In dem Buch "Art & Architecture of Cambodia" von Helen Ibbitson Jessup, erschienen im Jahr 2002 bei Thames & Hudson London, ist auf den Seiten 132/133 ein schöner Türsturz abgebildet. Das herrliche Foto schuf der australische Fotograf John Gollings. Aus urheberrechtlichen Gründen kann das Foto nicht gezeigt werden. Es handelt sich um einen Lintel aus dem Prasat Pen Chung, dieser unbekannte (wahrscheinlich verlorene?) Tempel muss in der Region Kompong Thom zu suchen sein. Die Bildunterschrift lautet: "The undulating and swirling movement of foliate motifs transmogrifying into demon's bodies and swinged creatures encloses the depiction of Krishna dancing on the evil serpent Kaliya, whom he has torn apart as punishment for poisoning the water of the Yamuna River." Der vom Google-Übersetzerprogramm maschinell generierte ins Deutsche übertragene Text lautet: Die wellenförmige und wirbelnde Bewegung von Blattmotiven, die sich in Dämonenkörper und schwingende Kreaturen verwandeln, umschließt die Darstellung vom Krishna, der auf der bösen Schlange Kaliya tanzt, die er als Strafe für die Vergiftung des Wassers des Yamuna-Flusses zerrissen hat. Erst im Abbildungsverzeichnis am Ende des oben erwähnten Buches findet sich der Vermerk, dass besagter Lintel im National Museum Phnom Penh ausgestellt wird. Eben dieses besondere Lintel-Motiv fiel dem Autor schon bei seiner ersten Visite 2014 im National Museum Phnom Penh auf, wobei bedauerlicherweise der Fokus der Kamera nur auf das Zentralbild gerichtet blieb. Die Wiederbegegnung mit dem Kunstwerk im Jahr 2022 hinterließ einen faden Nachgeschmack. Die Präsentation selbigen Khmer-Kunstwerks im Museum entsprach im Februar 2022 mitnichten dem wahren Wert dieses Lintel (Bild 1.3. & 1.4). Offenbar haben Tauben unter dem innenhofseitigen hölzernen Überdach des Museums eine Wohn- und/oder Schlafstatt gefunden. Tauben hinterlassen viel Dreck, der im öffentlichen Raum keineswegs willkommen ist und an Gebäuden und Steinen – hier an Kunstwerken – nicht nur Spuren, sondern auch ernsthafte Schäden hinterlässt. Mag sein, dass zwischenzeitlich der missliche Zustand abgestellt wurde, aber im bedeutendsten Kunstmuseum Kambodschas derartige Situationen überhaupt aufkommen zu lassen, zeugt, bei allem Respekt gegenüber der buddhistischen Achtung für das Leben jeglicher Kreatur, von geringer Sachkenntnis ob des unwiederbringlichen Wertes der Kunstwerke. Einerseits werden die Statuen und Reliefs im Haus buchstäblich gehütet wie die eigenen Augäpfel und andererseits wird sorglos über leicht zu verhindernde Beschädigungen hinweggeblickt. Taubenkot ist Gift für die kostbaren Reliefs. Kunstliebhaber aus aller Welt werden kopfschüttelnd meiner Kritik beipflichten. Tatsächlich existieren in Kambodscha und in namhaften Museen der Welt noch (!) viele Türstürze aus den besten Jahren der Khmer-Dynastien, doch die wenigsten sind völlig unversehrt. Jedes Relief, jeder Lintel ist einmalig, unwiederbringlich und also wertvoll. Das Motiv (Bild 1) lässt sich leicht entschlüsseln, sofern man die Bhagavatapurana gelesen hat. Im 10. Gesang steht die entsprechende Episode aus dem Leben des jungen Krishna geschrieben. Kurz erzählt, geht die Geschichte so: Krishna lebt in einer fruchtbaren Aue am Yamuna-Fluss. Gemeinsam mit seinem Bruder und anderen Jungen genießen sie unbeschwert die Zeit der Jugend. Balarama, Vishnus Bruder, fällt unversehens ins Wasser. Krishna, in der Absicht ihn zu retten, springt ihm nach. Unvermittelt taucht Kaliya, ein Schlangendämon auf, der erbost sein Reich verteidigt und Krishna zu vernichten versucht, in dem er seinen Schlangenleib um Krishna mannigfach windet. Krishna, dem Tode nah, bläht sich auf, entkommt der Umschlingung, woraufhin sich der vermeintlich todgeweihte Krishna zum Sieger erhebt, indem er tanzend die giftschäumenden Schlangenhäupter Kaliyas unermüdlich mit Füßen niedertritt, wodurch der Dämon ermattet und alsbald der Unterlegene sein wird. Des Dämons Frauen erbitten Gnade. Vishnu tötet Kaliya nicht, lässt Gnade walten, verbannt aber den Dämon in die Tiefen des Ozeans. Der Schlangendämon ist verschwunden, der Yamuna entgiftet, unbesorgt können die Menschen wieder am Fluss leben. Angeblich sei sich der junge Krishna durch diese Tat erstmals seiner Gotteskraft und seiner Sendung bewusst geworden. Auf dem Relief (Bild 1) ist Krishnas Siegeskampf gegen Kaliya überzeugend dargestellt, immer ist auch an Vishnu zu denken, denn Krishna ist eine Verkörperung/Erscheinung Vishnus. Mit Händen und Füßen wehrt der junge Gott die todbringenden Köpfe des Dämons ab. Garuda, Vishnus Reittier hält sich in unmittelbarer Nähe seines Herrn gleich in doppelter Erscheinung auf, obwohl Garuda aus gottgegebenen Gründen das Umfeld Kaliyas meiden muss. Bemerkenswert ist die enge, unlösbare Verbindung zwischen Kaliya und den Makaras, aus deren Mäulern der Schlangendämon förmlich heraus gespien in Erscheinung tritt (Bild 1.4 unten). Diese auf Khmer-Reliefs häufig anzutreffende Personalunion zweier Wasserwesen, die im weitesten Sinn den Dämonen zuzurechnen sind, lässt sich schwer erklären. Der oder die Makaras scheinen ohne die Nagas (hier: Schlangendämon Kaliya) nicht auszukommen bzw. die Schlangen bedürfen der Makaras, um leben zu können. Die mythologisch unterfütterte Symbiose beider Wesen ist mit rational orientiertem Verstand nicht zu erfassen. Ohne Fachlektüre, hier sei an Heinrich Zimmers Buch Indische Mythen und Symbole gedacht, werden Laien nicht auskommen. Heinrich Zimmer hat wie kaum ein anderer Nicht-Inder den Sinngehalt der indischen Mythen verstanden und verständnisreich im Kontext zu europäischen Denkweisen gedeutet, ohne dabei in den oft lästigen professoralen Duktus zu verfallen. Nicht allzu häufig auf Khmer-Türstürzen findet sich das Krishna-Kaliya-Motiv, dennoch gelang es einige ansehnliche Reliefs aus diesem Themenkreis ausfindig zu machen. Aufmerksame Besucher werden den Krishna-Kaliya-Türsturz im Prasat Preah Vihear mitnichten übersehen. Der in der nordöstlichen Grenzregion zu Thailand gelegene Bergtempel kann mit einigen sehr prägnanten Türstürzen aufwarten. Ein gut erhaltener Lintel zeigt die typische Szene: der sechsköpfige Kaliya wird vom tanzenden Krishna spielend in Schach gehalten (Bild 2). Am Baphuon Tempel in Angkor Thom haben sich Dutzende Reliefkacheln erhalten, die zyklisch zueinander gehören und Episoden aus der Mahabharata und dem Ramayana wiedergeben. Das Relief (Bild 3) zeigt nicht nur den Kampf Krishnas gegen den Dämon, dem Bildhauer war daran gelegen, auch das natürliche Umfeld, in dem sich die erzählte Handlung abspielt, zu schildern. Stufen führen hinab zum Wasser. Zu sehen ist ein beidseitig steingefasstes Flussbett, gemeint ist der Yamuna, an welchen Krishna und seine Gefährten leben. Mit Hirten und Tieren befand sich Krishna in friedvoller Eintracht. Die Frau (am linken Ufer) und der Mann (am rechten Ufer) könnten seine Eltern sein, die besorgt das Treiben ihres Sohnes verfolgen und den Sieg des göttlichen Sohnes ahnen, wenn nicht schon wissen. Ungewöhnlich hebt sich Krishnas Kampfhaltung von den bisher gezeigten Posen ab. Krishna scheint auf Kaliya zu reiten, nur mit den Händen wehrt er die Schlangenköpfe ab. Auch sein Kopfschmuck ist schon göttlicher Art, er trägt eine Krone. Die symmetrische Bildgestaltung erzeugt beruhigende Harmonie in der Vorstellung der Betrachter. Je zwei Tiere, ein Mensch und ein Baum rahmen das Zentralgeschehen. Auf keinem Türsturz sind das soziale Milieu und der natürliche Lebensraum, in welchem Krishna aufwuchs, so für jedermann klar verständlich dargestellt, wie auf der Baphuon-Reliefkachel (Bild 3). Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist dieses Relief nicht nur selten, sondern wahrscheinlich einmalig. Der Baphuon Tempel wurde in der Mitte des 11. Jahrhunderts erbaut, somit ist das Relief das vermutlich älteste der zu diesem Themenkreis vorgestellten Belegbeispiele. Alle anderen Krishna-Kaliya-Reliefs stammen aus dem späten 11. und dem frühen 12. Jahrhundert. Das jüngste Exemplar zu dieser Thematik stammt aus dem Beng Mealea Tempel (Bild 4). Den Beng Mealea Tempel umgeben riesige Steinberge, die durch Zerstörung entstanden sind. Ausgewählte besondere Reliefs werden als geborgene Einzelstücke zu ebener Erde präsentiert, so auch der sehenswerte Türsturz (Bild 4). Das Kampfgeschehen wirkt im Vergleich zum Baphuon Relief dynamisch gesteigert, denn Krishnas rechtes Bein umklammert den Schlangenleib fest, das linke Bein drückt die andere Hälfte des Dämons kraftvoll nieder. Krishna tritt auf dieser ebenso wie auf der vorherigen Darstellung bekrönt auf (Bild 4.1). Der Bergtempel Phnom Chisor, gelegen in der Provinz Takeo, kann als das südliche Pendant zum nördlichen Prasat Preah Vihear gesehen werden. In beiden Tempel sind sowohl Vishnu- als auch Shiva-Motive präsent. Leider ist der Chisor-Lintel im unteren Bereich beschädigt, dennoch gilt es einige Besonderheiten an diesem Türsturz hervorzuheben (Bild 5). Krishna kämpft rittlings gegen Kaliya, hier durchaus dem Relief vom Baphuon Tempel vergleichbar (Bild 3). Anders jedoch die Kopfbedeckung, hier trägt Krishna einen typischen Khmer-Kopfschmuck, der oft auch den Gott Shiva kennzeichnet. Obwohl fast verloren und kaum noch zu erkennen, spielt sich der Kampf über Kala (Kirtimukha) ab. Die enge Verbundenheit zwischen Kala und den Nagas lässt sich auf ungezählten Reliefs nachweisen, umso erstaunlicher und ungewöhnlicher, dass hier die floralen Stränge nicht in Schlangenköpfen enden, sondern als Hamsa ausgeführt sind (Bild 5 außen links und außen rechts). Die Hamsa gelten als heilige Gänse, sind Symbole der Reinheit und auch Reittiere des Schöpfergottes Brahma. Allgemein gültig ist folgende Lehrmeinung: treten Reittiere in Erscheinung, sind auch die jeweiligen Gottheiten zumindest indirekt anwesend. Mit dem Buckelstier Nandi wird Shiva assoziiert, tritt Garuda auf den Plan, wird automatisch an Vishnu gedacht und ähnlich wird es sich mit Brahma verhalten, der sich durch den Hamsa manifestiert. Das unbekannte, leider nicht bezeichnete und vermutlich wenig beachtete Krishna-Kaliya-Akroterion, vor Jahren noch im alten Provincial Museum Battambang ausgestellt, muss als Ausnahmewerk angesehen werden. Der im Grundriss quadratische, hohe Steinblock ist zweiseitig bearbeitet und zeigt dennoch nur ein Motiv. Gleich ob von links, von der Mitte oder von rechts betrachtet, es ist nur Krishna auf Kaliya zu sehen. Was sonst auf einem Relief (mehr oder weniger gehöht) flächig gezeigt wird, ist hier räumlich erfasst, wobei ein vollplastischer Eindruck hervorgerufen wird. Sowohl Kaliya als auch Krishna springen fast aus dem Stein hervor. Der in sich verwundene Schlangendämon wird von der Last seines Gegners niedergedrückt. Die Pose des Siegers zeichnet den Gott aus. Den Stolz und das Selbstbewusstsein, den Krishna als Bezwinger Kaliyas empfunden haben muss, können wohl kaum überzeugender gestaltet resp. zum Ausdruck gebracht werden. Bisher wurden nur Khmer-Bildwerke zur Krishna-Kaliya-Thematik vorgestellt. Abschließend soll ein Relief vom Prambanan Tempel belegen, dass die Krishna-Geschichte schon Mitte des 9. Jahrhunderts den Bildhauern auf der Insel Java bekannt war (Bild 7). Der um 850 erbaute Candi Prambanan ist die größte hinduistische Tempelanlage im heutigen Indonesien. Sechs Haupt-Prasat sind jeweils einem Gott gewidmet. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass dem Gott Vishnu (resp. Krishna) ein Prasat und seinem Reittier Garuda ein separater Prasat dediziert wurde. In weiteren Tempeln werden die Götter Shiva und Brahma verehrt. Das auf den ersten Blick unscheinbare Krishna-Relief unterscheidet sich von den Khmer-Reliefs erheblich. Der Kampf zwischen den Kontrahenten findet im Wasser statt. Hohe Wellen und ein Fisch markieren den Schauplatz Yamuna. Der Kampf ist zwar noch nicht entschieden, aber die Überlegenheit Krishnas ist unverkennbar. Der Mensch am Flussufer (auf einer Steinstufe stehend) könnte Krishnas Bruder, sein Vater, ein Spielgefährte oder ein Hirte sein. Wer auch immer gemeint ist, dieser Mensch ermutigt Krishna auszuhalten. Siegesgewissheit und Freude stehen diesem Menschen ins Gesicht geschrieben. Der hier vorgelegte Artikel zum Krishna-Kaliya-Motiv kann nur als Versuch einer Annäherung zu dieser speziellen Thematik gelesen werden.
Zum besseren Verständnis der Thematik werden die Kapitel II und III (Seite 29 – 136) aus dem Buch Indische Mythen und Symbole Vishnu, Shiva und das Rad der Wiedergeburten von Heinrich Zimmer empfohlen Diederichs Gelbe Reihe Eugen Diederichs Verlag Köln 1984 (2. Auflage) ISBN 3-424-00639-9 Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones
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Wir kennen INDRA als majestätische Erscheinung auf seinem dreiköpfigen Elefanten Airavata. Kaum vorstellbar: die mächtige Stellung des Gottes INDRA war nicht dauerhaft unangefochten. Er hatte Feinde. Im Kampf unterlag er INDRAJIT, richtig geheißen Meghananda, der war ein Sohn des Dämonen Ravana. INDRAJIT, ein Beiname Meghanandas, bedeutet Überwinder Indras. Vater und Sohn (Ravana und Meghananda) kämpften gegen Indra und siegten. Indra wurde gefesselt und nach Lanka verschleppt. Der Sieg gelang wohl nur, weil Meghananda die Fähigkeit besaß, sich unsichtbar machen zu können, diesen Vorzug hatte er Shiva zu verdanken. Unter der Führung Brahmas wollten die Götter Indra befreien. Indrajit forderte von den Göttern Unsterblichkeit, die konnte ihm keiner verleihen, doch die Götter versprachen ihm Unbesiegbarkeit. Fortan lebte Indra wieder unter seinesgleichen: inmitten von Göttern. Die ausführliche Erzählung dieses weit verflochtenen Geschehens fand seinen Niederschlag im Epos RAMAYANA, dieses Heldenlied muss den Khmern genau so vertraut gewesen sein, wie es noch heute die Vielzahl aller Inder kennen. So nimmt es kaum Wunder, dass Szenen aus dem Ramayana ihren Niederschlag in der Reliefkunst der Khmer fanden, denn das Epos hat zu keiner Zeit Einbußen seiner Popularität erlitten. Das Motiv des gefesselten INDRA ist leicht zu erkennen. Eingeschlossen liegt der Gott als verschnürtes Menschenpaket in einem engen Verließ (Kerker), entkommen scheint unmöglich. In den darüber angeordneten Reliefregistern sitzen Menschen (mittleres Register) und Götter (oberes Register), die für sein Heil beten. Auf göttliche Hilfe wird gehofft. Bei näherer Betrachtung der Darstellungen ist die starke Betroffenheit der Götter und Menschen, als auch der Truppen Hanumans (Affenheer) deutlich erkennbar, die nicht zuletzt aus deren Ratlosigkeit resultiert. Ihr Gott, das Idol, scheint rettungslos verloren. Die vermeintlich ausweglose Situation ist auf dem Beng Mealea-Tympanum eindrucksvoll erfasst. Solche Bilder gehen zu Herzen, sie sprechen wortlos zu den Menschen, sofern ihnen die Mythen vertraut sind. Der Baphuon Tempel (gelegen in der Stadt Angkor Thom) ist in mehrfacher Hinsicht von eminenter Bedeutung. Nicht nur seine Größe und pyramidale Schichtung beeindrucken, auch die Vielfalt der einmaligen Reliefs faszinieren die Besucher, sofern sie eine Detailbetrachtung der kleinteiligen Reliefs nicht scheuen. An keinem anderen Angkor-Tempel lässt sich die am Baphuon vorhandene ausführliche zyklische Geschlossenheit, welche in der narrativen Wiedergabe des Ramayana-Epos gipfelt, nachweisen. Die hier vorgestellte kleinformatige Reliefkachel komprimiert bzw. reduziert das oben beschriebene Motiv auf den Aspekt der Trauer. Die Affen, hier wohl die engsten Vertrauten Hanumans, sitzen und hocken mit gesenkten Köpfen ratlos und vorerst untröstlich bei dem Gefesselten. Am Bakong Tempel (Roluos) sind die Tympana-Reliefs am nachträglich dem Pyramiden-Tempel aufgesetzten Prasat weniger auffällig, was nicht zuletzt mit ihrem schlechten Erhaltungsgrad zu tun haben mag. Ohne Erklärung sind sie für Laien kaum lesbar. Immerhin lässt sich an einem der vier Tympana das hier relevante Indra-Motiv noch recht gut erkennen. Der gefesselte Gott liegt am Boden. Affen umgeben ihn. Das in drei Bildregister geteilte Tympanum greift wiederum die bewegende Trauerszene auf. Im oberen Register über dem Erdengeschehen findet eine kampfähnliche Begegnung (?) statt, mehr vermag der Autor in der leider nur bruchstückhaften Reliefpartie nicht zu erkennen. Die Dramatik und Intensität des erwähnten Kampfes auf der Insel Lanka sind auf einem weiteren Beng Mealea-Tympanum anschaulich in Szene gesetzt. Ohne Registergliederung weitet sich die Kampfszenerie raumgreifend über die gesamte Bildfläche des Tympanums. Weit oben ist ein Tempel zu erkennen, in dem wohl Rama und Sita Zuflucht gesucht haben . . . auch das bloß eine Vermutung. Die Schlacht auf Lanka ist ein von Khmer-Bildhauern häufig aufgegriffenes Bildmotiv. Mehrere Darstellungen dieser sehr bewegten unmissverständlichen Szene finden sich beispielsweise auf Reliefs im Preah Khan Tempel oder im Angkor Wat. Weniger oft (und vom Autor bislang nur in Beng Mealea gesehen) ist die Feuerprobe Sitas auf Khmer-Reliefs wiedergegeben. Auch Sita wurde nach Lanka verschleppt und mit Hilfe Hanumans befreit. Rama tötet Ravana. Sita ist gerettet, doch Rama zweifelt die Treue Sitas an. Rama fordert eine Feuerprobe, sollte Sita vom Feuer unbescholten überleben, wäre dies ein Beweis ihrer Treue: Misstrauen gepaart mit blindwütiger Eifersucht begegnet bedingungsloser Treue. Sita, die liebende Frau, scheut das Feuer nicht. Sie vertraut auf Agni, den Gott des Feuers, der würde sie behüten. Das lodernde Feuer kann Sita nichts anhaben. Unversehrt schwebt sie über den Flammen. Sita war sich ihrer tugendhaften Reinheit bewusst. Ihr Vertrauen auf den Schutz der Götter ist unermesslich. Kurz nur einige Fakten zu Sita: schon in den Veden (altindische Überlieferungen) wird diese Frau erwähnt. Sita sei eine Tochter der Erdgöttin Bhudevi. Sita wird als Göttin der Fruchtbarkeit angebetet und gilt zu vedischen Zeiten als Gattin Indras. Im Ramayana erscheint sie als treue Gattin Ramas. Rama wiederum gilt als siebente Inkarnation Vishnus, folglich ist Sita eine Verkörperung Lakshmis. Im Beng Mealea Tempel muss ein Ramayana-Reliefzyklus existiert haben, einige Reliefs, die inhaltlich zueinander gehören, belegen diese Annahme. Der ruinöse Zustand des Tempels verhindert die lokale Zuordnung der Bilderfolge. Die zyklische Aneinanderreihung und folgerichtige Betrachtung der Reliefs ist nicht mehr möglich, aber auserlesene Reliefs (einzeln betrachtet) bestätigen den besonderen Status, den Vorrang und die Wertigkeit, den das Ramayana für die dekorative Ausgestaltung, sprich: der religiösen Ausrichtung des Tempels hatte. In diesem Kontext muss auch das Agni-Tympanum verstanden werden. In den Veden wird Agni als Gott des Feuers gelobt. Indra, Vayu und Agni wurden als Göttertriade angebetet. Das Feuer (die Flammen) gelten als Erscheinung Agnis auf Erden. Das Agni-Tympanum vom Beng Mealea Tempel kann im Kontext zu den anderen Ramayana Reliefs registriert werden. Alle hier gezeigten und versuchsweise gedeuteten Reliefs sind als Huldigung an die Götter entstanden und dienen gleichzeitig für die Menschen als Bildvorlage zum Gebet. Selbstverständlich können alle Reliefs auch als grandiose Dekorationen der Außenwände betrachtet, als Kunstwerke verstanden und von Objekt zu Objekt einzeln bewertet werden.
Zieht man den Vorrang der Ramayana-Reliefs in Betracht, so muss Beng Mealea als ein dem Gott Vishnu geweihter Tempel angesehen werden, ein Faktum, welches bei diesem Tempel auf Grund seiner Größe und mehr noch seiner Einmaligkeit doch recht leichtfertig außer Acht gerät. Abschließend noch zwei Sätze: der Titel zum Artikel lautet INDRAJIT, doch auf keinem Relief findet sich INDRAJIT abgebildet. Der Sohn Ravanas wird nicht gezeigt, allein die Leiden des INDRA und der Kampf um SITA, deren Befreiung und deren Reinheit sind Darstellungen wert. Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones Das Sanskrit-Substantiv Hayagriva bedeutet der "Pferdeköpfige". Hayagriva bezeichnet eine der weniger bekannten Erscheinungsformen des Gottes Vishnu. Sowohl Hindus als auch Buddhisten beten die pferdeköpfige Gottheit an, wobei die buddhistische (tantrische) Version mit dem Vishnu der mythologischen (indischen) Überlieferung nichts gemein hat. Wer als Hindu Hayagriva anruft, hofft auf Wissen und Weisheit, das sind erstrebenswerte Eigenschaften, die Vishnu als Hayagriva zu übertragen vermag, so das ungebrochene Gottvertrauen. Neuere Bilder von Hayagriva, meist Zeichnungen, sind öfters zu sehen als klassische Statuen oder Reliefs des Pferdegottes. Das zartgetönte Aquarell veranschaulicht eine markante Hayagriva-Szene: der hier vierarmige "Pferdeköpfige" überreicht dem Gott Brahma die Veden, welche er in einer der Unterwelten (Rasatala) geborgen und zurückgeholt hat. In den asiatischen Abteilungen der Museen aller Welt sind hunderte asiatische Götterstatuten zu bewundern, doch nur wenige Gottheiten mit Pferdekopf werden präsentiert, ihre Zahl ist so gering, dass man geneigt ist, sie fast als Ausnahmen zu betrachten. Im Kontext der anderen Gottheiten muss ihr Erscheinungsbild ungewöhnlich genannt werden. Das Pariser Musée Guimet zeigt eine ausdrucksstarke Hayagriva-Statue, sie ist neben der berühmten Durga (National Museum Phnom Penh) eine der wenigen bekannten Statuen aus der Tempelanlage Sambor Prei Kuk. Zeitlich ist die Hayagriva-Statue ins frühe 7. Jahrhundert einzuordnen. Majestätisch aufrecht stehend, doch nicht furchteinflößend blickt der lebensgroße Vishnu auf die Menschen herab. Die unglaublich gediegene Arbeit überzeugt auf den ersten Blick. Gelungen ist die harmonische Verbindung von Menschenkörper und Pferdekopf, hier ist eine Synthese erreicht, die alle scheinbaren Widersprüchlichkeiten eliminiert und die Gottheit in der denkbarsten Natürlichkeit vorstellt. Nicht weniger beachtenswert ist der Kontrast zwischen der sorgsam geglätteten Hautoberfläche und der filigran ziselierten Krone. Beim Anblick dieser Statue werden alle Zweifel ausgeräumt: so, nur so und nicht anders muss der Gott Hayagriva ausgesehen haben. Selten baut sich eine personifizierte Gottheit überzeugender und glaubhafter als Statue vor den Menschen auf. Das weibliche Pendant zu Vishnu bildet Lakshmi. Vishnu und Lakshmi gehören zusammen, wie auch Shiva und Parvati untrennbar verbunden sind. Der Museumskatalog vom The Art Institute Chicago bezeichnet die im 11. Jahrhundert in Uttar Pradesh oder Madhya Pradesh (Indien) entstandene Sandstein-Statue als sitzende pferdeköpfige Yogini mit Kind. Yogini hin oder her, wir blicken mit großer Sicherheit auf Shri Lakshmi in ihrer Manifestation als Hayagriva. Leider ist keiner der vier Arme erhalten, der eines der göttlichen Attribute vorwiese, welches ihre Identität bestätigen würde. In der Gestalt mit Pferdekopf erscheint Lakshmi auch im Kanon der sieben Mütter (Sapta Matrika). Die verschiedenen Erscheinungen Vishnus lassen sich in der Khmer-Kunst mannigfaltig nachweisen, doch nach Hayagriva-Reliefs müssen Kunstliebhaber in Angkor sehr intensiv Ausschau halten. Bisher gelang es dem Autor nur kleinformatige Hayagriva-Darstellungen ausfindig zu machen. Kein Lintel, kein Tympanum, welches Hayagriva dominant präsentiert, wird in den Museen Kambodschas ausgestellt. Die geringe Popularität der Gottheit bestätigt gleichsam den Seltenheitswert der wenigen Hayagriva-Reliefs an Khmer-Tempeln. Der Mythos vom Dämon Ravana, der erfolglos am Berg Kailash, der Götterwohnung von Shiva und Pavati, rüttelt, (kunstgeschichtlich als Ravananugraha bekannt), wird sehr anschaulich auf einem Tympanum vom Banteay Srei Tempel abgebildet. Im unteren Bildregister wütet der übergroße Ravana, seine zehn Köpfe ragen ins zweite Bildregister hinein. Erschrocken laufen Tiere davon, wenden sich ab, verlassen den Wirkungskreis des Dämons. Mit Befremden nehmen im zweiten Register die von zwei Affen (Sugriva und Valin?) flankierten Götter Narasimha, Ganesha, Garuda und Hayagriva Ravanas vergebliche Anstrengungen zur Kenntnis. Gebet scheint das Mittel, um dem Drängen Ravanas Einhalt zu gebieten. Manche Autoren meinen, hier seien Ganas mit Tiergesichtern abgebildet. Die Weisen im dritten Register vertrauen auf Shiva, der im oberen Register thront und von dort aus mit Gelassenheit die Dinge geschehen lässt. Seine Kraft und sein Status verleihen ihm Ruhe und die Gewissheit des Sieges, während Parvati verängstigt nach unten schaut. Der kunstvoll gestaltete oktogonale Türpfeiler vom Prasat Bakong muss mit der aufwendigen Vermischung von floralen Bildelementen und Götterdarstellungen als stilistische Höchstleistung der Roluos-Dekorationen eingeschätzt werden. Die vergrößerten Bildausschnitte der Pfeilerflächen lassen eindeutig den pferdeköpfigen Gott hervortreten, etwas gewöhnungsbedürftig muten allerdings die geflügelten Arme an. Da beide Hayagriva-Darstellungen geringfügige Differenzen aufweisen, kann jeder Betrachter für sich entscheiden, ob die Unterschiede zufälliger Natur sind oder bewusst als gestalterisches Element eingesetzt wurden. Nicht auszuschließen ist die Möglichkeit, dass mit der doppelten Wiedergabe der weibliche und männliche Hayagriva-Aspekt betont werden sollte. Die Formungen der Körperpartien suggerieren vorrangig den weiblichen Aspekt. Der Bakong Tempel wurde 881 eingeweiht. Knapp 90 Jahre später, im Jahr 967 wurde der Banteay Srei Tempel eingeweiht. Der Zeitabstand von weniger als 100 Jahren lässt die stilistischen Unterschiede der Hayagriva-Darstellungen aufscheinen. Während Hayagriva am Bakong Tempel eher beiläufig als Randmotiv auf einem Türpfeiler zu sehen ist, findet sich Hayagriva im Banteay Srei Tempel unübersehbar auf dem beschriebenen Tympanum wieder. Das National Museum Phnom Penh besitzt eine in Kuk Trap geborgene 135cm hohe Skulptur einer Pferdekopf-Gottheit aus dem 7. Jahrhundert, hier als "Vajimukha" benannt, die leider im Rahmen der Dauerausstellung nicht zu sehen ist. Bild und Beschreibung dieser Statue sind abzurufen unter: http://www.art-and-archaeology.com/seasia/khmersculpture/ks03.html Dauerhaft präsentiert wird im National Museum Phnom Penh eine nicht näher bezeichnete Hayagriva-Statue, die (so meint der Autor) aus dem frühen 10. Jahrhundert stammen könnte. Obwohl das Gewand dieser Statue dem Sampot der Hayagriva-Statue im Musée Guimet Paris ähnelt, lässt sich die Kleidung der Phnom Penh-Statue am ehesten dem Bakheng-Stil zuordnen. Das Foto vom Torso aus dem Prasat Neang Khmau bekräftigt die stilistische Zuweisung ins 10. Jahrhundert. Claude Jacques verweist in seinem Buch ANCIENT ANGKOR auf eine Hayagriva-Darstellung am östlichen Gopuram I vom Banteay Srei Tempel und zeigt auch das passende Foto: "Durga, dancing on a bound demon in the form of a lion. Underneath, the lintel shows Vishnu as a horse, Hayagriva, clutching the heads of demons he has just slain." (Zitat S. 211) Vom Durga/Hayagriva-Relief ist kein Foto im Privatarchiv des Autors vorhanden.
Es mag in Kambodscha weitere Hayagriva-Reliefs und Statuen geben . . . dem Autor sind nur die wenigen hier vorgestellten Beispiele bekannt. Zusätzliche Informationen zu Vishnu-Darstellungen liefert der Artikel Vishnu in Angkor abrufbar in diesem Blog: https://www.angkor-temples-in-cambodia.com/schoumlnlein-blog/vishnu-in-angkor Verwendete Literatur: Claude Jacques/Michael Freeman: ANCIENT ANGKOR BOOKS GUIDES 2013 ISBN 974 8225 27 5 Das unter dem Originaltitel Hayagriva restoring Vedas to Brahma which were taken to Rasatala im Internet abrufbare und im Artikel verwendete Aquarell ist als Gemeinfrei gekennzeichnet. Die Fotos der Statuen aus dem Musée Guimet Paris, dem The Art Institute of Chicago, dem National Museum Phnom Penh und dem National Museum Siem Reap stammen vom Autor. Die Fotos vom Banteay Srei Tempel und vom Bakong Tempel stammen von Birgit Schönlein. Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones Kein Hindu bedarf zu Yoni & Lingam einer Erklärung. Für den Hindu verkörpert sich in dem steinernen Symbol die Gottheit schlechthin. Er sieht in Yoni & Lingam die weibliche und männliche Schöpferkraft vereint. Meist wird vom Shiva-Lingam gesprochen, ein Begriff, der den Gegenstand nur ungenau bzw. teilweise beschreibt, denn nur der Lingam (Phallus), der männliche Anteil der Skulptur steht in direktem Bezug zu Shiva. Die Yoni (Vulva, Vagina), der weibliche Anteil der Skulptur, dargestellt als flache Wanne, bezieht sich auf Shakti. Ausnahmslos Shiva und Shakti inkarnieren sich in Yoni und Lingam. Unzertrennlich also: Yoni & Lingam bzw. Shakti & Shiva, wenn einzeln vorhanden, dann durch Willkür auseinandergerissen. Über Jahrhunderte hinweg hat sich die Darstellung der Vereinigung weiblicher und männlicher Schöpferkraft nicht verändert, wurde lediglich dem Formempfinden der Stilepochen angepasst. In der Kunstgeschichte hat sich der Begriff Snanadroni etabliert, der im Regelfall unversehrte Exemplare dieser Gattung bezeichnet. Für keine anderen hinduistischen Gottheiten wurden jemals vergleichbare anikonische Darstellungen kreiert. Im National Museum Siem Reap (Bild 1) wird eine Snanadroni der Prä-Angkor-Periode präsentiert. Die zwei Teile der Skulptur, also die quadratische Yoni und der runde Lingam bilden eine untrennbare Einheit. An dieser Snanadroni ist zudem ein typisches Merkmal einer Yoni sehr gut zu erkennen: das Somasutra, zu Deutsch: der Wasserablauf. Die Lingams wurden täglich gereinigt und während der Rituale mit geheiligten Flüssigkeiten übergossen. Das Wasser (auch Milch oder Öle) flossen über das Somasutra in einen Ableitungskanal nach draußen und versickerten in der Erde. Um ein unkontrolliertes Überlaufen zu vermeiden, sind alle Yoni-Platten mit einem umlaufenden Rand versehen. Die leicht überhöhte Umrandung und der Ablauf kennzeichnen neben der Öffnung (den Öffnungen) zur Aufnahme des Lingams (der Lingams) den typischen Aufbau einer Yoni. Die beschriebenen Merkmale können an allen folgend vorgestellten Yonis festgestellt werden. Um die folgenden Ausführungen thematisch einzugrenzen, beschränkt sich die Bildauswahl auf Yonis und Lingams bzw. Snanadronis ausschließlich aus Khmer-Tempeln. Eine unversehrte Snanadroni, wie jene im Nationalmuseum Siem Reap gezeigte (Bild 1), kann in Sambur Prei Kuk nirgendwo am ursprünglichen Standort begutachtet werden. Nach genauerer Betrachtung ist auch der Lingam (Bild 3) nur als nachträglich gefertigter Ersatz für das verlorene Original zu erkennen. In Sambor Prei Kuk (vormals Isanapura), im 7. und 8. Jahrhundert Hauptstadt der Khmer, sind einige markante Yonis zu sehen. Trotz aller Verluste haben sich die Archäologen ernsthaft bemüht, die Vielfalt der Altäre in Sambor Prei Kuk wieder sichtbar zu machen. Zu unterschieden sind zwei Typen (Formen): die runde und die quadratische Yoni. Beiden Formen gemein ist, dass sie auf einem Sockel (Piedestal) liegen. Bemerkenswert ist die Auswahl bzw. Festlegung der jeweiligen Yoni-Form, denn diese korreliert mit einer bestimmten Tempelform. Runde Yonis (Bild 4 & 8) wurden in oktogonalen und quadratische Yonis (Bild 2, 6 & 9) wurden in rechteckigen bzw. quadratischen Tempeln aufgestellt. Ästhetische Leitlinien und sakrale Prinzipien scheinen eine verbindliche Gültigkeit besessen zu haben. Keiner der in Sambur Prei Kuk am Ort verbliebenen Altäre wurde aus einem Block gemeißelt, stets sind die Unterbauten aus mehreren Segmenten geschichtet. Zu registrieren sind einerseits vorrangig schlichte, glatt verbliebene Flächen (Bild 4) und andererseits sind aufwendige Muster an den Sockeln (Bild 3 & 7), auf denen die Yoni-Platten lagern, zu sehen. Sofern die leider nur in Fragmenten erhaltene Yoni (Bild 5) als solche zu identifizieren ist, dann zählte sie wahrscheinlich zu den größten und schönsten Yonis von Sambor Prei Kuk. Verschraubte Gerüststangen dienen als behelfsmäßiger Ersatz für den verlorenen Mittelteil. Die Verzierungen beider Platten lassen einstige Pracht ahnen. Ob diese Yoni tatsächlich einen Lingam umschloss oder die runden Teile möglicherweise nur den Sockel für eine Götterstatue bildeten, ist schwerlich zu ermitteln. In einigen Tempeln von Sambor Prei Kuk, das zumindest ist belegt, wurden keine Lingams, sondern Götterstatuen angebetet, es standen also Götterfiguren im Tempelraum. Lingas und Statuen reizten wohl von jeher die Sammler. Nicht eine der originalen Objekte sind in den Tempeln von Sambor Prei Kuk verblieben. Einige Statuen aus Sambor Prei Kuk werden im National Museum Phnom Penh und andere im Musée Guimet Paris präsentiert. Sowohl die Yonis als auch die Lingams wurden in Sambor Prei Kuk musterlos gestaltet. Auf jeglichen Schmuck wurde verzichtet, klare Formgebung dominierte. Die Fotos 11, 13 & 14 zeigen die verschiedenen Formen der Lingams, die in Sambor Prei Kuk und der umgrenzenden Region gefunden und geborgen wurden. Einer Sorte Lingams ist der Vierkantsockel (Bild 11 & 14) gemeinsam, hier fügt sich der viereckige Stein in die eckige Yoni-Öffnung ein. Die andere Sorte Lingams setzt sich durch die konische Passung im runden Yoni-Loch fest (Bild 13). Der Altartisch (Bild 10 & 12) stammt aus jüngerer Zeit, ist aber ein anschauliches Musterbeispiel für die Fertigung von Yoni und Piedestal aus einem Block. Die Vierkantöffnung ist als Aufnahme des Lingams gut zu erkennen. Der rötliche Sandstein bringt die abwechslungsreichen Muster besonders auffällig zur Geltung. Ehe die Machtzentren, sprich: die Staatstempel nach Angkor verlagert wurden, herrschten die Könige Jayavarman IV. und Harshavarman II. kurzfristig in Lingapura, heute als Koh Ker bekannt. Im Prasat Thom, einem größeren Komplex, steht neben anderen Tempelbauten auch ein einzelner auffällig hoher Ziegeltempel. In diesem Ziegelbau muss sich der Staats-Lingam befunden haben. Der aus Bruchstücken rekonstruierte Altartisch (Bild 15 & 16) zeigt noch im fragmentarischen Zustand die mächtige Öffnung der Yoni zur Aufnahme des Lingams (Bild 16). An den Außenflächen des Yoni-Sockels haben sich mittig angeordnet Garuda-Figuren befunden (Bild 15, Bildmitte). Die Erwähnung der hier unscheinbaren Garudas ist insofern von Belang, weil sich auf der oberen Ebene der Pyramide Prasat Prang (ebenfalls zum Prasat Thom gehörend) ein riesiger Lingam befand, dessen Yoni von mannshohen Garudas behütet wurde. Die Steingrube auf der Pyramide (das Innere der Yoni) hat sich erhalten. Der Lingam ist verschwunden, die Garuda-Statuen an den Außenflächen der Yoni sind noch gut zu erkennen. Garuda als Beschützer des Lingams – das ist ein interessanter Aspekt, weil Garuda üblicherweise mit Vishnu und nicht mit Shiva assoziiert wird. Innerhalb von Prasat Thom im mittleren westlichen Bereich stehen mehrere ansehnliche kleine Ziegeltempel. In einem dieser Tempel befindet sich eine rechteckige Yoni mit drei quadratischen Öffnungen (Bild 17). Es ist davon auszugehen, dass in dieser Yoni drei Lingams ihren Platz hatten. In der Stadt Lingapura, der Stadt der Lingas, war das Vorhandensein vieler Lingams durchaus legitim. Warum sollten nicht drei Lingams in einem Schrein angebetet werden? Zumal der Lingam-Kult der Stadt den Namen gab und im nördlichen Bereich der Stadt seinen unübersehbaren Ausdruck fand: zu sehen sind mehrere in Reihe erbaute Lingam-Tempel (Bild 18 – 20). Die Ausmaße der Yonis der Lingam-Tempel 1, 2, 3 & 4 sind in Koh Ker (von Prasat Prang abgesehen) nicht mehr übertroffen worden. Wuchtige Sockel, teilweise schön verziert, tragen die Yoni. Die wuchtig wirkenden, dennoch gedrungenen Tempel sind einzig als räumliches Behältnis für die überdimensionierten Snanadronis errichtet worden. Der wahrscheinlich größte Lingam auf dem Gebiet des heutigen Kambodscha kann auf dem Phnom Bok besichtigt werden. Westlich hinter der Tempelanlage ist ein separat gelegener Lateritbau (Bild 21) leicht zu finden. Drinnen liegt ein zerbrochener 1,20m dicker Lingam, seine Länge darf auf etwa 4m geschätzt werden (Bild 22). In Hariharalaya, einer weiteren Königsstadt aus der Prä-Angkor-Zeit, besser bekannt unter dem heutigen Namen Roluos, wurde der Prasat Bakong als Königstempel erbaut und lt. einer Inschrift 881 dem Gott Shiva geweiht. Außerhalb des Bakong Tempels rund um den breiten Wassergraben sind 20 kleine Schreine errichtet worden, die für Touristen kaum von Interesse sein dürften. In einigen der meist völlig verfallenen Bauten befinden sich noch die originalen Yonis (Bild 23 & 24). Auch in Roluos (resp. am Bakong) bestätigt sich, was im Zusammenhang mit Sambor Prei Kuk erwähnt wurde: Yonis sind teils noch vorhanden, aber sämtliche Lingams verschwunden. Die von König Yashovarman I. neu gegründete Hauptstadt hieß Yashodharapura, eine Inschrift verweist auf das Jahr 907. Im Staatstempel, dem Phnom Bakheng, einer riesigen Pyramide, wurde der Königs-Lingam verwahrt. Auf der oberen Pyramidenebene standen fünf Schreine in Quincunx-Stellung. Der mittlere (größte) Schrein beherbergte den Lingam. Der Schrein steht, vom Lingam keine Spur. Aus einem der ringsum zerstörten, nunmehr offenen Schreinen ragt aus einer mittelgroßen Yoni ein Lingam heraus (Bild 25). Zu Fuße der Pyramide standen 44 kleine Ziegel-Tempel, fast alle befinden sich im desolaten Zustand. Die Sakral-Requisiten, also Yoni und Lingam sind aus fast allen Tempelräumen entfernt und neben den Tempeln abgestellt oder geraubt worden. Auch unter dem neuen König in der neuen Regierungshauptstadt hat sich an der Grundform der Snanadroni nichts verändert (Bild 25 & 26). Nördlich des Phnom Bakheng wurde eine steile Laterit-Pyramide errichtet. Dieser Tempel, der Prasat Baksei Chamkrong wurde 947 dem Gott Shiva dediziert. Auf der oberen Ebene ruht ein stattlicher Ziegelprasat. In diesem Ziegelbau lagert am Boden in eine Ecke verschoben das Fragment einer Yoni, deren Aussehen Rätsel aufgibt. Die Yoni sieht neu aus, ist dennoch zerbrochen, ihr scheint ein Drittel zu fehlen, wie sonst wäre die fehlende Umrandung an der Schmalseite zu erklären. Es müssen sich drei Lingams in der Yoni befunden haben bzw. müssen drei quadratische Öffnungen vorhanden gewesen sein. Zwischen den Prasat Baksei Chamkrong und den südlichen Wassergraben der Stadt Angkor Thom schiebt sich das Tempelensemble Prasat Bei, zu dem auch der unscheinbare Prasat Sak Kroap zählt. Obwohl der Tempel selbst weitgehend zerstört ist, sind Yoni & Lingam in dem kleinen Tempel am Originalstandplatz verblieben (Bild 28 & 28.1). Die Stadt Angkor Thom wurde durch den König Jayavarman VII. buddhistisch geprägt. Er integrierte vorhandene Tempelbauten in seine Bauprojekte der neuen Stadt. Als spektakulärster zu Ehren Buddhas erbauter Tempel muss der Bayon gelten. Gesichter-Türme, die den Bodhisattwa Lokeshvara zeigen, beherrschen das Erscheinungsbild der Tempelanlage. Nach dem Ableben Jayavarman VII. wurde der Bayon Tempel umgewidmet und mit hinduistischen Requisiten ausgestattet, deshalb finden sich, wenn auch an ziemlich unauffälligen Orten mehrere Yonis. Zwei quadratisch geformte Yonis zeigen die Bilder 29 & 30. An beiden Yonis sind Umrandung und Ablauf gut erhalten. Im Bild 29 liegen hinter der Yoni Bruchstücke einer weiteren, wahrscheinlich rechteckigen Yoni. Bei intensiver Suche in der Stadt Angkor Thom finden sich an entlegenen Plätzen mehrere Yonis und Lingams. In einer kleinen wirklich sehenswerten namenlosen Tempelanlage, die sich östlich hinter dem nördlichen Khleang verbirgt, steht (nach draußen verbracht) der Lingam in einer Yoni (Bild 31). Im sehr selten besuchten Mangalartha Tempel (Bild 32) liegt eine rechteckige mit zwei Öffnungen versehene Yoni am Boden der Cella (Tempel-Innenraum). Mangalartha wurde 1295 unter der Ägide des König Jayavarman VIII. erbaut. Der Bildschmuck am Tempel (Reliefs) und die Innenausstattung entsprachen der hinduistischen Gesinnung des Königs und der tonangebenden Brahmanen. Diesem König sind vermutlich die hinduistischen Zugaben am Bayon Tempel zuzuschreiben. Der Preah Khan Tempel zählt zu den großen Tempelanlagen in Angkor. Auch dieser Tempel wurde während der Regierungszeit von Jayavarman VII. erbaut. Bauwerke dieser Ausmaße wurden über längere Zeiträume resp. meist von mehreren Königen genutzt. Dieser Umstand erklärt das Vorhandensein sowohl von Snanadronis, als auch von Stupas und Buddha-Statuen im Preah Khan Tempel. Die Bilder 33 bis 35 zeigen die vertrauten Formen von Yoni und Lingam. An keinem Tempel in Angkor haben sich die Zeugnisse hinduistischer Nutzung völlig verloren. Sowohl im Prasat Kravan, einem Tempel aus der frühen Angkor-Periode, als auch im nicht fertig gestellten Ta Keo Tempel stehen Yonis an ihren angestammten Plätzen (Bild 36 & 37). Auch an den entlegenen unbekannten Tempeln am Südufer des Westlichen Baray lassen sich Yonis nachweisen. Jeweils eine quadratische und eine rechteckige Yoni geben eine passable Vorstellung von den schon im 9. Jahrhundert ausgeprägten Grundformen der eckigen Yonis (Bild 38-40). Im heutigen Kambodscha beten die Menschen in modernen Tempeln zu Buddha, was sie nicht hindert hinduistische Kultstätten (Khmer-Tempel) aufzusuchen, um dort zu beten und den anderen Göttern zu opfern. Faszination und Verehrung für die Religion der frühen Khmer verbinden sich mit der von Buddha geforderten Toleranz. Das friedvolle Miteinander der Religionen wird von den Menschen im täglichen Leben praktiziert. Die stark beschädigte Snanadroni vom Neang Khmau Tempel in Koh Ker wird genauso verehrt, wie die übergroße flache Snanadroni vom Wat Chedei. Das buddhistische Chedei Kloster, wurde in der südlichen Stadtregion von Siem Reap erbaut, weil sich an diesem Platz immer schon eine religiöse Stätte befand. Ein Ziegelprasat aus alten Khmer-Zeiten bestätigt diese Aussage. Die vielfältige Bildauswahl und die erläuternden Texte geben umfassende Auskünfte zum Thema Yoni & Lingam, dennoch soll auf wenigstens einen Internet-Artikel hingewiesen werden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Yoni Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones Valmiki erzählt in vierundzwanzigtausend Versen die Lebensgeschichte des Prinzen Rama, so könnte der lexikalische Kurzeintrag zum Schlagwort RAMAYANA lauten. RAMA ist der älteste von vier Brüdern, alle sind Söhne des mächtigen Königs DASHARATHA, Herrscher über das Reich Koshala. Auf der Jagd trifft RAMA die schöne Königstochter SITA und verliebt sich. Alles könnte wunderbar sein, wären da nicht die unvermeidlichen Hindernisse. Nur wer es vermag, den Bogen SHIVAS zu spannen, der darf SITA heiraten. RAMA zeigt seine Kräfte und spannt mühelos den Bogen. Doch höfische Intrigen einer bösen Schwiegermutter verhindern zwar nicht die Hochzeit, jedoch die rechtmäßige Thronfolge. Der König wird gezwungen, seinen eigenen Sohn in die Verbannung zu schicken. SITA und RAMA und Ramas Halbbruder LAKSHMANA verlassen den Hof und verschwinden in dunklen Wäldern. In der Fremde muss sich ihre Liebe bewähren. Liebe besiegt das Böse. (Hier wird kein Grimm’sches Märchen erzählt.) Unterwegs begegnen sie einer Dämonin in Riesengestalt, die verliebt sich in RAMA, doch der bleibt unerschütterlich seiner SITA treu. Die Dämonin SHURPANAKSHA sinnt erzürnt auf Rache. Ihr Bruder RAVANA (König aller Dämonen) entführt die schöne SITA auf die Insel Lanka. Dort hält er SITA in seinem Harem gefangen. Auf der Suche nach SITA trifft der tiefbetrübte RAMA unversehens auf Mitstreiter. RAMA bittet den Affenkönig SUGRIVA um Hilfe. Ein Affenheer unter der Führung HANUMANs sind ihm treue Gehilfen. HANUMAN, SUGRIVA und VALIN (ein Bruder Sugrivas) finden die schöne SITA auf Lanka. Drei Tage und drei Nächte währt der unerbittliche Kampf gegen RAVANA. VALIN kommt zu Tode, doch SITA wird befreit. Das glücklich wiedervereinte Paar kehrt nach Hause zurück. (Hier könnte die Geschichte enden, doch das Liebesdrama setzt sich fort.) SITA muss RAMA ihre Unversehrtheit beweisen. Innige Beteuerungen ihrer Unbescholtenheit genügen ihm nicht. SITA bietet RAMA einen ungewöhnlichen Beweis ihrer Liebe an. Sie begibt sich in die Flammen eines Scheiterhaufens und falls sie unversehrt vom Scheiterhaufen herabsteigen sollte, muss das als Beweis ihrer körperlichen Reinheit gelten. Die unschuldige SITA besteht die Feuerprobe. (Ein später dem Ramayana hinzugefügtes Buch setzt die Geschichte fort.) RAMA und sein Volk hegen dennoch Misstrauen gegen SITA, hat sie doch mehrere Jahre (wenn auch zwangsweise) bei einem fremden Mann gelebt. RAMA schickt sein Weib erneut in die Verbannung. Draußen in der Welt gebärt sie RAMAs Zwillingssöhne. Jahre vergehen. Sie kehrt an den Hof RAMAs zurück. Erneut soll sie per Feuerprobe ihre Unschuld beweisen. Zornig begehrt sie auf und ruft nach ihrer Mutter BHUMI und bittet um deren Beistand (Bhumi, auch Bhudevi, gilt als die personifizierte Erdgöttin). SITA kehrt in den Schoß zurück, dem sie einst entschlüpfte. Welch eine Geschichte, schon die Kurzfassung ist spannend von Anfang bis Ende. So nimmt es kaum Wunder, dass die großartige Liebesgeschichte über Jahrhunderte hinweg die Menschen faszinierte und viele Erzählvarianten nachweisbar sind. Gegen Hinzufügungen und Streichungen gab es keinerlei Bedenken. Die Zuhörer wollten gefesselt sein. In verschiedenen Ländern entstanden variierte Fassungen. Jede Generation erfand sich seine wohltönende Version, doch der Grundgehalt der Geschichte blieb substantiell erhalten. Die Geschichte verbreitete sich weit über den indischen Subkontinent hinaus. Variierte Fassungen der Ramayana sind in Kambodscha, Vietnam, Malaysia und Indonesien nachweisbar. Egal ob als Drama oder als Pantomime oder als Puppenspiel aufgeführt, der Stoff ist unverwüstlich und erfreut sich in asiatischen Länder größter Beliebtheit. In der Reliefkunst der Khmer blieb der förmlich nach bildlichen Darstellungen schreiende Geschichtenfundus der Ramayana nicht ohne Folgen. In einigen hinduistisch geprägten Khmer-Tempeln lassen sich auf Türstürzen und Giebelfeldern etliche Motive aus der Ramayana nachweisen. Die Reliefbilder sind mehr als dominant, weshalb eine Auswahl getroffen werden musste. Sämtliche "Affen"-Reliefs, die in Angkor vorhanden sind, hier vorzuzeigen, war keineswegs die zielsetzende Prämisse des Artikels, was schlussendlich nur einer Bestandsaufnahme gleichgekommen wäre. Gesichert darf angenommen werden, dass alle Khmer-Reliefs mit Affen-Darstellungen inhaltlich zweifelsohne in Bezug zum Ramayana stehen. Eingangs muss eine Ausnahme angezeigt werden: im Banteay Srei Tempel agieren Löwen, Yakshas, Garudas und Affen als Tempelwächter. Der Affe als Dvarapala konnte (vom Autor) bislang nur am Banteay Srei Tempel nachgewiesen werden, wie auch keine weiteren Affen-Skulpturen in Angkor bekannt sind (Bild 1-3). Die Skulpturen im Banteay Srei Tempel (auch die Affen-Wächter) sind vermutlich Replikate (Bild 1-2), die Affen-Skulptur (Bild 3), gezeigt im Depot Angkor Conservation in Siem Reap, könnte ein Original sein. Falls hier unter freien Himmel (nur unzureichend überdacht) eine Original-Skulptur präsentiert wird, wäre es höchste Zeit, das Kunstwerk in eine der geschlossenen Hallen zu bringen. Banteay Srei Tempel: Eine unglaubliche Dynamik vermittelt die Wiedergabe des Kampfgeschehens zwischen Sugriva und Valin. In der Mitte des Tympanums sind aufrecht kämpfend Sugriva und Valin zu sehen, leibliche Brüder, doch Widersacher von Anbeginn der Erzählung, Hass steht zwischen ihnen. Der Kampf der Brüder geht um Leben und Tod. Auf der rechten Bildseite steht Rama und ihm zu Füßen hockt vermutlich sein treuer Halbbruder Lakshmana. Die Szene ist auf den Punkt gebracht: Rama hat gerade eben seinen unfehlbaren Pfeil abgeschossen. Tödlich getroffen, Ramas Pfeil in der Brust, liegt Valin am Boden (linke Bildseite). Entsetzen breitet sich über die Affengesichter. Kein Relief in Angkor gibt diese entscheidende, den Verlauf der Handlung maßgeblich bestimmende Szene überzeugender wieder als das Tympanum vom Banteay Srei Tempel (Bild 4). Ziemlich schlecht erhalten haben sich die Ramayana-Reliefs am Banteay Samre Tempel, weshalb diese Bildwerke wenig gewürdigt und kaum erwähnt werden. Zu entdecken sind ein Halbtympanum (Bild 5) und ein hübsches Relief in Bodennähe an einem Pilaster (Bild 6) und ein stark verwittertes Tympanum (Bild 7). Auf dem Halbtympanum (Bild 5) sind zwei Affen in waldiger Umgebung zu sehen, da keine anderen Affenkrieger abgebildet sind, kann es sich wohl nur um die Brüder Sugriva und Valin handeln. Übrigens die Namen variieren von Land zu Land. Die Khmer nennen Sugriva Sukhreeb und Valin kann auch Vali oder Bali heißen. In jedem Fall ist Valin der ältere Bruder Sugrivas. Beide gelten als Söhne des Sonnengottes Surya, sie sind also von edler Abstammung. Die Kampfszene (Bild 6) bezieht sich vermutlich auf eine Nebenhandlung des Ramayana. Valin kämpft gegen einen Dämon. Der Ausgang des Kampfes führt zu Irretationen. Sugriva glaubt seinen Bruder unterlegen, meint er sei tot. Die nur schwer zu deutende Szenerie im Tympanum (Bild 7) zeigt im oberen Bildteil den Kampf der Brüder und im unteren Bildteil den sterbenden (schon gestorbenen?) liegenden Valin, an seiner Seite der trauernde Bruder Sugriva und weitere Gefährten. Äußerst schlecht erhalten ist das Relief vom Chaw Srei Vibol Tempel (Bild 8). Das Relief gibt ebenfalls Valins Tod wieder. Der Liegende wie auch die anderen beteiligten Affenkrieger sind nur schwer zu identifizieren. Das Relief von geringer Aussagekraft fand hier Aufnahme, weil bestätigt werden soll, dass an den meisten großen Tempeln im Angkor-Gebiet Ramayana-Darstellungen wie eine Art Pflichtprogramm aufscheinen mussten, will heißen: Ramayana-Szenen gehörten vermutlich zum sakral verordneten Bilder-Kanon an Khmer-Tempeln. Doch nicht nur Valins Tod schlägt sich in den Reliefs nieder, gleich häufig wird die Schlacht von Lanka glorifiziert. Ganz selten aber ist die gefangene Sita dargestellt. Eine berührende Szene findet sich auf einem Lintel im Preah Khan Tempel (Bild 9). Sita ist endlich auf der Insel Lanka ausfindig gemacht worden. Ein Affenbote (vielleicht gar Sugriva oder Hanuman selbst) nähert sich der betrübten Frau, versucht sie zu trösten und verspricht Rettung. Der unvermeidliche, allgegenwärtige Kala (untere Bildmitte) darf auf keinem Khmer-Lintel aus dieser Zeit ausgespart bleiben. Ist die Schlacht von Lanka im Preah Khan Tempel nur auf Giebelfeldern verewigt, kann die Kampfszenerie im Breitbandformat im nördlichen Flügel der West-Galerie im Angkor Wat begutachtet werden (Bild 10). Häufig wird Ravana, der legendäre König der Dämonen, der angeblich jede Gestalt annehmen kann, mit zehn Köpfen und zwanzig Händen (Bild 11) oder auch zehnarmig dargestellt (Bild 12). Ravana war unvorstellbar kräftig, er vermochte sogar am Berg Kailash zu rütteln, auf dessen Gipfel Shiva und Parvati wohnten, doch das Götterpaar blieb unerschütterlich gelassen, sie beherrschten unabänderlich die Welt . . . aber das ist ein anderer Mythos. Das Angkor Wat gilt als dem Gott Vishnu geweihter Tempel. Rama, von Valmiki ursprünglich als Mensch konzipiert, wurde später zum Gott stilisiert und wird als eine Verkörperung Vishnus angesehen. Folglich sind verschiedene Darstellungen Vishnus im Angkor Wat aufzufinden. Der Gott Vishnu erscheint als Rama auf Erden und gibt den Menschen ein Beispiel für Ehrlichkeit, Treue und Kampfkraft, Eigenschaften, für die Rama=Vishnu bis heute verehrt wird. Das Halb-Tympanum (Bild 13) wird von kampfbereiten Affenkriegern dominiert, doch über allen Kämpfern wacht Rama, der unübertreffliche Bogenschütze (oberer Bildbereich). Das Fragment eines Tympanums (Bild 14) zeigt zwei kämpfende Affen, die Krone des einen deutet auf den Rang, es könnte Valin oder Sugriva sein. Nicht unterschlagen werden dürfen die völlig anders gestalteten Ramayana-Bildfolgen am Baphuon Tempel. Hier werden in kleinformatigen Einzelbildern fortlaufend Geschichten erzählt. Überspitzt formuliert, wäre von Khmer-Comic-Strips zu reden. An keinem anderen Tempel innerhalb der Stadt Angkor Thom sind gleichartige Bildfolgen nachzuweisen, eine Tatsache, die leicht zu begründen ist: der im 11. Jahrhundert erbaute Baphuon Tempel war in seiner pyramidalen Monumentalität als Staatstempel der ehemaligen Hauptstadt Yasodharapura konzipiert. Der Baphuon Tempel befindet sich auf dem Gelände der später (12./13. Jahrhundert) errichteten Stadt Angkor Thom. Nicht nur die Ausmaße des Baphuon sind beachtlich, auch sein Bildschmuck wird weithin geschätzt. So stehen sich also in einer Stadt, sogar sehr nah beieinander, der Baphuon-Stil und der Bayon-Stil gegenüber, ein Zustand, der Gelegenheit zu reizvollen Vergleichen bietet. Die Bilder 15 bis 21 geben sehr gerafft einen Überblick auf die vielfältigen Bilder, auf szenische Darstellungen, die kaum ihres gleichen in Angkor haben. Die grandiosen Bildwände am Bayon Tempel unterliegen einer anders geordneten Bildkonzeption. Das Pariser Musée Guimet zeigt einen wunderbar erhaltenen Türsturz aus dem Vat Baset (Baset Tempel) bei Battambang (Bild 22). Der 69cm hohe, 152cm breite und 34cm dicke Lintel ist im prachtvollsten Baphuon-Stil gestaltet: äffischer geht es auf keinem bekannten Angkor-Lintel zu. Auf engsten Raum ist die Story um Rama, Sugriva und Valin geschildert. Auf diesem Relief finden sich Freud und Leid eng nebeneinander gerückt. Neben musizierenden Affen (Bild 22.1) bewegen sich verbissen ringende Affen (Bild 22.2 & 22.3). Das Sterben bzw. der Tod Valins ist mehr als ergreifend dargestellt, das fassungslose Schreien der Affen ist fast zu hören (Bild 22.4). Ganz links oben auf dem Lintel stehen Rama und wahrscheinlich Lakshmana (Bild 22), das sind die einzigen menschlichen Wesen auf diesem großartigen Relief. Neben den Brüdern kniet ein Affe, es wird wohl Hanuman gemeint sein, der hier womöglich Treue und Verbundenheit schwört (Bild 22).
Seltsamerweise fand sich nirgends eine Wiedergabe der Entdeckung der Sita auf Lanka, dabei bietet sich gerade diese Episode zur bildnerischen Ausformung an. Alle Affen schwärmen aus, begeben sich auf die Suche nach Sita. Endlich erfährt Sampati, der älteste Sohn Garudas, durch den Geier Jatayu den Aufenthaltsort der Vermissten. Die kundigen Vögel verbünden sich mit Hanuman, nur der ist fähig, den Sprung auf Lanka auszuführen. Garuda ist in Kambodscha omnipräsent, der mythische Vogel kann nicht übersehen werden, desto seltsamer mutet das Nichtvorhandensein besagter Szenen an. Viele Begebenheiten aus der Ramayana eignen sich hervorragend zur bildlichen Wiedergabe. Tatsächlich existieren viele ältere und jüngere farbige Illustrationen. Die meist zyklisch gefassten Bildfolgen sind vorwiegend indischer Provenienz. In Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas, kann an den inneren Wänden der Mauereinfassung der Silberpagode eine herrliche Ramayana-Bilderfolge bewundert werden. Die Khmer schufen ihre eigene Prägung des Ramayana, bei ihnen heißt das Epos REAMKER. Auf den Wänden der Silberpagode fand die kambodschanische Variante der Ramayana farbgewaltig ihren künstlerischen Niederschlag und bleibt nicht zuletzt durch solche Bilder im kollektiven Gedächtnis des Volkes. Siehe auch: den Artikel REAMKER in diesem Blog, aufzurufen mit folgendem Link https://www.angkor-temples-in-cambodia.com/schoumlnlein-blog/reamker-epos Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones |
Autor Günter Schönlein
Auf meinen bisher acht Reisen nach Kambodscha habe ich viele Khmer-Tempel photographisch dokumentiert. Mit Pheaks Hilfe suchte ich auch viele schwer zu findende entlegene Tempel auf. In diesem Blog möchte ich meine dabei erworbenen Eindrücke und Kenntnisse gerne anderen Kambodscha-Liebhabern als Anregungen zur Vor- oder Nachbereitung ihrer Reise zur Verfügung stellen. sortiert nach Themen:
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Der Blog enthält sowohl Erlebnis-Reiseberichte als auch reine Orts- und Tempel-Beschreibungen, siehe Kategorien "Persönliches" und "Sachliches" in der Liste von Tags oben, sowie eingestreute Beiträge zu anderen Reiseländern und Themen.
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Kirtimukha Kambodschas Löwenskulpturen Kampong Thom Museum Kanheri Caves Karla Caves Kapitelle Karttikeya und andere Vahanas Kasen Tempel Kat Kdei Tempel und mehr Kbal Chen Tempel Kbal Spean Khleangs & Prasat Suor Prat Khmer-Bronzen in Mandalay Khandoba Tempel Aurangabad Khmer Halsschmuck Khmer zur See Khuldabad Kinnari Kirtimukha Klöster in Siem Reap Kna Phtoul Tempel Koh Ker Koh Ker Tempelmauern Kok Singh Tempel Kouk Nokor Tempel Kouk Tempel Kok Pongro Kravan Krishna & Kaliya Krishna Govardhana Krol Ko Spezial Krol Romeas & Kral Romeas Lakshmi in der asiatischen Kunst Leak Neang (Phnom Bok) Leak Neang (Pre Rup) Leben am Fluss Lingam & Yoni Lintel Literatur-Empfehlungen Lolei - Restaurierungs-Stand Lost Collection Löwen in Indien Löwen in Indonesien Löwen in Kambodscha Löwen in Myanmar Löwen in Sri Lanka Mahakali Caves Makaras der Cham Mandalays Khmer-Bronzen Mandapeshwar Caves Marmorberge Da Nang Mebon Tempel Banteay Chhmar Mihintale Mucalinda versus Naga Museen in Kambodscha Museen in Siem Reap Museum of Da Nang Musik und Tanz der Cham My Son (Teil 1) My Son (Teil 2) My Son (Teil 3) My Son (Teil 4) My Son (Teil 5) Myanmars Holzarchitektur 1 Myanmars Holzarchitektur 2 Myanmars Holzarchitektur 3 Myanmars Löwenskulpturen Myanmar Stupas Mythos vom Milchozean Naga Naga-Chakra Namenlose Tempel am Bayon Nandi und andere Vahanas Narasimha und Hiranyakahipu Nationalmuseum in Phnom Penh Neak Buos Tempel Nebentempel Banteay Chhmar Neuentdeckungen in Roluos 1 Neuentdeckungen in Roluos 2 Neuentdeckungen in Roluos 3 Neuentdeckungen in Roluos 4 Neuentdeckungen in Roluos 5 Nokor Bachey Tempel Norodom Sihanouk Museum Pachisi Spiel Pandava Caves - 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