Wurfscheibe und die Keule sind deutlich zu erkennen. Andächtig betend verfolgen jeweils zwei Rishis das Geschehen, besonders schön sind die Baumdarstellungen gelungen. Klar gegliedert voneinander getrennt sind die Bereiche Erde und Wasser. Der Bildhauer schien besonders betonen zu wollen, dass Ananta eine Schlange sei und eben kein mystisches Unterwasserwesen. Der hier vorgestellten Ananta eignen sämtliche Elemente, die einer Schlange gerecht werden (Bild III.9 unten). Kopf und Schwanz bäumen sich auf, schaffen den schützenden Rahmen für Vishnu. Selbst ausführlichere Beschreibungen in besseren Reiseführern erwähnen das Vishnu-Tympanum vom Ta Prohm Tempel nicht (III.10). Das Anantashayin-Tympanum ist ganz gewiss kein Prachtstück, die vorsätzlichen Beschädigungen sind nicht zu übersehen, nur Betonstützen halten die Fragmente des Tympanum zusammen, doch der liegende Vishnu ist unzweifelhaft zu erkennen. Ananta ist nur noch durch einen sehr geradlinigen strukturierten, das Tympanum gliedernden Körper kenntlich. Weshalb Lakshmi, die Göttin, dem Bildersturm zum Opfer fallen musste, kann kaum geklärt werden. Immerhin führt ein gesicherter Hauptbesichtigungsweg durch das Neben-Tor des Gopuram. Am Preah Pithu Tempel haben sich in situ einige schöne Bildwerke (Lintel und Tympana) erhalten. Der Lintel vom Preah Pithu (Bild III.11) muss als herausragendes Exemplar bewertet werden. Diese Darstellung Vishnus ist für Angkor außergewöhnlich, denn hier ruht Vishnu auf einer wirklichen Schlange, die ihre fünf Häupter wie einen Schirm schützend über ihn breitet. Diese Motivgestaltung kann durchaus schon als Vorgriff auf den Nagaraja und auf spätere Buddha-Bilder gesehen werden. Nebenbei beweist diese Bildgestaltung, dass mit allen geschwungenen, pflanzlich anmutenden Bögen, die auf vielen Lintel in Angkor zu sehen sind, immer der Naga, nämlich die Schlange, eben der Schlangenkönig Nagaraja gemeint ist. Die Szene vermittelt einen Zeitpunkt nach dem Schöpfungsakt. Alles ist schon geschehen. Brahma sitzt auf dem Lotos. Die Götter sind zur Stelle. Vishnu sitzt schon fast, als wäre er gerade eben erwacht. Er streckt seinen rechten Arm, den Lakshmi allerdings noch stützen muss, dem Betrachter entgegen. Seine Hand eine sprechende Geste: Schaut her, was habe ich vollbracht! – Ein persönlich empfundener Makel sei angemerkt: die vorherrschende natürliche Harmonie des Reliefs wird durch den geradlinig, eckigen Stängel des Lotos gestört: Brahma als Säulenheiliger. Der (trotz Einwand) sehr schöne Lintel (Bild III.11) kann im Pariser Musée Guimet betrachtet werden. Beachtlich an dem Banteay Samre-Tympanum (Bild III.12) ist der dreifache Lotos. Aus Vishnus Nabel wächst ein Lotosstamm mit zwei Seitentrieben, die ebenfalls Blüten tragen. Solche symmetrisch gewachsenen Lotospflanzen können auch an anderen Anantashayin-Bildwerken registriert werden, beispielsweise am Lintel vom Prasat East Snoeng (Bild III.1) und am Lintel vom Preah Khan Tempel (III.2), doch bei keiner dieser Darstellungen hält Vishnu selbst den Lotosstängel mit seiner rechten Hand fest umschlungen. Auf den Nebenblüten feiern halbgöttliche Wesen den Gott Brahma, am East Snoeng-Lintel (Bild III.1) sogar tanzend. Am Preah Khan-Lintel (Bild III.2) ist die Lotospflanze noch jung, gerade Vishnus Nabel entsprossen, sie windet sich empor, ist noch nicht aufgerichtet, hat ihre Kraft noch nicht entfaltet, die Blüten sind noch geschlossen. Unter Ananta, hier wieder in der Makara-Form, windet und bäumt sich eine Schlange auf (rechts im Bild), der Naga (Bild III.12). Kbal Spean im Phnom Kulen Nationalpark ist ein außergewöhnliches Heiligtum. Besucher betreten einen Vishnu-Tempel unter freien Himmel, sofern man geneigt ist, die Felsformationen mit den Reliefs und die tausend Lingams als Tempel anzuerkennen. Es ist nicht übertrieben, diese Anlage aus dem 11. Jahrhundert als Vishnu-Heiligtum zu apostrophieren, denn mehrere Anantashayin-Reliefs zieren die Felsplatten. Leider haben Vandalen das Relief (III.14) zerstört, Körper und Kopf Vishnus mussten ersetzt werden. Der Kopf Lakshmis ist auf beiden Reliefs (Bild III.13 & III.14) vorsätzlich herausgebrochen und bislang nicht wieder ergänzt worden. Neben den Vishnu-Anantashayin-Reliefs sind noch einzelne Reliefs von Shiva und Brahma zu finden und nicht zu übersehen sind die ungezählten Lingams, über die das Wasser fließt. Erwähnt werden muss noch die Tatsache, dass Vishnu in allen Reliefs Kbal Speans auf einer Schlange und nicht auf einem Makara seinen Schöpfungsschlaf vollzieht. Die Tempeldarstellungen im Bild III.14. links neben Vishnu könnten sich in der recht deutlichen Symbolik auf die Trimurti Brahma-SHIVA-Vishnu beziehen. Der Prasat Ek Phnom ist kein Berg-Tempel, auch wenn sein Name Ek Phnom diese Assoziation evoziert. Auf einer sanften, wahrscheinlich künstlich geschaffenen, kaum merklichen Erhöhung ruht der leider mächtig zerstörte Tempel. Erfreulicherweise sind seine hervorragenden Lintel erhalten geblieben (siehe: Bild II.7). Das Tympanum über dem Süd-Eingang (Bild III.15) muss abgestützt werden, doch am zentralen Bildgeschehen des Tympanums kann man sich ungetrübt erfreuen (Bild III.16). Kein Bruch, kein Riss, keine Absplitterung, keine mutwillige Beschädigung hindern den Sichtgenuss. Einzig Ananta ist beschädigt, eine echte Schlange (kein Makara) bäumt sich gespalten auf, was die auseinander gerückten Steine bewirken. Vishnu, Shakti und eine weitere Gottheit neben Shakti besetzen die untere Bildmitte. Direkt über Vishnu auf einem nur kurz gewachsenen Lotos sitzt Brahma. Seine Darstellung (vierarmig) ist besonders fein ausgeführt, wie überhaupt alle Details sorgfältig gearbeitet sind. Auffällig schön sind die üppigen Lotospflanzen gestaltet, die hinter dem Hauptgeschehen wachsen. Die stilisierten Blattranken neben und über Brahma sind nichts Neues, aber sie fassen das dreieckige Bild harmonisch ein. Am Tympanum des vierten Turmes der Prasat Suor Prat Türme kann ein vergleichbares phantasievoll verdichtetes Rankenwerk besichtigt werden → siehe: Bild 12 im Artikel PRASAT SUOR PRAT & KHLEANGS in diesem Blog. Der oft erwähnte, leider nur in Bruchstücken erhaltene Vishnu Anantashayin aus dem West Mebon Tempel in Angkor (Bild III.17) muss hier unbedingt vorgeführt werden, denn es ist die wohl einzig nachweisbare in Bronze gegossene Großplastik, die je in Khmer-Tempeln gefunden wurde. Die in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts entstandene Statue maß ursprünglich etwa 6m, die Fragmente messen immerhin noch 1,20m x 2,20m. Angeblich soll aus seinem Nabel Wasser geflossen sein. Der oft zitierte chinesische Reisende Zhou Daguan, Mitglied einer kaiserlichen Delegation, die 1296/1297 die Stadt Yasodharapura (ehemalige Khmer-Hauptstadt) besuchte, berichtet in seinen Aufzeichnungen von dieser Statue, die er für einen Buddha hielt. Seinem Mitteilungseifer dankt die Wissenschaft wertvolle Informationen zu den Tempeln in Angkor und zu den Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen der Khmer. Tatsächlich ist diese Vishnu-Statue eine der größten, wenn nicht die größte Bronze-Statue, die je im südostasiatischen Raum geschaffen wurde. – Derzeit kann der West Mebon Tempel wegen Restaurierungsarbeiten nicht besichtigt werden, aber die Vorstellung vom Weltenozean wird beim Blick vom Ufer auf die Tempelinsel anschaulich. Die Wassermassen des West Baray umgeben die Tempel-Insel, einen stillen Ort, an dem Vishnu ungestört seine Schöpfungsvorhaben träumen konnte. Der Platz für die Statue war keineswegs zufällig, sondern sehr bewusst gewählt, denn lebenspendendes Wasser, der Gott Vishnu und die gottähnlichen Khmer-Könige bedingten einander. Hinweis: Am Preah Vihear Tempel im äußersten Norden von Kambodscha im Grenzgebiet zu Thailand sind beide Mythen, also Anantashayin und das Quirlen des Milchozeans, an einem Gopuram als Lintel und Tympanum zu sehen. Eine Wiederholung dieser seltenen Konstellation ist dem Autor nicht bekannt, dazu im Anhang eine informative Fotostrecke im Kleinformat. Der Themenkomplex IV befasst sich mit den Manifestationen/Inkarnationen (Avatare) Vishnus, von denen nicht alle im Angkor-Gebiet nachgewiesen werden können. Zunächst wird die Auflistung der Avatare aus dem WIKIPEDIA-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Vishnu abgerufen: 1. Matsya – Fisch, zieht in der großen Flut die Arche 2. Kurma – Schildkröte, trägt den Berg Mandara beim Quirlen des Milchozeans auf ihrem Panzer 3. Varaha – Rieseneber, rettet die Erde in Gestalt der Göttin Bhudevi aus dem Urozean 4. Narasimha – Mann mit Löwenkopf, tötet den Dämon Hiranyakashipu 5. Vamana – Zwerg, wächst zum Riesen heran und misst mit drei Schritten die Welt aus 6. Parashurama – „Rama mit der Axt“, Vishnu in Menschengestalt als Rächer eines Brahmanenmordes 7. Rama – der Held des Epos Ramayana, nicht mit der 6. Inkarnation identisch 8. Krishna – „der Schwarze“, Verkünder der Bhagavad Gita 9. Buddha – manchmal auch Balarama, der Bruder Krishnas 10. Kalki – zukünftige Inkarnation Vishnus als Reiter auf dem Pferd, der den Dharma wiederherstellt (Zitat Ende) Kurma und Krishna sind bereits im Komplex II vorgestellt worden. Zwei Lintel aus dem Prasat Ek Phnom wurden schon im vorangehenden Themenkomplex gezeigt (Bild II.7 & III.13), dennoch soll hier auf einen weiteren außergewöhnlichen Krishna-Lintel hingewiesen werden. Über dem westlichen Tempelausgang des Prasat Ek Phnom lagert ein Krishna-Lintel (Bild IV.1) in selten schöner Ausführung: Krishna zähmt die Pferde. Die Deutung, wer hier auf Kala steht und Pferde bändigt, wurde dem WIKIPEDIA-Artikel zum Ek Phnom Tempel entlehnt. Der Autor kennt keine weitere vergleichbare Darstellung auf einem Lintel, beruft und verlässt sich also unter Vorbehalt auf die Fremdaussage im WIKIPEDIA-Artikel, zeigt aber ein eigenes Foto. Das Lintel-Motiv scheint in komprimierter Form eine markante Krishna-Szene aus der Schlacht vom Kurukshetra wiederzugeben, (vergleiche: Angkor Wat-Relief Bild I.2). Die Vielfalt der Vishnu-Darstellungen im Ek Phnom Tempel spiegelt untrüglich die Gesinnung des Auftraggebers wieder, angeblich war der König Suryavarman I. dem Buddhismus zugeneigt, ließ aber dennoch hinduistische Glaubensströmungen gelten. Mehrere hinduistische Tempelbauten in seinem Reich bestätigen seine weitsichtige Toleranz. Matsya, der Fisch, und Varaha, der Rieseneber, erscheinen auf Bildwerken selten und konnten vom Autor in Angkor noch nicht identifiziert werden, was nicht heißen soll, es gäbe diese Darstellungen in Angkor nicht. Die Geschichten von Parashurama (Rama mit der Axt) und Balarama, dem Bruder Krishnas, müssen den Khmern wenig geläufig gewesen sein. Laien finden in für sie zugänglichen Büchern meist keine Erwähnungen dieser Manifestationen, noch seltener Bilder. Darstellungen von Rama und Balarama sind auf hübschen bunten, meist zeitgenössischen indischen Blättern im Internet abrufbar, doch Reliefs der beiden Manifestationen scheint es im Kerngebiet von Angkor nicht zu geben, selbst im Herkunftsland der Mythen sind Reliefs und Statuen der beiden selten anzutreffen. In kaum einem Khmer-Tempel finden sich mehr Mythen in Stein verewigt als im etwa 30km nördlich vom Angkor Wat gelegenen Banteay Srei Tempel. Das Mittelregister vom Ost-Giebel der nördlichen Bibliothek stellt dem Betrachter eine Waldszene vor (Bild IV.1), dargestellt ist das Feuer im Khandava Wald. Flammen sind nicht zu sehen, doch die Auswirkungen. Umgeben von aufgescheuchten und fliehenden Tieren stehen sich die Brüder Krishna und Balarama gegenüber. Auf dem rechten Streitwagen nähert sich Vishnu dem Geschehen. Von links rückt ebenfalls auf einem Kampfwagen Rama (oder Arjuna?) ins Feld. Über allen flattern die heiligen Gänse (Hamsa) und der Naga bäumt sich auf. In nur einem Relief sind mehrere Manifestationen Vishnus nachweisbar. Im Tympanum (Bild IV.3) ist Narasimha zu sehen, der den Dämon Hiranyakashipu tötet. Vishnu hatte schon in seiner Inkarnation als Varaha den Bruder Hiranyakashipus töten müssen (kein Bildbeispiel vorhanden). Ein Bild von Vishnu-Vamana, dem Zwerg, der zum Riesen wächst, wurde schon im Komplex I vorgestellt. Der Vergleich zwischen dem Ziegelstein-Relief vom Prasat Kravan (Bild I.10) und dem Sandstein-Halbtympanum vom Prasat Preah Pithu (Bild IV.5) macht die verschieden gewichteten Bildaussagen kenntlich. Groß und mächtig und allein dominiert Vishnu-Vamana die Ziegelwand des Prasat Kravan. Anders im Prasat Preah Pithu, hier wurde versucht, den Mythos zu illustrieren. Das untere Register gibt die Lebenswelt der Menschen wieder, zu sehen sind Tiere auf Erden und Menschen im Tempel. Der erste Schritt Vishnus ist vollzogen. Das obere Register fasst den zweiten und dritten Schritt zusammen. Vishnu erobert die Atmosphäre und den Himmel. Halbgötter sitzen ihm huldigend zu Füßen. Vidyadharis schweben in seiner Nähe. Vishnu ist am Ziel, ist Herr der Welt. Die Reliefwände im Angkor Wat können als riesiges Bilderbuch betrachtet werden (Bilder I.1 - I.3 und IV.6. & IV.7). Auf jedem Meter setzen sich die Kapitel einer Geschichte fort. Die Reliefs erfordern eine besonders intensive Lesart. Die Reliefwände erzählen die legendären Begebenheiten der Mahabharata und der Ramayana. Viel Zeit ist zu opfern, um ein annähernd grundlegendes Verständnis der Bilderfolgen zu erlangen. Hobbyfotografen sind vor den Bildwänden ernsthaft gefordert, meist überfordert. Ein Fachbuch zu den Reliefs steht noch immer aus. In aller Kürze: Rama, ein Königssohn, heiratet die schöne Sita, die vom Dämonenkönig Ravana entführt wird, Hanuman hilft Rama Sita zu finden und sie zurückzugewinnen . . . welch eine Geschichte, erzählt im Ramayana und ausgebreitet auf einer Reliefwand im Angkor Wat. Der Wiedergabe des Ramayana-Epos sind etliche fortlaufende Meter Wand vorbehalten. Im dichten Schlachtgetümmel können die Kämpfer Rama und Hanuman kaum erkannt werden (Bild IV.6 & IV.7). Rama ist mit Pfeil und Bogen unterwegs, Hanuman, der Affengott, ist üblicherweise mit einer Keule (Gada) unterwegs, die rechte Hand greift einen Berg. Er gilt als unglaublich starker Kämpfer, der Berge ausreißen kann, trotz aller Kraft ist er seinem Herrn Rama treu ergeben. Die zwei Narasimha-Köpfe passen stilistisch zusammen, weil sie zeitlich aus einer Periode und auch vom gleichen Fundort stammen. Der Kopf einer Narasimha-Statue (Bild IV.8) wurde im Phimeanakas Tempel sichergestellt und wird jetzt im National Museum Siem Reap präsentiert. Das Kopffragment (Bild IV.9) wurde vom Autor im Königspalastgelände gefunden und fotografisch gesichert. Der Kopf mit erhobenem Armansatz war vermutlich Teil einer mannshohen Narasimha-Vollreliefstatue. Solche Statuen sind am Übergang von der Elefantenterrasse zum Ost-Gopuram des Königspalast-Geländes nachweisbar, sie stehen dort als Mauerverzierungen im Wechsel mit gleich hohen Garuda-Statuen. Die Entstehung der zwei erhaltenen Narasimha-Köpfe ist zeitlich in die 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts einzuordnen. Der König Suryavarman I. lebte und regierte bis 1050. Den Staatstempel Phimeanakas ließ er im Zentrum des noch heute ummauerten rechteckigen Königspalastareals errichten. Vom Königspalast selbst ist nichts erhalten geblieben. Alle nichtsakralen Gebäude, auch Königspaläste, wurden aus vergänglichen Materialien gebaut. Das Angkor Wat ist dem Gott Vishnu geweiht. Vishnu ist im Angkor Wat omnipräsent, wie in den vorigen Komplexen schon gezeigt wurde, ist er in verschiedenen Manifestationen zu entdecken. Auf einem dekorativen Fries über einer Fensterreihe auf der Innenseite vom Elefantentor sind mehrere Götter nebeneinander angeordnet. Die Götterparade (Bild IV.10) zeigt (nach Ansicht des Autors) durchweg den Gott Vishnu. Mit den auf Pferden reitenden Götterfiguren 3 und 4 (gezählt von links nach rechts) kann nur Kalki gemeint sein, die zehnte Inkarnation Vishnus. Kalki wird auf einem weißen Pferd erscheinen (Bild IV.11). Auf Kalki wartet die Welt. Die sehr schöne indische Farbzeichnung stellt Vishnus Manifestationen anschaulich nebeneinander, genau in der Reihenfolge, die von der oben zitierten WIKIPEDIA-Liste vorgegeben wird. Im Komplex V soll nur kurz der TRIMURTI gedacht werden. Drei Götter werden vereint dargestellt: Brahma, Shiva und Vishnu, also zwangsläufig erscheint Vishnu auf Bildwerken, die der Trimurti gewidmet sind. Trimurti meint ausschließlich die Triade Brahma – Shiva – Vishnu. Es gibt fürwahr berühmtere Beispiele als die Angkor-Trimurti, so beispielsweise auf der Insel Elephanta (Süd-Indien), doch in Angkor sind Trimurti-Bildwerke eher selten, als Raritäten sind die Trimurti-Darstellungen vom Bayon und Preah Pithu Tempel anzusehen (Bild V.1 & V.2). Die drei Prasat vom Phnom Bok Tempel in Angkor waren der Trimurti gewidmet. Jeder Turm war einer Gottheit vorbehalten. Die Köpfe der drei Götterstatuen aus dem Phnom Bok Tempel zeigt das Pariser Musée Guimet. Fotos der Gottheiten auf: https://en.wikipedia.org/wiki/Phnom_Bok Die Fotostrecke im Themenkomplex VI zeigt fünf Vishnu-Statuen aus verschiedenen Epochen, die alle im National Museum Siem Reap besichtigt werden können. Für Kunsthistoriker sind die Statuen im Vergleich mit den Reliefbildern sicherlich spannende Forschungsobjekte. Für Laien ist die Sicht auf die Statuen nicht minder reizvoll. Selbst dem ungeübten Betrachter fallen die Unterschiede der künstlerischen Ausführung auf. Haltung, Gestus, Gesichtsausdruck und Kleidung differieren stark. Das Nebeneinander der Bilder vermittelt auf einen Blick die Spannweite der Khmer-Bildhauerei, einen Abschnitt Kunstgeschichte von eminenter Tragweite, hier allerdings nur auf Vishnu bezogen. VI.1 Wat Prei Puoch, Thnal Totoeung, Kandal Provinz, Prä-Angkor-Periode, Phom Da Stil 6. Jh. VI.2 Trapeang Phong (Roluos) Prä-Angkor-Periode 8. Jh. VI.3 Chork Tempel Siem Reap Baphuon Stil 11. Jh. VI.4 Angkor Wat Tempel, Angkor Wat Stil 12. Jh. VI.5 Herkunft unbekannt, Bayon-Stil, spätes 12. Jh. bis frühes 13. Jh. Abschließend wird das ausladende Thema Vishnu in Angkor im Komplex VII noch durch zwei ungewöhnliche Manifestationen Vishnus ergänzt. Beide annähernd lebensgroßen Statuen werden im Musée Guimet präsentiert, es sind Prachtstücke der umfangreichen Pariser Khmer-Sammlung. Hayagriva: In dieser Inkarnation schenkt Vishnu vor allem Wissen und Weisheit. Der Gott mit dem Pferdegesicht bzw. Pferdekopf (Bild VII.1) wurde ursprünglich in Sambor Prei Kuk angebetet und heute in Paris angestaunt. Die Museumsbeschriftung vermeldet das 10. Jahrhundert und den Pre Rup Stil. Diese Angaben mögen für Kenner irritierend sein, denn die Tempel von Sambor Prei Kuk wurden mindestens dreihundert Jahre eher erbaut. Es ist folglich anzunehmen, dass die Tempel mehrere hundert Jahre weiterhin genutzt wurden, obwohl die Tempelstadt Isanapura=Sambor Prei Kuk (616 gegründet) im 10. Jahrhundert längst an Bedeutung verloren hatte. Möglicherweise wurden die Götterstatuen ausgetauscht bzw. dem religiösen Zeitgeist angepasst? Harihara: Shiva und Vishnu zu einer Gottheit vereint (Bild VII.2) Die selten schöne Statue aus dem Asram Maha Rosei im Phnom Da Stil aus dem 6.-7. Jh. wird als Glanzstück im Pariser Musée Guimet bewundert. Als der Khmer-König Jayavarman II. seinen Regierungssitz im 8. Jahrhundert nach Roluos verlegte, nannte er seine Hauptstadt Hariharalaya. Die linke Körperhälfte (im Bild rechts) ist dem Gott Vishnu zugewiesen, zu erkennen an der Kirimukuta (glatte Krone) und dem Chakra (Wurfscheibe). Nähere Erläuterungen zur Synthese der Gottheiten werden hier nicht gegeben, wichtig allein ist die Erwähnung Vishnus in dieser nicht oft anzutreffenden Konstellation. Anhang: Möglicherweise ist auf einem Tympanum vom Banteay Ampil Tempel der 3. Avatar Vishnus dargestellt: Varana – Rieseneber. Aus Mangel an Vergleichsbeispielen resultiert die Unsicherheit der Bestimmung. Jagdszenen auf einem Tympanum sind auszuschließen. Ähnlich zweifelhaft wie die Bestimmung des Vishnu-Varaha (Bild VII.4) verhält es sich mit der Deutung des Lintel (Bild VII.5) Es ist nicht auszuschließen, dass hier Vishnu-Narasimha den Dämon Hiranyakashipu tötet, somit also eine Darstellung der 4. Manifestation Vishnus zu sehen wäre. Vor Diebstahl und Schändung bewahrte Kunstschätze, so auch sichergestellte Vishnu-Garuda-Reliefs und Vishnu-Statuen können im Depot Angkor Conservation in Siem Reap besichtigt werden. Drei Bilder (VII.6 - VII.8) sollen beispielgebend die Vielfalt im Depot belegen. Ins Depot wird kostenlos Zutritt gewährt, Spenden sind willkommen. Der Besuch, nicht nur wegen Vishnu, ist zu empfehlen. Die Besichtigung im Depot lässt sich mit dem gegenüber auf der anderen Seite des Siem Reap River liegenden Wat Preah An Kau Saa kombinieren, dort kann der schmale Vishnu-Lintel (Bild II.4) am Originalstandort angeschaut werden. Schlusswort: Ein umfangreiches, kaum zu erschöpfendes Thema wurde angerissen. Bilder wurden vorgeführt und nach bestem Wissen kommentiert. Eine Übersicht zum Thema Vishnu in Angkor steht vor den Lesern. Kunsthistoriker könnten das Thema breiter auffächern, ihre Ausführungen auf Indien und andere Länder ausweiten, eventuell auch mit aussagekräftigerem Fotomaterial aufwarten. Wem aber sind wissenschaftliche Dissertationen zugänglich? Mit der hier vorgelegten faktenreichen Abhandlung, die sich vorrangig auf Angkor beschränkt, soll dem interessierten Publikum leicht verständliches Informationsmaterial in die Hand gegeben werden.
Hilfreich für den Autor waren folgende Bücher und Artikel aus dem Internet: Anneliese und Peter Keilhauer – Die Bildsprache des HINDUISMUS ISBN 3-7701-1347-0 Michael Freeman/Claude Jacques – ANCIENT ANGKOR ISBN 974-8225-275 Die Bhagavadgita übersetzt von Klaus Mylius 1. Auflage Reclam Band 814 Leipzig 1980 https://de.wikipedia.org/wiki/Vasuki https://de.wikipedia.org/wiki/Zhou_Daguan https://de.wikipedia.org/wiki/Vishnu https://de.wikipedia.org/wiki/Rama_(Mythologie) https://en.wikipedia.org/wiki/Kalki#/media/File:Dasavatar,_19th_century.jpg https://de.wikipedia.org/wiki/Harihara https://en.wikipedia.org/wiki/Phnom_Bok https://de.wikipedia.org/wiki/Wat_Ek_Phnom https://de.wikipedia.org/wiki/Suryavarman_I. Fotos: Günter Schönlein Fotos: III.11. & III.12. Vanessa Jones Fotos: I.10 & I.11. Birgit Schönlein Foto: IV.6. Dashavatara, gemeinfreies Foto aus dem Internet Text: Günter Schönlein, außer gekennzeichnete WIKIPEDIA-Zitate Korrektur: Vanessa Jones
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Autor Günter Schönlein
Auf meinen bisher acht Reisen nach Kambodscha habe ich viele Khmer-Tempel photographisch dokumentiert. Mit Pheaks Hilfe suchte ich auch viele schwer zu findende entlegene Tempel auf. In diesem Blog möchte ich meine dabei erworbenen Eindrücke und Kenntnisse gerne anderen Kambodscha-Liebhabern als Anregungen zur Vor- oder Nachbereitung ihrer Reise zur Verfügung stellen. sortiert nach Themen:
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Der Blog enthält sowohl Erlebnis-Reiseberichte als auch reine Orts- und Tempel-Beschreibungen, siehe Kategorien "Persönliches" und "Sachliches" in der Liste von Tags oben, sowie eingestreute Beiträge zu anderen Reiseländern und Themen.
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