09.03.2019 Start wie immer um sieben Uhr. Jede Stunde ist kostbar. Jede Stunde wird es wärmer. Ein völlig unbekanntes Ziel hatte ich heute auf dem Tagesplan. Um den Prasat Tomnob Anlong Kravil zu erreichen, mussten wir zunächst etwa 40km auf der NR6 in Richtung Phnom Penh fahren, im Anschluss noch zirka 10km nordwärts. Nach europäischem Verständnis eine Kleinigkeit. Mit dem Motorrad schafft man auf guten Straßen pro Stunde ungefähr 30km. Die NR6 ist eine der besten Straßen im Land. Nicht alle abzweigenden Straßen können problemlos mit dem Auto befahren werden, deshalb hatte ich heute für das Motorrad plädiert. Nach vergeblicher Suche den richtigen Abzweig zum Tomnob Anlong Kravil Tempel zu finden, standen wir plötzlich vor dem Prasat Trapeang Roun. Diesen phantastischen Tempel hatte ich schon auf der vorletzten Reise besichtigt, umso erfreulicher war das unerwartete Wiedersehen. Es bestätigte sich, was ich in meinem Blog zu diesem Tempel geschrieben habe. Der Tempel ist einmalig, ich weiß bis heute keinen Vergleich, habe keinen annähernd ähnlichen Tempel je gesehen. Mehr oder weniger zufällig, weil das Umfeld des Tempels jüngst erst aufgeräumt worden war, identifizierte ich beim heutigen Besuch einen Steinhaufen als kleinen Tempelbau, der zweifelsohne zur Trapeang Roun Tempelanlage gehört. Wir mussten also weiter nach dem Tomnob Anlong Kravil Tempel suchen, was ja heute mit Google Maps zumeist kein Problem ist, sofern die Tempel erfasst worden sind. Prasat Tomnob Anlong Kravil ist gelistet, darf aber nicht mit der Tomnob Anlong Kravil Pagoda verwechselt werden, die ist, sofern es sie gibt, was ich stark anzweifele, etwas weiter westlich in der Karte angezeigt. Auf sandigen Feldwegen kämpften wir uns durch flaches Land. Immer näher kamen wir dem vorgegebenen Google-GPS-Punkt, der die Lage des Tempels definiert. Wir meinten beide den Tempel in geringer Entfernung zu sehen. Während Sopheak einen passablen Zufahrtsweg für das Motorrad erforschen wollte, denn wir waren auf einem holprigen Feld zu stehen gekommen, meinte ich, die geschätzten 800m könne ich leicht zu Fuß gehen. Je näher ich der Baumgruppe kam, desto mehr zerfloss die Illusion des Tempels. Wir waren beide einer Täuschung anheimgefallen und hatten uns verloren. Ausgerechnet heute hatte ich das Handy nicht im Rucksack. Die Richtung wusste ich, der Tempel musste schließlich irgendwann auftauchen. Einen Baggerfahrer, der Land rodete, fragte ich nach dem Tempel, doch der verstand nichts, selbst das Wort Prasat schien ihm fremd zu sein. Einer Frau mit zwei Kindern konnte ich auch nicht begreiflich machen, wonach ich suche. Endlich stieß ich auf ein Gehöft. Unter einem Sonnenschirm saßen mehrere Personen, die schauten mich an, als wäre ich von einem anderen Planeten auf die Erde gefallen. Kein Wunder: ein fremder Mann mit Helm und ohne Motorrad, was war da schiefgelaufen? Nichts. Ich war immer geradeaus gelaufen, nur die Richtung stimmte nicht. Leider beschränkten sich die Englischkenntnisse dieser Menschen auf ein freundliches Hello. Nachdem ich das Wort Prasat mehrfach verschieden prononciert hatte, begriff eine ältere Bäuerin endlich mein Begehren und wiederholte PRASAT. Ja genau, sagte ich doch, meinte ich doch. Nun zeigte man mir die Richtung. Ich aber zeigte auf eines der drei Motorräder und holte zwei Dollar aus dem Geldbeutel. Jetzt hatte die Begriffsstutzigkeit ein Ende gefunden. Der Bauer fuhr mich zum etwa zwei Kilometer entfernten Prasat Tomnob Anlong Kravil, zeigte mir den Tempel und wartete brav und unverdrossen auf einen möglichen Aufbruch. Schließlich wollte der gute Mann auch für den Rückfahrservice sorgen. Jetzt begann das Wortspiel erneut. Wie sollte ich dem gutmütigen Mann begreiflich machen, dass ich meinen Fahrer habe, der ganz bestimmt hierher kommen würde und er in der Zwischenzeit unbesorgt zurückfahren könne. Nach einer halben Stunde begriff er, dass ich mich nicht von der Stelle rühren würde. Mehrfach hatte ich in die Richtung seines Dorfes gezeigt, auf sein Moped, auf ihn und wieder auf die Richtung gewiesen. Er wollte mich hier nicht schutzlos allein sitzen lassen. Kopfschüttelnd machte er sich schließlich doch auf den Weg. Seine Familie wird tagelang über den komischen Vogel aus Europa geredet haben und Sopheak kam wenig später vorgefahren. Er hatte genauso wie ich nicht aufgegeben, bis er den Tempel ausfindig gemacht hatte. Wortlos und ohne digitale Verständigung hatten wir die gleiche Überlegung angestellt. Wo anders als am Tempel hätten wir uns treffen können? Auf ihn ist Verlass. Die Anspannung wandelte sich zur Erleichterung, diese wiederum zur Begeisterung. Vom Tomnob Anlong Kravil Tempel wird jeder Tempel-Freak entzückt sein. Der Tempel ist einmalig. Das habe ich schon vom Trapeang Roun behauptet und muss es dem Tomnob Anlong Kravil Tempel ebenfalls attestieren. Die geschätzten Außenmaße der Tempelanlage betragen ungefähr 25x40m. Eine umlaufende Galerie, die sich nach innen öffnet und außen Fenster hat, umgibt den gesamten Tempel, unterbrochen wird diese Galerie von einem Ost- und einem West-Gopuram. Das Nord- und das Süd-Tor sind in die Galerie integriert, ohne wirklich als Tor zu funktionieren. Außenseitig sind diese Tore nur als Scheintüren eingearbeitet. Innseitig dienten die Tore dem Zweck, die Galerie verlassen zu können. Allein die Galerie ist eine Augenweide. Außenseitig sind durchgängig schmale Säulenfenster eingelassen, wie sie noch nirgends zu sehen waren. Üblicherweise wurden die Fenstersäulen aus massivem Sandstein in unterschiedlichen Längen und Stärken je nach Bedarf gefertigt und eingesetzt. Hier wurden die quadratischen Säulen aus Ziegelsteinen gefügt, sehr elegant anzusehen. Drei Ziegeltürme nebeneinander aufgebaut, das ist nichts Ungewöhnliches, so sind viele Khmer-Tempel gestaltet. Die drei Prasat des Tomnob Anlong Kravil Tempels sind miteinander verbunden, dadurch entstanden zwei kleine Kammern, die vom Mittelturm aus zugänglich sind, das ist neu und einzigartig. Ganz erfreulich ist der Erhaltungszustand der drei Prasat. Ähnliche Dekorationen können in der Nordgruppe von Sambor Prei Kuk nachgewiesen werden. An Hand dieser stilistischen Indizien wäre eine zeitliche Einordnung möglich. Im Südostbereich des Tempels hat sich ein flaches rechteckiges Ziegelgebäude fast komplett erhalten. Dieser Bau zeigt an seinen Längsseiten ebenfalls die wunderbaren Fenster, die schon in der Galerie eingesetzt sind. Auf der Gegenseite ist eine ziemlich hohe Erdaufhäufung zu sehen, was auf einen gleichen Bau dieser Art schließen lässt. Nun wäre es bequem von Bibliotheken zu sprechen, der Begriff hat sich für Nebengebäude in Tempeln eingebürgert. Ich bin kein Fachmann, kann also nicht mit Sicherheit behaupten, hier sei eine Bibliothek erhalten und die andere verloren. Zusammenfassung: der Tomnob Anlong Kravil Tempel ist ein gut erhaltener Ziegelbau, lediglich die Säulen, Türrahmen, Stufen und Lintel sind aus Sandstein gefertigt. Der Tempel ist von einem breiten U-förmigen Wassergraben umgeben. Diese sachlich nüchterne Beschreibung wird dem ungewöhnlichen Tempel keinesfalls gerecht. Eine ausführliche Beschreibung zum Tomnob Anlong Kravil Tempel ist im gleichnamigen Artikel in diesem Blog abzurufen. Neben der neu gebauten NR6 ist abschnittsweise noch die alte Straße zu sehen. Diese Straße muss eine Magistrale der Khmer gewesen sein, denn entlang der heutigen Straße immer in unmittelbarer Nachbarschaft haben sich etliche Brücken aus der Khmer-Zeit erhalten. Die bekannteste ist die große Brücke von Kampong Thom. Ich wollte heute die von Google erfasste Ta Meas Bridge sehen. Wunschgemäß hielt Sopheak an dieser Brücke, die offiziell Spean Tameas heißt. Spean steht immer für Brücke. Auf dem Rückweg zeigte mir Sopheak ein halbes Dutzend dieser alten ansehnlichen Bauwerke, die noch heute befahren werden. Die kleineren Brücken sind namentlich nicht ausgewiesen. Die ansehnlicheren sind mit Namen versehen worden. Wir hielten zum Fotostopp an den Brücken Spean Beong Ampil und Spean Thmor Bay Kriem. Brückentag? In Deutschland freuen sich die Arbeitnehmer über Brückentage. Ich habe mich über Sopheaks Aufmerksamkeit gefreut. Den Wat Banteay Srei Tempel (nicht zu verwechseln mit dem Banteay Srei Tempel) habe ich mehrfach besucht. Immer hoffte ich, vom westlich anliegenden kleinen Tempel, der stets eingewachsen war, mehr zu sehen. Das Gestrüpp verbirgt den Tempel noch immer, doch die herbstliche Entlaubung ließ deutlichere Strukturen aus dem Buschwerk hervor scheinen. Angeblich soll es unweit vom Haupttempel noch den Prasat Damnang Chamrei geben. Dorfbewohner wussten nichts von einem Damnang Chamrei Tempel, fragten jedoch, ob wir die Tore auf den kleinen Hügeln östlich und westlich gefunden hätten. So machten wir uns auf die Suche nach dem östlichen Pendant und fanden tatsächlich Tore aus Sandstein und im Umfeld Steinfragmente aus Sandstein und Laterit. Beim Hineinkriechen in das dichte dornige Gebüsch murmelte ich ganz leise den Satz "Ich bin verrückt!". Ich bin nicht als Landvermesser unterwegs, habe auch keinen Theodoliten im Rucksack, aber mein Kompass bewies mir, das die Ost- und die Westruine auf einer Achse liegen und auf selbiger Achse der Wat Banteay Srei Tempel in Ost-West-Orientierung errichtet wurde. Der Zusammenhang dieser drei Bauten ist nicht von der Hand zu weisen. Der Artikel Wat Banteay Srei in diesem Blog gibt nähere Auskünfte zu diesem Tempel. In Siem Reap erfüllte mir Sopheak den letzten Wunsch des Tages. Er fuhr mich zum Prasat Reach Kandal. Außer dem überdimensionierten U-förmigen Wassergraben, offen an der Ostseite und einer kleinen Erhebung im Zentrum hat sich nichts vom Prasat Reach Kandal erhalten. Immerhin bin ich einmal um den Hügel (den ehemaligen Tempel) herum geschritten. Das dichte Gestrüpp verlockte nicht zum Eindringen. Keinen Stein vom alten Tempel habe ich gesehen. Ein moderner (sehr einfacher) Schrein erinnert an den ehemaligen Tempel. 10.03.2019 Alle Außentempel vom Banteay Chhmar Tempel an einem Morgen zu besichtigen, das wäre vor drei Jahren noch nicht möglich gewesen. Von den acht Tempeln, jeweils zwei den Hauptkoordinaten zugeordnet, verbargen sich damals die meisten im undurchdringlichen Dickicht. Mittlerweile hat man, ich will jetzt als Wahl-Norddeutscher einen seemännischen Begriff verwenden, KLAR SCHIFF gemacht. Zu gern und zu oft wird für solche Tempel der Ausdruck Satellitentempel verwendet, wer hat bloß diesen Begriff eingeführt? Alle Tempel sind freigelegt, die Zufahrtswege sind erschlossen und können ohne Schwierigkeiten mit PKW befahren werden. Nach radikalen Holzfällungen und Brandrodungen sind jetzt erstaunliche Einblicke möglich, gleichsam kommen die Tempel in ihren wahrhaften Ausmaßen zur Geltung. Den Liebhabern (Laien-Forschern) als auch den Wissenschaftlern bieten sich ungeahnte, zuvor unmögliche Vergleiche an. Erst im Zusammenhang, wenn man will in der Gesamtschau, scheinen die systematischen Überlegungen für die Standorte und Bauarten der einzelnen Tempel auf. Man stelle sich das Koordinatenkreuz der Himmelsrichtungen vor: im bzw. um den Schnittpunkt herum wurde der Haupttempel gebaut. Den Koordinaten folgend wurden auf den vier Achsen jeweils zwei Tempel errichtet. Jeweils von einem der zwei zueinander gehörenden Tempel schauen von einem Prasat (Turm) die berühmten Buddha-Gesichter in die Welt und auf die Menschen herab. Diese faszinierenden Bildwerke finden sich erneut an den Türmen des Haupttempels Banteay Chhmar wieder und diese Darstellung der Gesichter findet sich im später erbauten Bayon Tempel in Angkor Thom wieder und wurde dort ins fast Monumentale gesteigert. - Enorm groß ist die Ausdehnung des Haupttempels. Noch vor Jahren mussten Besucher über Trümmerfelder steigen, um den Tempel zu besichtigen. Jetzt gibt es die Möglichkeit, auf gesicherten Stegen Übersichten auf den Tempel zu gewinnen. Der Vergleich zu Angkor Thom bietet sich durch weitere übereinstimmende Merkmale förmlich an. Ein riesiger Wassergraben trennt die Außenwelt vom Tempelbezirk. Vier Dämme führen zu den Außentoren. Die Tore befinden sich wiederum auf den Linien der Koordinaten. Die Asuras und Dämonen, welche die Schlange Vasuki halten bzw. an ihr ziehen, sind hier ebenfalls zu sehen, allerdings an keiner Damm-Brücke vollständig erhalten. Das gleiche Ensemble von Göttern und Dämonen, die den Schöpfungsmythos Quirlen des Milchozeans veranschaulichen, sind den Kunstliebhabern von den Zugängen in die Stadt Angkor Thom vertraut. Das Areal des Tempels, im Unterschied zu Angkor Thom kein quadratischer, sondern ein rechteckiger Grundriss, wird durchgängig von einer Mauer umschlossen. Im Unterschied zu Angkor Thom sind die Tore in Banteay Chhmar nicht wieder aufgebaut worden. Auch der Haupttempel kann, von partiell restaurierten Relief-Wänden abgesehen, noch im Originalzustand, besichtigt werden. Die Wege von den Außentoren zum Tempel stoßen geradlinig auf die jeweiligen Gopurams. Galerien und Bildwände wechseln einander ab. Der Tempel lässt sich nur mit Kenntnis des Grundrisses sachlich verständlich erschließen, doch auch eine Besichtigung ohne Vorkenntnisse kann durchaus reizvoll sein. Fünf hohe schlanke Türme kennzeichnen den Prasat Banteay Toap, diese fünf Türme stehen nicht in der üblichen und oft nachweisbaren Quincunx-Stellung (Würfel-Fünf), sondern stehen in Kreuzform auf einem hohen Lateritsockel, hier diente das bewährte Koordinatensystem als Grundmuster. Die Achsen Nord-Süd und Ost-West bestimmen die Stellung der vier äußeren Türme. Die Basis, auf dem die Türme gebaut wurden, ist quadratisch, außen von einer Mauer begrenzt. Stufen führen zu den jeweiligen Gopuram. Blickt man von außen auf den Tempel sieht man einen riesigen Trümmerberg. Einer der fünf Türme muss gestützt werden. Der Prasat Banteay Toap zählt zu den radikal zerstörten Großtempeln in Kambodscha. Vergleichbare Trümmerberge sind wohl nur noch in Beng Mealea zu sehen und trotz der Zerstörungen hinterlässt der Prasat Banteay Toap einen nachhaltigen Eindruck, etwas Drohendes, gleichsam auch Anziehendes strahlt die Ruine aus. Wir haben uns auf keine nähere Inspektion eingelassen. Nach Trümmerklettern war uns heute nicht mehr zumute. Eines ist gewiss, der Tempel ist erst in der Neuzeit in diesen jämmerlichen Zustand versetzt worden. Kämpfer der Roten Khmer hatten im Tempel Stellung bezogen und diesen als Verteidigungsstellung benutzt. (Das habe ich gelesen, weiß aber die Quelle nicht mehr anzugeben.) Läge der Kasen Tempel nicht fast unmittelbar an der Hauptstraße, wären wir wohl vorbei gefahren. Nach der erfolgreichen Besichtigung aller Tempel von Banteay Chhmar muss man nicht noch einen Tempel aufsuchen, zumal wir ohnehin schon eine Zugabe, den Banteay Toap Tempel, angesteuert und besichtigt hatten. Um mir spätere Selbstvorwürfe zu ersparen, musste es dennoch sein. Viel ist vom Kasen Tempel nicht mehr zu sehen. Ein Wassergraben, der zehn Meter (!) tief sein soll und aus natürlichen Quellen gespeist wird, ist noch immer als Wasserreservoir von Wichtigkeit für die Menschen. Auf einer rechteckigen Insel kann eine wiederum rechteckige höher gelegene Fläche umgangen werden. Diese Erhebung (geschätzt 15x25m) lässt die ehemalige Größe des Tempels ahnen. Vom Tempel hat sich fast nichts erhalten. So wenig, dass keinerlei konkrete Auskünfte über Details gegeben werden können. Teile eines Ost-Gopuram sind zu identifizieren, auch Fragmente eines Fundamentes aus Laterit ragen aus dem Hügel heraus. Obenauf liegen Sandsteinteile, aus deren Form und Größe können keine Rückschlüsse auf Bauweise und Aussehen des Zentral-Tempels gezogen werden. Die gesamte Anlage war von einer Laterit-Mauer umgeben. In der Neuzeit ist alles nur Mögliche und Unmögliche vollbracht wurden, diesen Tempel zu verunstalten. Das Erfreulichste sind zwei moderne Statuen, die am Rande des Tempels aufgestellt wurden: ein Rishi und ein friedvoller Ganesha. Historiker werden dem Stein im gemauerten Spirithouse (Geisterhaus) mehr Bedeutung zumessen. Yama reitet rücklings auf seinem Buckelstier. Das sehr plastische Relief in ungewöhnlicher Perspektive ist kunstvoll gearbeitet. Der Stier zeigt dem Betrachter sein Hinterteil und wird, so vermute ich, seitlich den Kopf verdreht haben. 11.03.2019 Angkor intensiv – das wäre die richtige Überschrift für den heutigen Arbeitseinsatz. Leider musste ich auf meinen fürsorglichen Fahrer Sopheak verzichten. Technische Probleme am Auto, die behoben werden mussten, verhinderten seinen Einsatz. Schnell war ein Driver vom Hotel engagiert. Die Bereitwilligkeit ist grenzenlos. Jeder reißt sich um Arbeit. Das Ziel ist der Gewinn, kurzum die Dollar-Noten. Wir vereinbarten die Ziele, die Arbeitszeit und den Preis. Optionen für Veränderungen (weitere Ziele) behielt ich mir ausdrücklich vor. Noch während der Absprachen, als ich auch den Prasat Tonle Sngout zu besichtigen verlangte, meinte der junge Mann, dazu müsse er in ein kleines Dorf fahren, dieser Tempel läge nicht direkt am Weg – ich unterbrach seine Einwände: Ob er nicht wüsste, dass der Waldweg zum Ta Nei Tempel, den wir später um die Mittagszeit ansteuern würden, schwerer zu fahren wäre. Ich glaube, er hatte verstanden, dass ich mich gut auskenne und weiß was ich sehen will und den Fahrern zumuten kann. Hier zeigte sich deutlich der Unterschied zu Sopheak. Der kleine Tempel Tonle Sngout ist die Krankenhauskapelle Nord der Stadt Angkor Thom. Vor einigen Jahren genügten Holzgestelle zur Verhinderung des Einsturzes der Kapelle. Neuerdings wurden diese hölzernen Stützen mit verschraubten Stahlrohren, wie sie im Gerüstbau verwendet werden, ergänzt. Dieses Rettungsverfahren ist weder eine ansehnliche, noch eine dauerhafte Lösung. Der Gesamteindruck des Tempels ist total verschandelt. Den Krol Ko Tempel konnte ich ohne Gerüststangen und ganz für mich allein bewundern. Rund um den Tempel wurden recht breite Wassergräben angelegt, der Tempel ist von einer Mauer umgeben, die sich nur im Osten öffnet. Gen Osten ist auch dieser Tempel ausgerichtet. Der zentrale Prasat nimmt sich im ziemlich großen Areal fast klein aus, kann aber sofort als typischer Angkor-Bau definiert werden. Einmalig, ohne jegliches Gegenstück ist der Neak Pean Tempel. Wer in Geometrie bewandert ist, überschaut sofort den Grundriss bzw. die bautechnische Realisierung. Vier kleine quadratische Becken umgeben ein großes ebenfalls quadratisches Becken, in dessen Zentrum auf einer runden Basis der Haupttempel errichtet wurde. Jeweils in der Mitte der breiten Ränder des großen Beckens wurden kleine Kapellen aufgebaut, die sich zu den kleinen Becken hin öffnen. Bisher war immer nur eine Ansicht erlaubt, im Endeffekt war dieser in Angkor besondere Tempel nur aus einer Blickrichtung und nicht aus der Nähe zu begutachten. Schnell gelangten die Besucher an Absperrungen und sahen die Gesamtanlage nicht bzw. nur aus der genehmigten, vorgeschriebenen Perspektive. Abgesperrt wird anscheinend lediglich um Aufsichtspersonal einzusparen. Wenig Leute hier, kein Andrang, kaum Aufsicht . . . das war meine Chance. Ich pirschte mich durch den Wald in die gesperrten Regionen. Innerhalb des gesperrten Bezirks sind rund um den Tempel Wege angelegt und genauso ungefährlich wie der Zugang im freigegebenen Areal. Ich habe endlich meine Fotos gewonnen und das Pferd Balaha von allen Seiten und sämtliche Kapellen aus der Nähe gesehen. Viel mehr wollte ich nicht. Ich bin anspruchslos. Die Gopurams des Ta Som Tempel prunken mit den bekannten Buddha-Gesichtern. Vor allem der östliche Gopuram, der zuletzt erreicht wird, bietet das ultimative Ansichtskartenmotiv. Ohne den Baum, der das Tor überwuchert und umklammert, wäre das Tor nur ein Tor von vielen Toren, hier jedoch lässt die pittoreske Szenerie keine Steigerung mehr zu. Der Ta Som Tempel wird von Kennern geschätzt. Die Voraussetzung für die Bevorzugung dieses Tempels ist die Liebe zum Detail. Ta Som habe ich schon mehrfach besucht. Stets fand ich wunderschön bearbeitete Steine, die ich noch nicht gesehen und per Kamera archiviert hatte. Auch heute konnte ich dem Archiv eine kleine Kostbarkeit einverleiben. Ich musste mich auf den Bauch legen, um die unvergleichliche Schönheit eines weiblichen Gesichtes, fast in Lebensgröße, digital festzuschreiben. Mir ist völlig egal, ob eine Gottheit oder ein sonstiges weibliches Wesen in Stein gemeißelt wurde, solche unvergleichlichen zeitlosen nicht personifizierten Porträts finden sich im Angkor-Gebiet nicht alle Tage. Da ich im Geist ständig Bilder verknüpfe und nach Parallelen suche, kamen mir abrupt Porträts der Amarna-Periode in den Sinn. Ägyptische Kunst und Meisterwerke der Khmer haben nichts gemeinsam, aber die vollendete idealisierte makellose Wiedergabe menschlicher Gesichtszüge beherrschten die Bildhauer beider Kulturkreise. Für Freunde feinster Lintel kann nur der East Mebon Tempel empfohlen werden. An kaum einem anderen Angkor-Tempel finden sich derart viele Lintel in gutem Zustand. Vergleichende Studien würden Stunden währen. Andere Kunstliebhaber würden sich den Mauerwänden der Prasat und den fast verlorenen Reliefs zuwenden. Außerdem lohnt ein Blick auf die Wasserspeier (Gargoyle). Sehr oft werden die Elefanten-Skulpturen aufgenommen. Am East Mebon sind die Spezialisten gefordert und die Laien überfordert. Für Banteay Samre hatte ich mir zuerst die Außenwege vorgenommen. Endlich wollte ich einmal die komplette östliche Zugangsterrasse abschreiten und rückwärts, also von Ost nach West, mich Schritt für Schritt dem Tempel nähern, ein Erlebnis, wie es vor vielen Jahrhunderten die Menschen gehabt haben müssen. Der Ost-Zugang wird allen Touristen gezeigt. Nach nur wenigen Schritten in Richtung Ost hat man einen schönen Blick auf den Tempel. »Westwärts schweift der Blick« singt ein junger Seemann in Wagners Oper »Tristan und Isolde«. Lasse ich in Bantreay Samre den Blick westwärts schweifen, sehe ich nur einen Sandweg. Kein Mensch erwähnt den West-Weg, der üblicherweise der Ausgang gewesen sein muss. Scheinbar gibt es dort nichts zu sehen? – Etwa doch? Sand ist dort nicht alles, nach 300m verliert sich der Sand und es beginnt eine Laterit-gepflasterte Terrasse, die von Säulen beidseitig markiert ist und sich etwa 200m in die Länge zieht. Die Gemüsegärten der Bauern reichen bis an die Terrasse heran. Ein Teil der Terrasse ist versunken, weil Wasser über die Felder strömt und deshalb wird dieser Abschnitt der Terrasse von einem primitiven Holzsteg überbrückt. Mir ist nicht klar, weshalb vom Tempel kein befestigter Weg nachzuweisen ist und erst im Abstand von 300m diese opulente Terrasse gebaut wurde. Schlussendlich ist man mit seinen Erkenntnissen, Fragen und Zweifeln auf sich allein gestellt. Ein absoluter Geheimtipp ist der Ta Nei Tempel. Dieser Tempel liegt wirklich mitten im Wald. Zurzeit finden dort Vermessungen, Ausgrabungen und Restaurierungen statt, die von Japan finanziert und von japanischen Archäologen durchgeführt werden. Ich bin jetzt schon neugierig, was schlussendlich im Wald hinter dem östlichen Gopuram noch entdeckt werden wird. Die teilweisen Ausgrabungen verheißen viel und steigern jetzt schon meine Erwartungen. Mein Hotel-TukTuk-Driver schüttelte verständnislos den Kopf, als ich ihn auf offener Straße stoppen ließ. Hier wäre doch kein Tempel, hier wäre nichts zu sehen. Ich aber hatte neben der Straße Laterit-Steine durch die fast entlaubten Bäume blitzen sehen. Und wirklich, hier lag von Wald umgeben ein Wasserbecken, ein rechteckiger Trapeang aus Khmer-Zeiten. Dank meiner Wachsamkeit kann ich jetzt die Lage eines Profanbauwerkes genau bezeichnen. Das Becken muss günstig platziert worden sein, führt es doch noch immer Wasser. Bestimmte Verbindungen des alten Wasserversorgungssystems scheinen bis heute zu funktionieren. Der Ta Keo Tempel ist einer Radikal-Kur unterzogen worden. Chinesische Fachleute haben Hand angelegt und mit derbem Griff dem Tempel zugesetzt und viel Stahl zur Sicherung des Baus eingesetzt. Im oberen Bereich wirkt der Tempel, angeblich ohnehin schmucklos, sehr steril. Stahlrahmen und kahler Stein tragen wenig zur Ansehnlichkeit eines Bauwerkes bei. Angeblich sei der Ta Keo Tempel niemals fertiggestellt worden. Schaut man sich aber den Tempel genauer an, sind viele sehr schöne florale Verzierungen nachzuweisen. Auch dem Ta Keo Tempel näherten sich die Gläubigen aus östlicher Richtung. Teile der Allee (Prozessionsweg) sind noch zu sehen. Gute Reiseführer weisen auf diese wenig sensationelle Ost-Allee hin. Wichtiger wäre für mich die Antwort auf die Frage, ob aus allen Himmelsrichtungen eine solche Allee zum Tempel führte. Scheinbar unvollendet blieb der kleine West Prasat Top Tempel, der in der Nähe des Ta Keo Tempel fast an der Straße liegt und dennoch kaum besichtigt wird. 12.03.2019 Nicht alles lief nach Plan, dennoch zufrieden kann ich von einem äußerst erfolgreichen Vormittag berichten. Völlig unbekannte Tempel im Roluos-Gebiet wollte ich mit Sopheaks Hilfe finden. Seinem aufmerksamen Blick entgeht wenig, oft schon hat er Steine erspäht, die erste Hinweise auf einen gesuchten Tempel gaben. Zunächst bewegten wir uns im Gebiet westlich des Preah Ko Tempels. Die Landschaft ist besiedelt. Felder und Gärten grenzen aneinander, dazwischen stehen die kleinen Häuser der Bauern. Irgendwo mittendrin in dieser Agrarregion wird im Google-Kartenwerk der Prasat Kandal Doeum angezeigt. Wir fanden den Tempel, zumindest klare Hinweise auf einen Wassergraben und mehrere Ziegel-Prasat. Nichts Besonderes war zu sehen, einige Torfragmente bestätigten die östliche Ausrichtung der Tempelanlage. Das war immerhin ein gelungener Auftakt. Den Google-Angaben ist im Regelfall zu trauen. Weniger zu sehen gab es am Prasat Au Kaek. Im vom Wassergraben umschlossenen Tempelareal fanden sich nur bescheidene Hinweise zur Bauweise des Tempels. Fast alle Wassergräben sind im März ausgetrocknet bzw. versumpft, das ist insofern von Vorteil, weil Bootsfahrten, Wassertretkuren oder Schlammbäder nicht zur Debatte stehen. Bauern meinten, wenn wir wirklich etwas sehen wollen, dann sollten wir uns doch 300m gen Süden wenden, dort läge ein größerer Tempel. Diese Tempelanlage war die Überraschung des Tages, als hätte man an der Losbude einen Hauptgewinn gezogen. Die Bauern hatten nicht übertrieben. Vier Schreine in Linie nebeneinander angeordnet. Der südlichste Schrein wurde mit Laterit-Steinen gebaut, die drei anderen Schreine wurden auf massiven Sockeln mit Ziegelsteinen hochgezogen. Sandsteinelemente verraten Details der einstigen Ausstattung. Gerundete Stufen, wie sie in den Großtempeln von Roluos üblich waren, sind genauso vorhanden wie Säulenfragmente, Türpfeiler und Yonis. Der Prasat Prei Monti ist ein wichtiger Tempel im Roluos-Gebiet, der unbekannte Prasat muss betreffs seiner Ausmaße gleichwertig eingestuft werden. Die Bauern konnten den Originalnamen nicht nennen. Sie verwenden oftmals die Namen der Dörfer für ihre Tempel. Ich vermute, dass man uns zum Prasat Olok gewiesen hat. Der Prasat Olok ist in vielen Karten eingezeichnet, aber nirgends näher beschrieben. Tatsächlich bestätigte sich nach späteren Recherchen meine Annahme, die von den Bauern empfohlene entdeckte Tempelruine ist der Prasat Olok. Ominöse Einträge auf Karten, die zur touristischen Handhabung veröffentlicht werden, führen oftmals zu Enttäuschungen, häufig jedenfalls zu Verwirrungen. Ohne Sopheaks Hilfsbereitschaft hätte ich einige der Tempel im Roluos-Gebiet nicht gefunden. Sopheak nimmt mit den Leuten vor Ort Kontakt auf, redet mit ihnen, fragt sie aus, lässt sich den Weg beschreiben. Die Auskünfte führen nicht unbedingt sofort ans Ziel, mitunter auch ins weglose Dickicht. Die Bauern kennen ihre Ackerflächen, wissen manche Areale, die schon Eltern und Großeltern unbebaut beließen, doch dass sich in diesen verwachsenen Oasen vergessene Angkor-Tempel verbergen, davon haben sie oftmals keine Vorstellung. In Landkarten vermerkte Tempelnamen sind ihnen nicht vertraut. Im Regelfall bestätigen sich meine im Vorfeld gesammelten Informationen und die Suchaktionen führen zu den vergessenen Tempelanlagen. In manchen Fällen ist das Ergebnis wenig lukrativ, nur die Bestätigung eines Landkarteneintrages, so gesehen stehen hin und wieder Aufwand und Nutzen im ungünstigen Verhältnis. Der nächste Tempel war kaum wert gesucht zu werden. Wir fanden den Prasat Sway Pream, nichts als eine Erhebung, umgeben vom östlich offenen Wassergraben. In der Mitte der Erhebung stand zu Khmer-Zeiten tatsächlich ein Tempel. Wir kämpften uns tief ins Dickicht hinein und fanden karge Überbleibsel: einen Pfeiler, eine Stufe und den typisch aufgeworfenen Erdbuckel, den eingefallene Tempelruinen hinterlassen. Der kleine Hügel, auf dem sich einst der Prasat erhob, ist komplett eingewachsen. Nach intensiverer Suche hätten wir sicher Ziegelsteine aus dem Boden gewühlt. Der Prasat Svay Pream hat fürwahr schon bessere Zeiten erlebt. Noch weniger, nämlich fast nichts, weist am Prasat Kuk Dong auf eine Tempelanlage hin. Wäre nicht der Wassergraben klar zu sehen gewesen und aus der Ferne der schöne Anblick einer Bauminsel, wir hätten den Tempel nicht gefunden. Falls Teile dieses Tempels am Ort verblieben sind und ich diese wahrscheinlich spärlichen Überreste im nächsten Jahr unbedingt aufstöbern möchte, dann muss ich mit Buschmesser, Säge, Beil und Hacke anrücken. Der Prasat Kuk Dong ist kein lohnenswertes Ziel. Anders der Prasat Totung Thngai, der wird in besseren Reisehandbüchern erwähnt und ist in den meisten Karten (zu Recht) eingetragen. Leider scheinen die wenigsten Autoren den Tempel wirklich gesehen zu haben. Meist werden "Trilitische Tore" erwähnt, die hier zu sehen wären. Wer genauer hinschaut, erkennt eine nicht völlig ungewöhnliche, aber besondere Tempelanlage. Die Pilger kamen von Osten, betraten durch einen stattlichen Gopuram das Tempelareal, welches meiner Schätzung nach fast quadratisch angelegt war, zumindest lassen durchlaufende Mauerreste einer äußeren Umfriedung diese Annahme zu. An den Haupttempel grenzen mehrere kleine Schreine an. Im Grunde ist der Zentral-Tempel von Schreinen umgeben, somit drängen sich auf engsten Raum Schrein an Schrein. Da von den meisten Schreinen nur die Tore erhalten sind, scheint es bei flüchtiger Inspektion, als wären hier nur Tore errichtet worden, was einen ganz besonderen Anblick vermittelt. Westlich ist ein weiterer Gopuram (Ausgang) zu erkennen. Tatsächlich befand sich hier eine sicher nicht unbedeutende Tempelanlage, deren äußeren Maße auf 80mx80m (vielleicht sogar 100mx100m) geschätzt werden müssen. Die vorhandenen Sandstein-Fragmente und Sandstein-Bauelemente geben Auskunft über den Vorrang, den dieser Tempel im südlichen Roluos-Gebiet mit Sicherheit innehatte. Der Prasat Trapeang Phong und der Prasat Totung Thngai sind neben dem Prasat Prei Monti die wichtigen sehenswerten Tempel südlich des Bakong Tempels. Sway Pream und Kuk Dong kann man sich getrost sparen und die gewonnene Zeit im Prasat Totung Thngai verbringen. Vor einem Jahr war der Prasat Totung Thngai ziemlich eingewachsen. Bambus, nebenbei eine Gras-Art, hatte sich mächtig ausgebreitet, man betrat einen Wald und sah vor lauter Bambus vom Tempel wenig. Im März 2019 sahen wir den kompletten Tempel, weil die Bauern oder wer auch immer den Tempel buchstäblich freigelegt hatten. Wie lange wird es dauern, ehe der Bambus den Tempel wieder umfängt? Mein insistierendes Suchen nach unbekannten Tempeln im Roluos-Gebiet dient nicht zuletzt der Bestätigung, dass die ehemalige Königsstadt Hariharalaya nicht nur aus den drei heute bekannten Groß-Tempeln (Bakong, Preah Ko und Lolei) und den umliegenden Bauernhäusern bestand. Die Vielzahl sakraler Bauwerke, die in der Roluos-Region im 9. Jahrhundert errichtet wurde, beeindruckt bis heute und bekräftigt einmal mehr die Dominanz religiöser Vormachtstellung. In Hariharalaya=Roluos gibt es zukünftig noch viel zu tun. Wissenschaftler können/müssen forschen. Ambitionierte Touristen erfreuen sich an kleinen Entdeckungen. Noch habe ich keine weiteren Zielstellungen abgesteckt. Die Vermarktungsstrategie der Angkor Tempel nimmt extreme Formen an. Für den Zutritt zum Bakong Tempel, zu Preah Ko und Lolei musste bisher gerechtfertigter weise das Angkor-Ticket vorgewiesen werden. Das ist in Ordnung, schließlich sind das die Hauptattraktionen im Roluos-Gebiet. Neuerdings dürfen Touristen ohne Ticket nicht mehr den breiten Weg außerhalb des Grabens um den Bakong Tempel benutzen. Konkret: eine öffentliche Straße wurde zur Angkor-Region erklärt. Ich wollte weder den Bakong besichtigen, noch an irgendeiner Stelle heimlich in den Tempelbezirk eindringen, sondern lediglich die außerhalb des Grabens liegenden kleinen Schreine aufsuchen. Für diese Stunde staubigen Vergnügens war mir der Eintritt zu teuer. Ich brach das Vorhaben entnervt ab. Versäumt habe ich nichts, denn fast alle dieser kleinen Schreine haben wir letztes Jahr schon gefunden und dokumentiert. So kam ich ungewollt zu einer Mittagspause im Hotel. Am Nachmittag gönnte ich mir den Besuch im Angkor Conservation im Stadtgebiet von Siem Reap. Der Eintritt ist frei, doch nachdem die Besucher die ansehnliche Sammlung der Angkor-Schätze, die hier sicher verwahrt werden, gesehen haben, das wenigste fotografieren durften, wird sehr eindringlich und unmissverständlich mit Nachdruck eine Spende von 10 Dollar gefordert. Ich persönlich bevorzuge eindeutige Regelungen, entweder es kostet Eintritt oder nicht. Aber davon abgesehen, verdient dieses Kunstdepot finanzielle Unterstützung, wodurch die Forschungsarbeit intensiviert werden könnte. Nur auf Spendengelder zu bauen ist wenig erträglich. Unabhängig von der finanziellen Misere sind der Besuch im Angkor Conservation, resp. die Besichtigung der Kunstobjekte unbedingt zu empfehlen. Es war mein dritter Besuch in dieser Einrichtung. Neuzugänge und Bestandsaufnahmen der vorhandenen Objekte verändern die Präsentation der schützenswerten Kunstobjekte. Ohne jegliche Nebenkosten schloss ich die Nachmittagsexkursion mit einem Besuch des Wat Preah En Kosei ab. Eine recht ansehnliche Tempelanlage aus der frühen Angkor-Periode hat hier mitten in der Stadt Siem Reap die Zeiten überdauert. Hinweis: Fortsetzung folgt als UNTERWEGS IM ABSEITS Teil 4
Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones
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05.03.2019 Den Ta Prohm Tempel im Angkor-Gebiet besuchen alle Touristen, hat doch eine Filmsequenz (Tomb Raider) für die Popularität dieses Tempels gesorgt. Viele Besucher wollen sich unbedingt an dem einen Baum ablichten lassen, vor dem Angelina Jolie sich in Szene setzte, dabei ist der Tempel noch von vielen weiteren mächtigen Bäumen überwachsen. Um den Ta Prohm Tempel selbständig zu erkunden bedarf es eines guten Orientierungssinnes. Der Tempel ist nicht nur riesig, auch die einzelnen Baustrukturen innerhalb der fünf Mauerringe lassen sich schwer erschließen. Ohne Vorkenntnisse betrete ich inzwischen kaum einen Tempel, ungern überlasse ich es nur dem Zufall, was ich zu Gesicht bekomme. Ich hatte mir für die heutige Exkursion einen Schlachtplan erarbeitet, systematisch wollte ich alle Mauerringe abschreiten. Zunächst besichtigte ich die vier Tore der Außenmauer. Am besten erhalten hat sich das Nord-Tor, welches kaum aufgesucht wird. Sopheak gestand ein, erstmals hier gewesen zu sein. Danach wanderte ich konsequent auf der Nord-Süd-Achse. Im vierten Mauerring öffnen sich nur noch zwei Tore. Zwischen beiden Mauern liegt ein tiefer Graben und rundum sind fast einhundert gleichgroße Steinbauten in unterschiedlicher Erhaltung in gleichen Abständen angeordnet, deren ehemalige Verwendung bislang nicht geklärt werden konnte: Wohnungen der Mönche, Unterkünfte für Retreat-Aufenthalte oder Gästepavillons? Der dritte Mauerring ist als Galerie gestaltet, die sich seltsamerweise nach außen öffnet. Die inneren Mauerringe sind quadratisch, im Gegensatz zu den äußeren Mauerringen, die im Rechteck angelegt sind. Nur wer die Mauerringe abschreitet, die Tore besichtigt, wird sich der wahrhaft gigantischen Ausmaße des Ta Prohm bewusst. Nun habe ich noch kein Wort über die Bauwerke des Tempels verloren, das liegt mir auch fern, denn alles Wissenswerte ist in Reiseführern nachzulesen. Soviel nur: meine vierte Audienz im Ta Prohm Tempel hat mir neue Blickwinkel und hübsche Details erschlossen. Sehr früh am Morgen sollte man den Tempel aufsuchen, spätestens ab zehn Uhr verdichten sich die Besucherströme unerfreulich. Es wird unangenehm laut im Tempel, wenn die menschlichen Busladungen (meist chinesischer Provenienz) durch die engen Gänge getrieben werden. Gott sei Dank gibt es im Ta Prohm Tempel genügend Ausweichmöglichkeiten. Nahe vom Ta Prohm Tempel suchte ich den Kutisvara Tempel auf, ein lauschiges Plätzchen auf dem sich drei Ziegeltürme drängen. Wären nicht die kläffenden Hunde gewesen, hätte ich mich hier zur Brotzeit gesetzt. Zwei sehenswerte Lintel zeichnen den Ort aus. Ins Pflichtprogramm für Touristen wird dieser Tempel niemals aufgenommen, aber Studiosus-Reisenden wird dieser Tempel vielleicht gezeigt werden. Für den Nachmittag entschloss ich mich noch den Pre Rup Tempel aufzusuchen. Hier wendete ich erneut ein bereits am Vormittag erprobtes Verfahren an, das Umschreiten einer Tempelanlage, welches sich am Pre Rup allerdings auf nur einen Mauerring beschränkt. Alle weiteren Umläufe bewegen sich auf Pyramiden-Ebenen. Pre Rup ist ein gewaltiges Bauwerk, die Masse der Prasat und die Wucht der abgestuften Ebenen beeindrucken stets aufs Neue. Erstmals suchte und fand ich die Ableitungen für das Regenwasser. Die Wasserspeier (Gargoyle) im Pre Rup Tempel sind ausnahmslos in Löwenkopf-Form gestaltet. Spezielle Entdeckungen bereiten Freude und erweitern den Horizont. (Groteske Wasserspeier an gotischen Kathedralen werden schließlich auch bewundert und als Besonderheit hervorgehoben.) Die Sra Srang Terrasse wird zur Sonnenaufgangszeit überlaufen sein, doch am frühen Nachmittag ist man auf dieser Terrasse fast allein. Die Restaurierungsarbeiten sind beendet. Die Anlage ist wieder von allen Seiten zugänglich. Ich wollte lediglich sehen, ob der Neu-Zustand sich dem Alt-Zustand nähert. Fotovergleiche werden Antworten liefern. Der Wasserstand im Sra Srang Becken war heuer so niedrig, dass die oberen Steine der Mebon-Ruine zu sehen waren. Es soll Jahre gegeben haben, in denen das Becken völlig trocken lag und der ansonsten versunkene Mebon zugänglich war. Wie auch immer, es gibt im Angkor-Gebiet zwei weitere Mebon-Tempel zu besichtigen. Ich muss allerdings zugeben, den West Mebon im West Baray noch immer nicht gesehen zu haben. Dort finden nämlich auch schon etliche Jahre Restaurierungsarbeiten statt. 06.03.2019 Gäbe es nicht Google Maps, fänden Laien kaum Hinweise auf entlegene Tempel. In keinem der im Handel verfügbaren Reiseführer werden die von mir avisierten Ziele, die ich heute ansteuern wollte, genannt. Wo wäre je etwas über den Daun Troung Tempel oder über den Phnom Kampot Tempel zu lesen gewesen? Davon abgesehen, leicht zu finden ist der Daun Troung Tempel, 40km nordöstlich von Siem Reap gelegen. Die Balang Rangsei Pagoda muss durchfahren werden. Nur 3km westwärts stößt man auf den unbekannten Tempel nicht geringen Ausmaßes. 20m x 50m (geschätzt) misst die Mauer aus Laterit. Gopurams im herkömmlichen Sinne, die diese Mauer unterbrechen, sind nicht zu entdecken, doch in die östliche Mauer ist asymmetrisch ein Gebäude integriert, welches als Ein- und Ausgang gedient haben wird. Im südöstlichen Bereich des inneren Tempelbezirkes direkt hinter der Mauer, regelrecht in die Ecke gedrängt, steht ein massives fensterloses Laterit-Gebäude, nennen wir es aus Verlegenheit und mangels besseren Wissens Bibliothek, die Türöffnung weist gen Westen. Der Tempel, der am besten erhaltene Bau, steht weder auf der symmetrischen Längs – noch auf der Querachse. Er wurde fernab jeglicher Symmetrie errichtet. Beim Bau dieser Tempelanlage wurde jegliche Symmetrie vermieden. Der Prasat aus rotem Sandstein hebt sich von den zwei Laterit-Gebäuden dominant ab. Dem östlich sich öffnenden Turm ist ein stattlicher Mandapa vorgebaut. Das Heiligtum (Altarraum) wirkt im Verhältnis zur äußeren Erscheinung des Turmes eher klein. Durch eine ohnehin enge Tür, die noch von einem notwendigen hölzernen Stützgerüst verkleinert wird, zwängte ich mich auf Knien in den Raum und siehe, der heilige Bereich gewann durch seine Höhe an Größe. Sehr interessant waren die Steinschichtungen der Kammer anzuschauen. Hier bestimmten nicht nur die statischen Anforderungen die Bauweise, auch ästhetische Gesichtspunkte, die dem Raum Harmonie verleihen, wurden berücksichtigt. Schlichte architektonische Formgebung verstärkt den Eindruck des quadratischen Innenraumes. Im hinteren westlichen Tempelareal weisen keinerlei Indizien auf weitere Bauwerke hin. Fazit: Zu sehen sind drei ungleiche Gebäude, die innerhalb einer rechteckigen Fläche völlig ungewöhnlich aufgestellt wurden. Dennoch, gleich von welcher Stelle man auf den Tempel schaut, Disharmonie kommt nicht auf. Europäer scheinen hier selten aufzukreuzen. Drei Buben verschwanden unvermittelt, als ich mich ihnen und dem Tempel näherte. Ich wurde weder begrüßt noch angebettelt. Das nächste Ziel war kein Tempel. Tepkaosa Snay bezeichnet ein kleines archäologisches Museum. Zwei ältere Männer lagen im Schatten des Hauses, ruhten sich aus. Einer von beiden hütete die Schlüssel, der andere öffnete Türen und Fenster, so ist wohl jedem seine Aufgabe zugewiesen. Nun weiß ich zwar wie menschliche Skelette aussehen, aber Schmuck aus frühen Khmer-Zeiten hatte ich noch nicht gesehen und Khmer-Töpferwaren kenne ich nur aus amerikanischen Fachbüchern. Die fachliche Inkompetenz der beiden Männer und die fast naive Präsentation der Objekte wirkten eher rührend, als dass sie zu verwerfen wäre. Nördlich von Kralanh erheben sich mehrere Hügel, an und auf einem dieser Hügel breitet sich das Wat Phnom Truang Bath aus. Hier ist nachzuvollziehen, wie dem Geldfluss (dem Spendenfluss) folgend, die Pagode nach und nach erweitert wird. Bequeme Stufen führen auf die Kuppe des Hügels, auf der ein Tempel errichtet wird. Wir besichtigten die Baustelle. In dem noch nicht fertigen Tempel standen schon fünf überlebensgroße sehr eindrucksvolle Buddha-Statuen. Ich musste nähertreten, die Statuen berühren, glaubte ich doch, sie seien aus Holz gefertigt, doch es war feinster gemaserter Stein. Hinter der Baustelle breitete sich nur noch Dickicht aus. Wir meinten, von hier oben aus den Weg zum Phnom Kampot Tempel zu sehen bzw. zu finden. Um Auskünfte einzuholen, gingen wir zurück ins Kloster. Vier Mädchen begegneten uns. Sopheak fragte nach dem Tempel, sie wussten Bescheid und boten an, uns zu führen. Ehe sie uns den Weg zum Tempel vorausliefen, fuhren sie uns zu viert auf einem Moped voraus. Vier elfjährige Mädchen fürchteten den Umgang mit dem Fremden nicht. Diese Schülerinnen redeten ganz entspannt mit Sopheak und fanden es völlig normal, dass wir den Tempel sehen wollten. Der Weg zum Tempel führte durch eine Steinbruchlandschaft. Jetzt wurde klar, woher der schöne Stein für die Buddha-Statuen stammte. Diese Hügellandschaft wies etliche "Verletzungen" auf, hier ist immer schon Stein gebrochen worden. Der Bedarf ist zu jeder Zeit hoch gewesen. Ehe wir auf den Tempel stießen, wiesen Lateritsteine und zwei Yonis dessen Nähe aus. Der Ziegelbau muss schlicht und unscheinbar genannt werden. Irgendwann ist der Versuch unternommen worden, dem Ziegel-Tempel einen Mandapa vorzusetzen. Der Gesamteindruck hat dadurch kaum gewonnen. Den Phnom Kampot Tempel muss man nicht unbedingt gesehen haben, aber wer ihn besucht, ist in einer schönen Gegend unterwegs. Kaum eine halbe Stunde später erreichten wir Sisophon (gesprochen Sisoponn). Mitten in der Stadt ist ein schöner Park angelegt, dort befindet sich auch das Provincial Museum, eine Außenstelle des National Museum Phnom Penh. Auch dieses Museum war verschlossen. Doch bald erschien der Herr der Schlüssel und öffnete die Pforten. Dieser gut gekleidete junge Mann schien meine Begeisterung zu verstehen, wunderte sich aber wenig später doch über den Menschen, der sich verrenkte und verbog oder auf Knien am Boden kroch, um die passende Perspektive für optimale Lintel-Fotos zu suchen, einen solchen Typ hatte er wohl noch nicht in seinem Hause erlebt. Während ich fotografierte, spürte ich, fotografiert zu werden. Zur Verabschiedung mussten sich Sopheak und ich noch für ein Erinnerungsfoto zur Schau stellen. Nun werde ich wohl, gottlob namenlos, im Facebook oder sonstigen sogenannten social media als crazy tourist umherirren. Dieses Opfer musste ich bringen. Der Gewinn war weitaus hochwertiger. Der junge Museumsangestellte gewährte mir sogar Einblick in das Depot des Museums, einen vergitterten Raum, in dem sich Statuen, Lintel, Akroterien und sonstige Steinfragmente türmen. Meine Begeisterung schien ihn angesteckt zu haben, so konnte er wenigsten heute einmal alle Schlüssel drehen. Die Heimfahrt war für mich eine Zeit der Entspannung. Tee trinken, Brot essen. In Siem Reap ließ ich kurz am Prasat Kouk Chak stoppen. Ein Spezialist für Khmer-Kunst hatte mich um einen Gefallen gebeten. In den Türlaibungen befänden sich Sanskrit-Inschriften, ob ich die nicht fotografieren könne. Mit wenig Aufwand habe ich mein Versprechen eingelöst. Vielleicht erfahre ich irgendwann den Inhalt dieser Texte. 07.03.2019 Wie immer fuhr Sopheak pünktlich vor, heute mit dem Motorrad. Ich hatte "Berg-Touren" angekündigt. Doch zur Aufwärmung gab es das Abseitige zu sehen. Einen Neak Ta Schrein und das Stelengehäuse Ta Dor in der Nähe des Prasat To. Gleich nebenan soll es noch eine historische Brücke geben, die haben wir leider nicht gefunden, (schon letztes Jahr erfolglos gesucht). Der Neak Ta Schrein ist nichts anderes als ein größeres Wellblechhäuschen, in denen die Reliquien der Anbetung bewahrt und die Opfer niedergelegt werden. Im Neak Ta Schrein werden drei alte reliefierte Steine angebetet. Der Außenstehende kann die Volksfrömmigkeit kaum nachvollziehen, muss er auch nicht, aber er muss die Menschen und ihren Glauben wertschätzen. Ich wurde an einem anderen Platz an einem anderen Schrein Ohrenzeuge einer sehr abfälligen Bemerkung: was das für eine Hundehütte sei? Sopheak erklärte, wie wichtig für die Menschen das spirit house sei. - Vom Stelengehäuse Ta Dor ist nur noch das Tor zu sehen. Der Bau war sicher vollständig aus Laterit errichtet. Wer von der Existenz dieses Bauwerkes nichts weiß und den Standort nicht kennt, der läuft oder fährt vorbei, ohne es wahrzunehmen, obwohl es unmittelbar an der Straße steht. Die Ruine ist total eingewachsen, Staub trägt zur weiteren Tarnung bei. In der Erinnerung bleibt Dickicht, in dem sich ein Laterit-Tor verbirgt. - Das nächste Ziel war nicht zu verfehlen. Der Phnom Bok ist hoch genug, der ist nicht zu übersehen. Diesen Berg-Tempel ganz für mich allein im Morgenlicht besichtigen zu können, empfand ich als besonderen Vorzug. Phnom Bok wird in den meisten Reiseführern erwähnt, zu Recht, und bessere Ausgaben liefern sogar nähere Beschreibungen. Obgleich ich den Tempel auf der allerersten Kambodscha-Reise schon besucht hatte, war mir die heutige Besichtigung mehr als nur eine Wiederholung. Ich betrachte inzwischen die Tempelanlagen aus einem geschulten Blickwinkel, weiß vieles einzuordnen, was ich vormals nur ahnungslos zur Kenntnis nahm. Zeit müsste man haben. Das ideale Rezept wäre jeden Tag einen Tempel aufsuchen, sich dort von morgens bis abends aufhalten. Tausende Eindrücke im Hirn speichern. Nach diesem Prinzip erschlössen sich alle Tempel, Verschiedenheiten sowie Ähnlichkeiten kämen ans Licht. Phnom Bok jedenfalls steht morgens im günstigsten Licht. Anders der Prasat Chambak, da könnte die Sonne noch so scheinen, den Tempel sieht man nicht, obwohl er keine 10m vom Straßenrand entfernt seinen Standort hat. Bäume und Sträucher haben den Ziegeltempel fast verschlungen. Der rote Staub vom Straßenbelag trägt außerdem nicht unerheblich zur Unsichtbarkeit dieses Tempels bei. Wäre nicht der Lintel, der unversehrt am Boden liegt, müsste der Tempel weder erwähnt, noch gesucht werden. Ohne Sopheaks Hilfe hätte ich den Tempel nicht gefunden und der wiederum nicht ohne Hilfe der Anwohner. Man fährt schlichtweg vorbei, wenn man den genauen Standort nicht kennt. Zu überlegen wäre, ob der Lintel nicht im Angkor Conservation in Siem Reap besser aufgehoben wäre, denn in situ wird sich der Türsturz verlieren. - Leichter zu finden ist das Tani Ceramic Museum, die Hinweisschilder sind nicht zu übersehen. Wer Keramik mag, sich Gebrauchsgegenstände der Khmer anschauen möchte, der ist hier richtig. Die Wissbegierigsten von ihnen können sogar einen Spaziergang von Brennofen zu Brennofen unternehmen. Zu finden sind ein Dutzend historische Arbeitsstätten (museal erschlossen), in denen Töpferwaren hergestellt wurden. Das ist eine Tour für Spezialisten, ich war mit der Ausstellung im hübschen Museumsbau (übrigens von Japan finanziert) bestens bedient. Nach dem Museumsbesuch steuerten wir das Wat Deva an. Ich liefere absichtlich zusätzlich den Namen in Khmer-Schrift, weil Google keinen anderen Namen präsentiert: វត្តទេវ. Wäre nicht auf dem Hügel, an dessen unterem Bereich sich das Kloster ausbreitet, ein Tempel zu vermuten, hätte ich das halbfertige Kloster kaum angesteuert. Die physische Karte lässt auf dem Hügel ein Bauwerk vermuten. Die von Google dem Kloster zugeordneten Fotos zeigen viele Fotos des Klosters. Ein Selfie bildet die Ausnahme: eine junge Frau vor Lateritsteinen. Das Selfie und die physische Karte ergaben den Reim, hier muss ein Tempel sein. Im Kloster sind mehr begonnene als vollendete Bauwerke zu sehen, aber der Hügel selbst muss schon länger ein bevorzugter Ort gewesen sein. Es führen sichere Stufen hinauf. Links und rechts der Stufen (am Hang) sind kleine, teilweise ältere Schreine errichtet. Oben grüßt ein Buddha im Großformat die Büßer und Tempelstürmer. Nebenbei erwähnt, auch ihm – dem Buddha – ist nur ein Blechdach als Sonnen- und Regenschutz zugedacht. Der Aufstieg fällt nicht schwer. Am Phnom Bok ist die dreifache Höhe zu überwinden. Tatsächlich bestätigte sich meine Vermutung. Kaum hundert Meter vom Buddha-Schrein entfernt sahen wir den Prasat Sein Chey. Den Namen des Prasat hat Sopheak für mich später den Mönchen entlockt. Der Tempelbau ist ein Unikat: ein etwa 10m hoher Turm mit einem gedrungenen Mandapa, die zusammengebrochene Frontseite (Ost) ist offen, keine Scheintüren, kein Schmuck, von Vorsprüngen im Mauerwerk abgesehen. Der Bau ruht auf einem Lateritsockel. Das Besondere: hier wurde mit Materialien gespielt. Lateritsteine und Ziegelsteine wechseln schichtenweise. Für den Unterbau wurde Laterit verwendet, darauf liegen mehrere Schichten Ziegelsteine. Das sich verjüngende Dach wurde wiederum aus Lateritstein geformt, dabei hatten die Khmer-Baumeister längst Erfahrung genug, wussten sie doch, wie ein Kraggewölbe mit Ziegelsteinen gebaut werden muss. Die Form und Haltbarkeit dieser stabilen Dachkonstruktionen kann an vielen Khmer-Tempeln studiert werden. Noch an keinem anderen Laterit-Tempel habe ich jemals Zwischenschichten aus Ziegelsteinen wahrgenommen. Entweder wurden Ziegel- oder Lateritsteine verwendet. Ziegelbau auf Laterit- oder Sandsteinfundament oder aber Fundament und Aufbau aus einem Material, das war die Norm. Sollte sich hier der originale Bauzustand überliefert haben, stünden Besucher vor einem ungewöhnlichen Tempelbau, da sich jedoch sehr selten Leute, noch seltener Touristen, hierher verirren, werden sich nur wenige Menschen über den eigenwilligen Turm wundern. Wie auch immer, ich habe den Besuch nicht bereut. - Das nächste Projekt trug den Namen Phnom Dei, also wieder ein Berg. An diesem auffälligen Buckel ganz in der Nähe von Banteay Srei fahren alle Leute, die den berühmten Banteay Srei Tempel besuchen, zwangsläufig vorbei. Die wenigsten wissen, dass sich auf dem Gipfel die Ruinen eines Tempels befinden. Selbst Einheimische behaupten, dort oben wäre kein Tempel. Dort wäre doch nur Militär unterwegs und ein Sendemast hätte dort seinen Standplatz. Ich aber weiß es besser. Zuverlässige Fotos belegen Tempelruinen. Der Berg ist komplett bewaldet, dicht bewachsen. Felder und Steinbrüche umgeben den Berg. Hier sahen wir Laterit als natürliches Vorkommen, konnten auch die Abbruchstellen, also die Orte der Gewinnung ausmachen, aber einen Weg nach oben fanden wir nicht. In Europa hätte ich wohl den kürzesten Weg gewählt. Am Phnom Dei hätten wir uns durch dichten Dschungelbewuchs kämpfen müssen. Vor dem dornigen Gestrüpp habe ich längst Respekt entwickelt. Da käme man nur schwer voran, noch schwerer hinauf. Nach zwei Versuchen, einen Weg, einen frei geschlagenen Pfad zu entdecken, brachen wir die Besteigung des Phnom Dei ab. Die Tour hätte sich bei 37 Grad Celsius ohnehin zur Tortur gesteigert. Vielleicht werden absichtlich die Informationen zu Berg und Tempel geheim gehalten? Ich werde das Projekt Phnom Dei im Fokus behalten. - In Banteay Srei muss nichts verheimlicht werden, hier kann alles gezeigt werden, dieser Tempel entfaltet sorglos seine Pracht und viele Menschen kommen, um diese Pracht zu genießen. Zu diesem Tempel existiert kein Pendant. Er ist einmalig. Irgendwann sprach ich vom Khmer-Barock, einer Stilrichtung, die es nicht gibt, doch ich meinte damals, der Begriff träfe die Sachlage auf den Punkt. Kunstgeschichtler werden jetzt die Nase rümpfen . . . aber jeder Mensch hat seine Assoziationen. Ganz nebenbei habe ich noch einen kleinen Schrein nordöstlich des Tempels entdeckt. Im Vergleich zum Banteay Srei Tempel eine Nichtigkeit, aber ein Beweis für Bauten, die den heiligen Bezirk tangierten. Symmetrie bestimmt den Banteay Srei Tempel. Südöstlich der Symmetrieachse konnte ich keinen weiteren Tempel (Schrein) sehen. 08.03.2019 Wie viele Touristen wandern pro Jahr um den äußeren Mauerring des Preah Khan Tempels? Wie viele deutsche Touristen gönnen sich dieses Vergnügen? Das wären finale Fragen für die TV-Sendung »Wer wird Millionär«. Die Zahl wird sich gering ausnehmen. Nur sehr wenige Menschen werden sich zu diesem außergewöhnlichen Spaziergang aufraffen. Ich kenne nur einen und der begegnete heute Morgen auf diesem Weg keinem anderen Menschen. Der Weg ist weder lang noch schwierig. An einigen Stellen ist die Mauer gebrochen oder umgestürzt, da heißt es über Steine steigen. Egal wo man die Besichtigung des Preah Khan Tempels beginnt, man muss über eine Brücke und durch ein Tor gehen. Links und rechts der vier Außentore sind die vielgerühmten Groß-Garudas zu sehen. Dort entstehen viele Fotos, neuerdings Selfies. Ich kann nicht mehr sagen, wer es geschrieben hat, noch wo ich es gelesen oder gehört habe, angeblich würden diese Garuda-Figuren an der gesamten Außenmauer in gleichen Abständen verteilt sein. Um zu glauben, was behauptet wird, musste ich spazieren. Der Mauerring misst lediglich 700mx800m, nach Adam Riese summa summarum drei Kilometer. Der Gewinn dieser Tour ist nicht zu verachten. Erstens sieht man sämtliche Garudas in unterschiedlichem Erhaltungszustand. Zweitens sieht man die Garudas an den Eckpunkten des Mauerringes, die noch monumentaler als die an der Mauerwand gestaltet sind. Drittens werden alle Tore erreicht und viertens sind bei tiefem Wasserstand die herrlichen Reliefs an den Brückenwangen zu sehen. Zur Sache: alle fünfzig Meter trifft der Wanderer auf einen Garuda und hier sei versichert, es finden sich unterwegs etliche ausgesprochen schöne Exemplare dieser Spezies. Ich meine sogar, dass viele besser erhalten sind, als die wenigen Garudas, die an den Gopuram die Schlangen krallen. Die Mauer selbst wird von zahllosen Zinnen bekrönt, die allerdings unvollständig erhalten sind. Sämtliche Buddhas in den Bildfeldern wurden ausgemeißelt. Was eben auch nicht stimmt. Mindestens einer wurde übersehen, das kann ich mit einem Foto belegen. Ein zweiter Zinnen-Buddha ist am Ost-Tor zu sehen, dort wird nämlich ebenerdig eine Zinnen-Reihe präsentiert. - Außerdem kann ich beweisen - Wem eigentlich? Mir selbst! - dass an allen Brückenwangen, die zu den Toren führen, Reliefs angebracht sind. Der Erhaltungsgrad variiert, aber partiell sind sagenhafte Details zu sehen. Mehr noch, thematisch scheinen die Friese völlig eigenständig zu sein. Hier fehlt dem Laien die Fachliteratur. Zum Preah Khan Tempel kann und will ich hier nichts weiter schreiben. Das haben andere Kenner längst mustergültig erledigt. Ich kann aus voller Überzeugung den Artikel von Ando Sundermann empfehlen, nachzulesen auf der Website: www.angkor-temples-in-cambodia.com/preah-khan.html Für den Preah Khan Tempel sollten Besucher wenigstens vier Stunden einplanen. Wäre es nicht so glühend heiß gewesen, hätte ich den ganzen Tag im Preah Khan Tempel verbracht. Gesehen habe ich vermutlich alle Höfe, Galerien, Tore, Gebäude, Mauern und ungezählte Details. Zur Erholung ließ ich mich zu den nördlich von Preah Khan liegenden Tempelanlagen Prasat Prei und Prasat Banteay Prei fahren. Hier würde ich sicherlich keinem Menschen begegnen, eine Vermutung, die sich bewahrheitete. Prasat Prei ist ein kleiner Tempel. Es gibt nicht umsonst die bekannte Redewendung: »Klein aber fein«, diese Aussage ist hier treffend. Banteay Prei liegt gleich nebenan. Die Ausmaße dieser Tempelanlage sind keineswegs gering. Eine äußere Mauer umschließt den Wassergraben, hinter dem Graben liegt ein zweiter quadratischer Mauerring, der sich als Galerie nach innen öffnet. Im Zentrum dieses Areals wurde der Tempel errichtet. Obwohl ich beide Tempel zu kennen glaubte, waren die Besichtigungen erneut spannend. Es sollte noch spannender kommen. Auf der holprigen Strecke zum Todestor (Gate of the Death in Angkor Thom), die nur langsam befahren werden kann, hielt ich Ausschau nach "Auffälligkeiten". Plötzlich rief Sopheak, er hätte "old stones in the forrest" gesehen. Wir stoppten und liefen gut 100m in den Wald hinein. Sopheak hatte sich nicht geirrt. Seine Adleraugen hatten eine unbekannte Tempelanlage nicht geringen Ausmaßes erspäht. 30mx50m sind schließlich keine Kleinigkeit und wenn auf dieser Fläche mehrere Gebäude aus Sandstein und Laterit klar zu definieren sind, dann haben sich die wenigen Schritte gelohnt. Tatsächlich ist auf einer stilisierten Spezialkarte, die ich digital hüte, an dieser Stelle das Symbol für historische Strukturen eingezeichnet. Das Tor des Todes ist kein Hauptziel in Angkor Thom, aber es ist das offizielle Ost-Tor und nur dort wurden außen neben dem Tor seltsame Bauten aus Laterit direkt an die Stadtmauer angefügt. Außerdem führen Sandsteinstufen zum Wassergraben hinab. Tor des Todes? Da beginnen doch gleich die Gedanken zu kreisen. Welchem Zweck dienten diese Gebäude? Wächter werden sich kaum in den fensterlosen Gebäuden aufgehalten haben? Wurden in diesen Gebäuden Tote, ehe sie verbrannt wurden, aufbewahrt? Fanden am Graben Verbrennungen statt? Die Bauten sind schlicht, einfach nur zweckgebunden hochgezogen. Auf jegliche Verzierung wurde verzichtet. Nochmals: an keinem anderen Tor von Angkor Thom sind solche Gebäude zu sehen. - Gleichfalls höchst ungewöhnlich empfand ich die Tatsache, dass mein Fahrer Sopheak den Tempel Manghalartha nicht kannte. Ich zeigte ihm den Tempel, das letzte Bauwerk, welches die Khmer in Angkor Thom errichteten. Hinweis: Fortsetzung folgt als UNTERWEGS IM ABSEITS Teil 3
Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones 01.03.2019 Die Anreise nach Siem Reap, ansonsten fast ein Kinderspiel, sofern man über genügend Geduld und massives Sitzfleisch verfügt, artete heuer erstmals zum kalkulierbaren Abenteuer aus. Vom aktuellen Konflikt im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Indien, ohnehin eine Unruheherd seit 1947, waren viele Fluglinien nach Südostasien betroffen. Aus Sicherheitsgründen war der Luftraum über den zerstrittenen Ländern auf nicht absehbare Zeit vorsorglich gesperrt worden. Alle Airlines mussten sich den Luftraum über Südindien teilen oder ihre Flüge ausfallen lassen. Ausgerechnet meine Flugverbindung mit Thai Airways am 28.2.2019 war gestrichen worden, weil die für diesen Flug vorgesehene Maschine Bangkok am Vortag nicht verlassen durfte. Konkret: die Passagiere vom 27.2. waren auf den 28.2. vertröstet worden. Auf Grund der Annullierung wurde ich auf Singapur Airlines umgebucht, musste also, wie oft schon, in Singapur den Flieger wechseln. Weiter flog ich nach Bangkok, erst von dort aus direkt nach Siem Reap. Fazit: ich benötigte drei Flugzeuge, um mein Ziel zu erreichen. Wäre ich nicht schon mehrfach in Singapur umgestiegen, hätte ich den Anschlussflug wohl kaum erreicht. Der Airport Singapur verdient das Adjektiv gigantisch. Die Wechsel von Terminal zu Terminal werden mit Sky-Trains realisiert. Ohne die ständigen Pendel-Züge wären die Transfair-Strecken innerhalb des Airports unzumutbar. Schon die Wege innerhalb der Terminals können bis zu 30 min dauern. Im Laufschritt hetzte ich zum Sky-Train, wechselte das Terminal, schritt weiter forsch aus und erreichte den Flieger nach Bangkok. In Bangkok erwartete mich das gleiche Spiel: laufen, laufen, laufen. Wirklich durchatmen konnte ich erst in Siem Reap. Die Visa-Formalitäten werden noch immer von 12 (zwölf) Beamten, die in Reihe hinter einem langen Pult platziert sind, erledigt. Jeder hat seine spezielle Aufgabe. Zuerst müssen 30 Dollar entrichtet und ein Datenblatt nebst einem Passbild abgegeben werden. Im Laufe vieler Jahre müssen hier stattliche analoge Porträt-Dateien entstanden sein. Wo und wie lange werden diese persönlichen Daten aufbewahrt und geschützt? Anschließend muss man geduldig (stehend übrigens und inmitten einer Menschentraube) warten und schauen, wann endlich der Final-Officer deinen Pass in die Höhe hält. Der Eigentümer gibt sich zu erkennen, bahnt sich einen Weg durch die Menschenmenge, um sein Dokument entgegenzunehmen und muss sich in eine der nächsten Warteschlangen einreihen. Nun findet das elektronische Fotoshooting statt, die schon im Flieger ausgefüllten Ausreise-Formulare werden mittels Klammeraffe dem Pass einverleibt und kaum hat man eine halbe Stunde gewartet (oder auch länger), wird endlich die Einreise genehmigt. Der uniformierte Beamte meinte anerkennend, ich würde ja schon öfters in Kambodscha zu Gast gewesen sein. Worauf ich antwortete, es gibt eben zu viele Tempel in ihrem Land. Er schmunzelte und reichte wohlwollend meinen Pass über den Tisch. Danach der übliche Weg zum Gepäckband, Koffer schnappen, Zollerklärung abliefern, alles muss schließlich seine Ordnung haben und kaum hat man sich versehen, tritt man hinaus in die gleißende Sonne und fühlt sich der tropischen Hitze gnadenlos ausgesetzt. TukTuk-Fahrer, die zur Abholung der Gäste verpflichtet worden sind, müssen sich in Geduld üben, denn mitunter kann das Einreise-Prozedere endlos lange währen. Heute hatte ich Glück, alles ging zügig vonstatten, falls im Zusammenhang mit kambodschanischen Arbeitsabläufen überhaupt dieses Adjektiv zur Anwendung gelangen sollte. Vierzehn Uhr bezog ich das Hotelzimmer und sechzehn Uhr traf ich meinem bewährten Fahrer. Sopheak Raksar war pünktlich zur Stelle. SMS genügt. Auf diesen Mann ist Verlass. Als ich ihn zufällig bei meiner ersten Reise als Tuktuk-Fahrer engagierte, wusste ich nicht, welchen Glücksgriff ich getan hatte, welche wertvollen Dienste er gerade mir erweisen würde, denn er verbindet Besonnenheit mit der Bereitschaft sich auf Unbekanntes einzulassen, also genau der richtige Guide für jemanden wie mich, der gerne im Abseits unterwegs ist. Ich erwarb ein personengebundenes Angkor-Ticket, welches binnen dreißig Tagen den siebenfachen Zutritt zu den Tempeln im Angkor-Gebiet ermöglicht. Für heute Nachmittag wusste ich ein halbes Dutzend Tempel im näheren Umfeld des Hotels, die ohne Angkor-Ticket zugänglich sind. Sopheak ist an meine speziellen Aufgabenstellungen längst gewöhnt, wundert sich selten und versucht die von mir avisierten Ziele zu finden. Prasat Patri ist ein Fall für Archäologen und Prasat Trapeang Ropou ist ein Objekt für Tempel-Jäger, sofern diese Spezies Mensch auf Erden lebt. An solchen Orten stauen sich keine Touristen und Einheimische kommen eher selten zu diesen Plätzen. Oft wissen die Leute nicht, dass sich nur 600m von ihrem Wohnhaus entfernt eine Khmer-Tempelanlage befindet. Sie kennen nur den Weg zu ihrem Tempel, in dem sie Buddha anrufen. Beim Prasat Patri kann kaum noch vom dreidimensionalen Zustand gesprochen werden. Was die Zeiten überdauert hat, immerhin geschätzte tausend Jahre alt, liegt flach am Boden. Prasat Patri war kein kleiner Tempel. Die einstige Größe weisen die Fundamente dreier Türme, etliche Sandstein-Bruchstücke und der U-förmige Wassergraben aus. Vom Prasat Trapeang Ropou sind immerhin noch aufrecht stehende Tempel-Fragmente zu sehen. Von drei in Reihe geordneten Türmen, die vormals ein schmuckes Gesamtbild ergaben, stehen noch die Tore und unterschiedliche hohe Mauersegmente. Prasat Trapeang Ropou war größer als Prasat Patri und ist eher mit Prasat Kouk Chak zu vergleichen. Die Tempel im westlichen Stadtgebiet von Siem Reap sind längst nicht restlos erforscht und keinesfalls wissenschaftlich ausgewertet, bestenfalls registriert. Hier bedarf es noch vergleichender Studien. Möglicherweise wurden in französischen Fachjournalen längst schon Artikel über diese Tempel veröffentlicht? Hier endet das Latein des Amateurs und könnte er Französisch, wäre auf Grund der Problematik internationaler Fernleihe-Verfügungen der Zugang zu den Informationen erschwert. Es ist schon ein Kreuz, wenn man sich ein klein wenig intensiv mit den Bauwerken der Khmer beschäftigt. Schlussendlich ist man doch auf sich allein und auf die eigenen bescheidenen Erkenntnisse gestellt. Mehr zu den Tempeln in Siem Reap im Artikel Unbekannte Tempel in Siem Reap in diesem Blog. 02.03.2019 Wer mir vor einigen Jahren prophezeit hätte, ich würde irgendwann Abwasserkanäle der Khmer besichtigen, dem hätte ich vehement widersprochen. Mein erstes Ziel der heutigen Exkursion innerhalb der Stadt Angkor Thom trägt den klangvollen Namen Run Ta Dev. Das Objekt der Begierde ist nur zu Fuß erreichbar. Vom Süd-Tor muss der Neugierige 1,5km auf der Stadtmauer entlanggehen, ehe er den südwestlichen Prasat Chrung erreicht, einen der vier Eck-Tempel, die das ummauerte Viereck der Stadt markieren. Eine moderne gesicherte Treppe führt außen zum Uferbereich des breiten Wassergrabens herab. Etwa 80m südöstlich vom Prasat Chrung entfernt, befindet sich Run Ta Dev, ein unter der Stadtmauer hindurchführender Kanal. Die Stadtmauer wurde aus Lateritblöcken geschichtet, folglich sind die Kraggewölbe des Abflusskanals ebenfalls aus Lateritsteinen geschichtet. Zu sehen sind fünf kleine Brückenbögen, die von der Mauer überquert werden. Richtig kenntlich wird die Bedeutung dieses Bauwerkes erst, wenn man es von beiden Seiten besichtigen kann, was nur zur Trockenzeit möglich ist. Klugerweise hatten sich die Baumeister den tiefsten natürlich vorhandenen Bereich in Angkor Thom gewählt und dort das Becken Beng Thom angelegt. Hier sammelten sich die Abwässer der Stadt und konnten dem Gefälle folgend nach draußen in den breiten Graben abfließen. Die kurze Strecke (1,5km) vom South-Gate zum Bayon-Tempel bewältigen die meisten Touristen ohne Zwischenstopp. Ahnungslos fahren sie an einigen Tempeln und tradierten Klosteranlagen vorbei. Man kann darüber streiten, ob ein Steinhaufen noch als Tempel zu bezeichnen ist oder ob es nur der klägliche Überrest eines nicht näher zu definierenden Gebäudes sei, falls aber vorhandene Strukturen eine Mauer, ein Fundament oder eine Terrasse erkennen lassen, dann geht dem Amateur nicht nur ein Licht, sondern auch das Herz auf. Ich fand immerhin rechts des Weges zwei eindeutige Belege für ehemalige Tempel, die ich gern benennen würde, für die es aber, soweit mein Blickfeld reicht, keine Namen gibt. Links der Straße liegen zwei moderne Klöster, die an tradierten Orten und auf Fundamenten ehemaliger Tempel erbaut wurden. Aufmerksame Betrachter sehen sofort die alten Bausteine und können diese zeitlich einordnen, was im Fall von Angkor Thom leicht fällt. Ehe die Süd-Zufahrt in die den Bayon-Tempel umgebende Ringstraße mündet, haben französische Wissenschaftler auf einer Freifläche die vorhandenen Restmaterialien sortiert. Hier sind ohne Aufwand wunderbare Reliefs zu entdecken. Am asphaltierten Rundkurs des Bayon sind ebenfalls mehrere kleine Tempel (Schreine) und Tempelterrassen erhalten geblieben, die leider keinerlei Beachtung finden. Auch hier fehlen die Namen. Möglicherweise sind die Namen der Tempel schlichtweg vergessen worden. Für mich stellt sich die Frage, ob die Archäologen Namen kennen oder diese Objekte nur mit Nummern versehen haben? Monument 486 bzw. 487 sind Kennern ein Begriff. Der Prasat Top West (West Top Tempel, West Prasat Top) wird unter der Nummer Monument 486 gelistet, so klein der Tempel, ist er dennoch seit Jahren zur Dauerbaustelle avanciert. Ich kenne diesen Tempel nicht anders als im eingerüsteten Zustand. Es scheint Probleme zu geben, vermutlich finanzieller Art, dennoch lässt sich der Fortschritt der Restaurierungsarbeiten feststellen. Welche Sünden in Unkenntnis dort begangen werden, kann nur glauben, wer sich vor Ort Einblick verschafft. Einen Lintel vor Absturz zu sichern ist legitim und notwendig, den aber mitten im feinst erhaltenen Relief mit einer Gerüststange abzustützen, ist unprofessionell, wenigstens wurde, soviel sei zur Ehrenrettung der Beteiligten zugegeben, zwischen Metall und Stein eine dämpfende Gummiplatte gelegt. Irgendwann werden die Wiederaufbauarbeiten am Tempel 486 abgeschlossen sein und ich keinen Anlass mehr vorfinden, der mir Unwohlsein verursacht. - Im Anschluss stürzte ich mich mit der engagierten Unterstützung von Sopheak in ein zeitaufwendiges Unterfangen. Kaum zu glauben, dass niemand den Prasat Ta Vong kennt, eine von vier Krankenhauskapellen. Sopheak fragte die Anwohner der Gegend, in welcher Richtung der Tempel zu finden sein könnte. Ich sprach Polizisten und Wachpersonal an. Keiner wusste Bescheid, niemand konnte Auskunft geben. Vermutungen taugen in Kambodscha nichts. Dabei heißt es schlicht: 1km westlich vom West-Tor der Stadt Angkor Thom stünde dieser Bau. Ich kenne Fotos aus dem Internet, weiß mindestens zwei Leute, die den Tempel gesehen und im Web beschrieben haben. Trotz aller Beweise, die das Vorhandensein des Prasat Ta Vong belegen, haben wir diese Kapelle nicht gefunden. Man verwies uns auf den Prasat Ta Muong, der liegt tatsächlich westlich des West-Tores, kann aber nicht der gesuchte Tempel sein. Wer gewillt ist, das Außergewöhnliche zu entdecken, der sollte sich durch Dornengestrüpp quälen, finden wird der Tapfere eine Tempelanlage nicht geringen Ausmaßes. Aber eine Warnung sei gestattet: der Prasat Ta Muong ist ein Fall für eingefleischte Liebhaber klassischer Angkor-Kunst. Unverrichteter Dinge fuhren wir zurück ins Herz von Angkor Thom. Im westlichen Außenbereich des Baphuon begann mein ebenfalls heute anstehender ausgedehnter Erkundungsgang ins Abseits im und um den Königspalast. Sopheak hatte ich Ruhe befohlen, er solle im Schatten vor der Lepra-König-Terrasse auf mich warten. Gnadenlos stach die Sonne, dennoch trieb mich der Ehrgeiz, wollte ich doch die äußeren Mauern und die jeweiligen Außen-Tore des Baphuon finden und mit Fotos belegen, ein Projekt, das von Erfolg gekrönt war. Ein gleiches Vorhaben gelang mir am Phimeanakas. Nicht alle Wiederholungstäter richten Schaden an. Das Männerbad im Areal des Königspalastes wartet mit herrlichen Reliefs auf, die leider (oder zum Glück für mich) vom Publikum missachtet bzw. kaum beachtet werden. Die West- und die Südseite der Beckenumrandungen werden von drei übereinander gelagerten Bildbändern verziert. Bessere Reiseführer erwähnen diese Reliefs, damit gelten diese Bildwerke allerdings schon als abgehakt. Diese Relief-Bänder hätten wahrhaftig mehr als nur beiläufige Erwähnung verdient. Nach der genüsslichen Wiederholungstat verließ ich das Königspalast-Areal nördlich und spazierte entlang der Außenmauer in westlicher Richtung. Zum größten Erstaunen fand ich im Abstand von geschätzten 20 Metern eine zweite Mauer vor, zwischen beiden Mauern breitet sich ein tiefer Graben. Das Areal, in dem der König residierte, lebte und wohnte, war also doppelt gesichert. Ich erreichte nach zehn Minuten den Trapeang Daun Mea, ein riesiges Wasserbecken, jetzt (im März) ausgetrocknet. Auch hier fanden sich historische Mauerstrukturen aus Laterit. Gemütlich und durchaus zufrieden begab ich mich auf dem gleichen Weg zurück zum Nord-Tor vom Königspalast-Areal. Jetzt wurde es total spannend. Noch nirgends wurde ein wirklich großes ummauertes Wasserbecken erwähnt, in dessen Umfeld sich weitere Sandsteingebäude nachweisen lassen. Wie wenig neugierig sind doch Besucher. Ich wies einen Touristen auf die schönen Reliefs am westlichen Beckenrand hin. Er lächelte gelangweilt und ging seiner Wege. Entdeckt hatte ich diese Anlage via Google Street View. Wer aber schreitet online alle blauen Linien ab? Selbst wenn man unvorbereitet unterwegs ist und nur den ausgeschilderten Weg vom Königspalast-Areal zum Preah Palilay Tempel benutzt, (keine 500m) , ist die rechter Hand liegende unbekannte Anlage auf Grund seiner Ausmaße kaum zu übersehen. Ich schätze die Außenmaße des Beckens auf 20x70m, außen herum stehen die Laterit-Fragmente einer Mauer. Weshalb war dieses Becken ummauert? Wer sollte oder wollte nicht gesehen werden? Wiederum außerhalb dieser Mauer befinden sich im nordöstlichen Bereich Reste eines oder mehrerer Sandsteingebäude. Zurück zu den völlig unbekannten Reliefs am Beckenrand: zu sehen ist eine Wasserszenerie, rudernde Männer in ihren Booten. Sie sind nicht bewaffnet, sie kämpfen nicht. Wir blicken auf kein Schlachtenbild. Friedlich sind die Männer unterwegs, als wären sie auf einer Ausflugsfahrt. Die Boote begegnen sich, ohne sich zu bedrängen. Falls die Boote hintereinander fahren, wäre eine Wasserprozession dargestellt. Mehrere dieser Männer halten Schirme über sich. Einige sind unbeteiligt, lassen sich ausfahren bzw. rudern, sie sitzen im Boot und genießen die Fahrt. Sportlicher Wettkampf ist fast auszuschließen, wäre dem so, dann blickten wir auf eine Regatta, eher verbirgt sich in dem Bild eine feiertägliche Episode. In den Freiflächen zwischen den Booten sprießen Lotosblüten empor. Leider hat sich das Becken im Laufe der Jahrhunderte durch natürliche Kompostierung mit Erdreich gefüllt, deshalb ist keine Wasserlinie auf dem Relief zu erkennen, so bleibt nur zu vermuten, dass die Fauna eines Sees dargestellt, aber nicht zu sehen ist. (Hier überkam mich fast die Lust, heimlich mit einem Spaten zu kommen und das Relief freizulegen.) Zum restlosen Verschwinden der aus meiner Sicht einmaligen Bilderfolge tragen die jetzt lebenden Menschen erheblich bei. Dem riesigen Laubaufkommen in den Dschungelgebieten Herr zu werden, ist eine echte Herausforderung. Immerhin werden die Wege freigehalten, das ist lobenswert. Wohin aber mit dem Laub? In den Wald kehren? Seitlich der Wege ausbreiten? Riesige Laubhaufen anwachsen lassen oder die vorhandenen Becken, die ohnehin die meiste Zeit des Jahres nur noch trocken liegen, mit Laub füllen? Was macht es schon, wenn nach und nach wertvolle (vielleicht einmalige) Reliefs zugeschüttet werden? Es ist ein Jammer! Irgendwo habe ich mal den Satz gelesen, es gäbe im Königspalast außer dem Phimeanakas-Tempel nicht viel zu sehen. Solche arglos verbreiteten „Weisheiten“ mögen richtig sein für Touristen, die niemals den Impuls verspüren oder keine Zeit haben die ausgetretenen Touristenpfade zu verlassen. Es befinden sich im nördlichen Bereich vom Königspalast-Gelände mehrere sehenswerte Bäder, hier wären außer dem Männer- und Frauenbad, noch das königliche Bad mit Relief-Terrasse zu erwähnen, (einer verkleinerte Elefanten-Terrasse), außerdem sind im südlichen Bereich mehrere kleine Bauten und eine keineswegs kleine kreuzförmige Terrasse zu besichtigen. Vier kleine Tempel, parallel angeordnet, vom Ausmaß alle ziemlich gleich, im Aussehen unterschiedlich, bilden eine Anlage, die nach und nach entstanden sein muss. Die Tore der vier Tempel sind westlich orientiert. Stehen wir vor einer Grabanlage? Es wäre vermessen, hier die Königsgräber zu vermuten, aber hohe Beamte aus dem königlichen Hofstaat könnten in den kleinen Bauten ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Weitere zwei Bauten in unmittelbarer Nähe der Grabanlage belegen die Dominanz des Gebietes innerhalb der Königsstadt. - Nördlich des Königspalast-Areals ist ein in sich geschlossenes Ensemble zu besichtigen, welches seitlich der Lepra-König-Terrasse beginnt und im himmelwärts aufstrebenden Preah Palilay kulminiert. Der schlanke Turmbau des Preah Palilay Tempels ist in Angkor Thom nicht nur einmalig, sondern in seiner luftigen Bauweise außerordentlich. Hier gibt es kein Ost-Tor und drei Schein-Tore, sondern vier offene Tore, zu denen jeweils steile Treppenaufgänge führen. Oft übersehen, obwohl vorhanden, weil alle nur nach oben schauen, wird die Mauer um den relativ kleinen Preah Palilay Tempel, in diese Mauer waren ebenfalls jeweils den Koordinaten entsprechend Tore eingefügt. Freilich besticht der östliche äußerst prachtvolle Gopuram, auf ihn richten sich die Blicke, dieses Tor wird zu Recht bewundert. Aber es muss erlaubt sein, auf die innere Geschlossenheit dieser schönen Anlage zu verweisen. Hier noch das Bildwerk, respektive die Lintel zu beschreiben, führt zu weit. - Was konkret meint Tep Pranam? Klar, eine Terrasse. Aber welche? Auf einer gedachten Linie, die an der Nord-Süd-Achse der Stadt Angkor Thom beginnt und bei Preah Palilay endet, sind zwei Terrassen und mehrere kleine Tempelbauten angeordnet, die erst in jüngerer Zeit errichtet worden sind. Die Terrassen warten mit den üblichen und typischen Angkor-Merkmalen auf. Sandstein-Bodenplatten, Naga-Balustraden, Garudas und Löwen als Wächter an den Zugängen. Eine dritte Terrasse gehört zu Preah Paliley. Die Khmer-Architekten hatten sich hier einen bequemen Zugang zum Preah Palilay Tempel ausgedacht, dessen religiöser Zweck sich dem erschließt, der den Weg von Ost nach West wählt. Über den Wert der später mehr oder weniger harmonisch integrierten Tempelbauten lässt sich streiten, doch die Terrassen strahlen noch heute in makelloser Eleganz. In Sachen Lepra-König-Terrasse muss an sich nichts mehr gesagt werden, außer dem Faktum – und das ist nicht ohne Bedeutung – dass sich die Terrasse nördlich direkt an der Straße fortsetzt. Französische Wissenschaftler haben versucht, mit dem noch vorhandenen Steinmaterial den möglichen Verlauf der Relief-Wände zu rekonstruieren bzw. zu dokumentieren. In einem geglätteten Areal wurden weitere Bildteile, die nicht mehr in die vorhandenen Bildfolgen passten, separat aufgestellt. Für das Breitband-Puzzle fehlten am Ende zu viele Teile. Den Prasat Preah Pithu kenne und schätze ich. Hier finden derzeit Restaurierungsarbeiten statt. Davon nicht betroffen ist der nördliche Bereich, die separate Terrasse ist noch von Erneuerungen verschont geblieben. Mit nur wenigen Schritten ist ein zum Preah Pithu gehörendes Becken erreicht, an dessen Westufer liegt der unscheinbare Prasat Krae Preah. Man muss diesen Tempel nicht unbedingt gesehen haben, wer aber innerhalb der Stadt Angkor Thom mit seinen Besichtigungen die höchstmögliche Vollständigkeit anstrebt, kann auf diesen Tempel nicht verzichten, wie eben auch die Khleangs und die Suor Prat Türme nicht ausgelassen werden sollten, was tatsächlich oft geschieht, liegt doch genau gegenüber die Elefantenterrasse, ein Bauwerk, welches die Blicke durchaus abzulenken vermag. Der Prasat Suor Prat ist schnell beschrieben: zwölf gleiche Türme öffnen sich in Richtung Westen, denn beabsichtigt war der Blick auf die Elefantenterrasse und auf den großen Platz. Ich musste heute unbedingt die hintere Seite, also das östliche Areal des South Khleang erkunden. Die meisten Besucher besichtigen den North Khleang, was legitim ist, er ist etwas prachtvoller gestaltet. Der South Khleang wirkt insgesamt eher schlicht, oft wird irrtümlich nur von einem in die Breite gestrecktem Gebäude gesprochen. Das trifft aber nur auf die vordere Ansicht zu, eben jene Fassade, die von der Elefantenterrasse aus zu sehen ist, tatsächlich blickt man eigentlich auf die Rückseite vom südlichen Khleang. Wer sich dem Süd-Khleang östlich nähert, wird eines Besseren belehrt. Am Boden liegende Steine belegen einen Gopuram, dahinter setzt sich ein geradliniger Zugang fort, der von zwei quadratischen Becken flankiert wird. Mächtige Steinsäulen lassen sogar eine Galerie vermuten. Sehenswert sind beide Khleangs, der Vergleich lohnt. Hinter dem südlichen Khleang verbirgt sich im Wald ein für mich namenloses Kloster, in dem Irdenwaren gefertigt oder gelagert und vertrieben werden. Dutzende formgleiche bemalte Buddhas und andere Devotionalien stehen unter Dächern. Wer sich treiben lässt, findet, wer getrieben wird, bestenfalls vom Ehrgeiz, findet mehr. Mehr zu Khleangs und Prasat Suor Prat im Artikel Prasat Suor Prat & Khleangs in diesem Blog. 03.03.2019 Das Angkor Wat besucht jeder, es ist ein Hauptprogrammpunkt in Angkor. Das Kloster/den Tempel habe ich schon mehrfach besichtigt, meinte also mich auszukennen. Verlaufen werde ich mich im Angkor Wat nicht. Ich hätte aber nicht geglaubt, dass es mir heuer vergönnt sei, die riesigen Reliefs der unteren Galerie neu zu erleben. Seit ich mich ein klein wenig mit der indischen Götterwelt und den Mythen befasst habe, fällt mir die Auswertung der Bilderwelten entschieden leichter. Für Besucher ohne jegliche Vorkenntnisse gerät die Betrachtung der Bildergeschichten leicht zur Tortur. Endlos kann sich dagegen fast jeder an den hunderten von schönen Frauen erfreuen, welche die Wände, Pilaster und Pfeiler des Angkor Wat schmücken. Dem Laien ist es schnuppe, ob er auf Devatas oder Apsaras schaut. Kaum verlässt man den Tempel und begibt sich in die Außenbereiche, vermindert sich das Gedränge und Geschiebe der Menschenmassen. Leider hat sich der Kommerz bis in die Bereiche beider Klöster ausgebreitet. War noch im letzten Jahr der Südbereich wenig überlaufen, werden hier inzwischen Kokosnüsse und kalte Getränke angeboten. Sonnenschirme und Plastikstühle laden zum Verweil. Fürsorglich wurden transportable Toilettenboxen aufgestellt. Die Mönche werden voller Dankbarkeit die lärmenden Touristen in ihr tägliches Gebet einschließen. Wer das Süd-Kloster aufsucht, findet auch einen überdachten, offenen Verschlag, unter dem steinerne Angkor-Relikte aufbewahrt werden. Was sonst noch auffiel: beide Wasserbecken zwischen Tempel und den Bibliotheken waren geflutet, das südliche Becken künstlich, das nördliche Becken natürlich. Das Spiegelbild des Tempels wäre gewiss zu bestimmten Tageszeiten ein harmonischer Anblick, wenn nicht im nördlichen Becken Lotospflanzen gezüchtet würden. In wessen Hirn entwickeln sich solche absurden Ideen? Wer segnet solche Vorhaben ab? Die Erhaltung des Tempels ist wichtig, Veränderungen unnötig. - Aufmerksame Touristen können die Krankenhauskapelle Ta Prohm Kel kaum übersehen. Immer wieder wird behauptet, außer dieser Kapelle gäbe es westlich von Angkor Wat nichts zu sehen. Das Angkor Wat wurde auf einer Ost-West-Achse angelegt. Der westliche Damm, der den Wassergraben quert, scheint das Ende vom Angkor Wat zu markieren. Folgt man dieser Achse weiter westlich, jetzt eine breite Straße, befanden und befinden sich noch heute große rechteckige Wasserbecken. Im Umfeld dieser Becken standen kleine Tempelanlagen. Es gelang mit Sopheaks Hilfe einen dieser unscheinbaren Tempel aufzuspüren. Ich verkünde offiziell das Vorhandensein des Prasat Bay Kaek (auch nur Bay Kaek) westlich des Südbeckens. Französische Spezialkarten weisen noch weitere Ruinen aus. Nach ergebnisloser Suche gaben wir leicht entnervt auf. Es ist keine Freude von wütenden Hunden bedroht nach Fragmenten verlorener Tempel Ausschau zu halten. In dieser brenzligen Situation nahm Sopheak Knüppel und Stein in die Hände, so bewaffnet schreckte er die Hunde ab. Wobei in fremden Ländern immer unberechenbare Gefahrenquellen drohen. Mit Sopheak an meiner Seite fühle ich mich immer sicher, mit Besonnenheit entscheidet er, wo er mich alleine unterwegs sein lässt und wann er besser an meiner Seite bleibt. Die Besichtigung des Prasat Bay Kaek kann nicht empfohlen werden. Den Tempel nutzen ermüdete TukTuk-Fahrer als Ruheplatz. Bäume bieten Schatten, zwischen den Stämmen sind Hängematten aufgespannt. Mopeds lehnen an den verbliebenen Resten des Tempels. Ein heiliger Ort ist das beileibe schon lange nicht mehr. Das nördliche Pendant zum Prasat Bay Kaek wird sich in einem Garten verbergen oder unter einem Heuhaufen begraben liegen. - Ähnlich schwierig und erfolglos gestaltete sich die Suche nach Überbleibseln von Bauten im Ostbereich des Phnom Bakheng. Erkennbar sind immerhin mehrere Wasserbecken. Die Ruinen, wahrscheinlich nur noch vereinzelte Steine, sind eingewachsen, verschüttet oder anderweitig verbaut worden. Bei aller Liebe zum Detail brachen wir auch hier nach geraumer Zeit die Suche ab. 37° Celsius im Schatten sind auch für abgehärtete Europäer schwer zu ertragen. 04.03.2019 Heute war das Besondere (das Abgelegene) angesagt. Von einer Ausnahme abgesehen, sollten unbekannte Tempel, die jedes Jahr auf meiner Wunschliste eingetragen waren, gesucht, gefunden und besichtigt werden. Die Tempel sind westlich und nördlich des West Baray gelegen und tatsächlich nur den Einheimischen bekannt. Sopheak, mein bewährter Fahrer, kam heute mit dem Moped, denn viele Wege in dieser Gegend können mit Auto oder TukTuk nur bedingt oder nicht befahren werden. Sehr erstaunt war ich auf dem Klosterhof der am Südufer des West Baray gelegenen Sway Romeat Pagoda zwei große Reisebusse zu sehen, aus denen Europäer stiegen, die zur Begrüßung ein Glas Champagner empfingen, sich alsbald zu einer unter freien Himmel gedeckten Tafel und ans Buffet begaben. Brunch im Kloster - wir leben in einer wahrhaft verrückten Welt. Kurz nur währte meine Besichtigung des Klosters. Wohler fühlte ich mich am Prasat Ta Noreay (Neak Ta Norei), lt. Sopheak meint Ta Noreay keinen geringeren als den Gott Vishnu. Ein stiller schlichter Flecken, nichts als eine umzäunte Wiese direkt neben der Straße. Zu sehen ist eine zerbrochene Yoni, deren Lingam fehlt. Im Regelfall ist eine Yoni quadratisch, seltener rund, doch diese Yoni ist rechteckig, sicher doppelt so lang als breit. Diese besondere Yoni wurde aus einem Steinblock gehauen, Yoni und Unterbau sind miteinander verbunden. Außer der Yoni und einem Säulenbruchstück ist an diesem Platz vom Tempel nichts erhalten geblieben. - Die nächste Überraschung bot der Prasat Kas Ho: kaum erwähnt in Reiseführern, in Karten ungenau eingezeichnet, unterbewertet in seiner Bedeutung. Outsider könnten abschätzig behaupten, es sei ja nur eine kleine künstliche Erhebung in der Landschaft auszumachen, auf der eine rechteckige, gemauerte Grube zu finden ist, die ostseitig noch von einer bruchstückhaften Türlaibung gekennzeichnet wird. Nimmt man den Platz genauer in Augenschein, erkennt man die typischen Gegebenheiten einer Tempelanlage aus der Vor-Angkor-Periode. Im Umfeld der "Grube" finden sich Bauteile aus Sandstein, Bruchstücke einer Yoni und sogar das Fragment eines Akroterions. Weitere kleine Schreine fallen selbst dem Nichtfachmann ins Auge. Auch der übliche die Bauten umschließende Wassergraben ist noch erkennbar. Für Forscher ist wohl die Sanskrit-Inschrift in der Laibung das Wesentliche an dieser Tempelanlage. Angenehm und wohltuend war hier die Stimmung: kein Mensch, kein Hund, kein Lärm. - Wie Perlen auf einer Schnur gereiht liegen die Tempel südlich des Ufers des West Baray. Die Perlenkette spannt sich von Ost nach West. Die nächste Perle, der Ak Yom, findet sich öfters beschrieben und wird schon eher von Touristen besucht. Prasat Ak Yom war der erste pyramidale Tempelbau, den Khmer-Baumeister jemals wagten. Der ungeübte Betrachter würde sich binnen kurzer Zeit abwenden und diesen Programmpunkt als erledigt abhaken, mich verlangte es hier länger zu verweilen, obwohl ich diesen Tempel kannte. Im Gegensatz zu meinem ersten Besuch konnte ich heute alles klar erkennen, damals (vor zwei Jahren) war der Tempel mächtig ein- bzw. überwachsen. Erhalten haben sich die drei gemauerten Stufen der Pyramide und der Tempel (in Teilen) auf der oberen Ebene. Das Besondere am Ak Yom Tempel ist die sehr tiefe Lingam-Grube und die wuchtige Sandsteinplatte, die nach europäischem Verständnis den Altar bildet. Dieser Altartisch, leider zerbrochen, lagerte auf einem quadratischen Untertisch, auf diesem Unterbau liegen die Bruchstücke. Nur wenig Phantasie bedarf es, sich die Teile als unversehrtes Ganzstück vorzustellen. Die untere Tempel-Ebene war von Schreinen umgeben. Vier dieser Schreine an der Südseite sind klar erkennbar, deren Abstände ließen sich messen, woraus zu schließen wäre, dass Ak Yom von zwölf kleinen Schreinen umgeben war. Wollte man diese finden, müsste der Damm des Baray aufgebrochen werden. Leider ist der Tempel dem Deichbau teilweise geopfert worden. - Spean Memay ist eine typische Laterit-Brücke in Khmer-Bauweise. Meine Kenntnisse sind ungenügend, ich kann den Fluss, den die Brücke überspannte, nicht benennen, doch heute fließt längst kein Wasser unter den Kraggewölben hindurch. Die gut erhaltene Brücke liegt kaum 400m von der Nordwestecke des Baray entfernt. - Im Anschluss steuerten wir den Phnom Rung Tempel an, den Sopheak zielsicher fand, wie auch alle anderen Tempel. An die meisten Ziele wusste sich Sopheak zu erinnern, weil er diese Tour vor Jahren schon mit einem anderen ambitionierten deutschen Tempelliebhaber absolviert hatte. Der Prasat Phnom Rung ist insofern spektakulär, weil er einen ähnlichen Altaraufbau besitzt, wie der Ak Yom Tempel, in Form und Größe (um es salopp auszudrücken) lediglich zwei Nummern kleiner. Tatsächlich befanden sich einst auf mächtigen Steinplatten die Relikte der Anbetung. Der Phom Rung Tempel steht im Zentrum einer doch recht großflächigen Erhebung und wer das Areal offenen Auges abschreitet, der entdeckt eindeutige Spuren ehemaliger diagonal angeordneter Satelliten-Tempel und mit etwas Phantasie lässt sich der etwaige Standplatz der Ost-Gopuram festlegen. Hervorzuheben wäre noch der in situ verbliebene Lintel, ein selten schönes Exemplar früher Lintel-Kunst, falls der Lintel nicht irgendwann umgearbeitet wurde. Die in damaliger Zeit verwendeten extrem flachen Ziegelsteine finden sich an markanten Stellen, so lassen sich die Ausmaße der Anlage ermessen. Ein breiter, vormals tiefer Graben umgibt den Tempel. Das unverfälschte Tempelareal eignet sich im frühen sanften Morgenlicht wunderbar zum Meditieren. - Die Überraschungen sollten sich fortsetzen. Der Kok Po Tempel ist den Fachleuten ein Begriff, doch im Internet kursieren nur wenige Fotos. Laien scheinen diesen Tempel selten zu besuchen. Verständlich, weil die meisten Fotos den Tempel stark eingewachsen zeigen. Offenbar hat die Wertschätzung dieser Anlage inzwischen zugenommen, denn sie ist leicht begehbar. Rodungen haben nicht nur Wege, sondern auch Tempelstrukturen freigelegt, die früher nicht wahrgenommen werden konnten. Im Aufbau ist der Kok Po Tempel vielen Tempeln aus seiner Zeit verwandt. Drei Ziegel-Türme auf Laterit-Fundamenten in Reihe errichtet, umgeben von kleineren Schreinen, der Zugang wie üblich gen Osten orientiert. Dem mittleren Prasat/Turm war ein längerer Mandapa vorgesetzt. Alle Türelemente, Säulen, Yonis und Lintel wurden aus Sandstein gefertigt. Von diesen Bauteilen liegen als Belege genügend Bruchstücke am Boden. Wir verließen zufrieden eine schöne Tempelanlage, die mehr Würdigung verdient. - Der Neam Rup Tempel befindet sich innerhalb einer großen Klosteranlage. Viele der scheinbar modernen, in der Neuzeit errichteten Klöster nutzen die geheiligten Plätze, an denen sich früher Tempel befunden haben. Zusammenfassend lässt sich behaupten: um alte Tempel wurden neue Klöster erbaut. Diese Aussage bestätigt sich im Falle des Prasat Neam Rup augenscheinlich. In unmittelbarer Nähe dreier Sandstein-Türme wurde direkt dahinter der neue Tempel errichtet. Von den drei Türmen hat sich nur der mittlere Turm im halbwegs ansehnlichen Zustand erhalten. An diesem halbhohen Bau sind sehr schöne Stilelemente zu finden, die den Angkor Wat Stil ausweisen. Leider sind alle Apsaras, Devatas und Dvarapalas ihrer Häupter beraubt worden. - Mehr zu sehen ist am Prasat Cha. Auch hier hat sich eine Wandlung vollzogen. Noch vor Jahren war der Tempel schwer zugänglich und es wurde sogar vor Landminen gewarnt. Alle Strukturen sind freigelegt, sorglos lässt sich das Bauwerk besichtigen. Drei Türme aus Sandstein stehen auf einer mächtigen Plinthe. Die verstreut am Boden liegenden Fragmente lassen die einstmalige Pracht dieses Tempels ahnen. Wer viele Khmer-Tempel gesehen hat, der weiß, was hier verloren gegangen ist. Erstaunlich ist immerhin die Tatsache, dass diese Plätze nach wie vor von den Einheimischen gewürdigt werden. Schlichte Opfergaben werden in den leeren Tempeln oder nur auf den Stufen abgelegt. - Wirklich verloren und zwar für immer verloren ist der Banteay Sra Tempel (nicht zu verwechseln mit Banteay Srei). Nordwestlich des West Baray befindet sich der Baray of Banteay Sra. Noch westlicher gelegen ist ein weiteres Becken. Wiederum westlich dieses Beckens befand sich der Banteay Sra Tempel. Eine wahrhaft riesige Anlage, die von einer quadratischen Ringmauer und einem Wassergraben umgeben war. Wer Google Maps benutzt und auf die physische Darstellung umschaltet, kann das Ausmaß des Tempels erkennen. Ringmauer und Wassergraben müssen auf geschätzte 500x600m veranschlagt werden. Wer verrückt genug ist und sich in der Mittagshitze in die Mitte dieses baumlosen Areals begibt, kann sich einmal um die eigene Achse drehen und sieht im März nichts als abgeerntete Felder und an den weit entfernten Rändern Baum- & Strauchbewuchs. Mitten im dornigen Gestrüpp finden sich wahrhaftig vereinzelt Lateritsteine und Mauerfragmente. Wer den mühsamen Rückweg über die Stoppelfelder scheut und die nahegelegene Schule an der Südostecke des verlorenen Tempels erreichen möchte, der muss das Motorrad stellenweise schieben und sogar über steinige Stellen tragen. Andere Tuktuk-Fahrer hätten dies sicherlich als Zumutung empfunden, nicht so Sopheak, der scheut keine Verwegenheit und kann über so viel Verrücktheit immer wieder lachen. Auf dem Schulhof im Schatten eines großen Baumes gönnten wir uns eine verdiente Pause. Während wir uns mit Brot, Bananen und Wasser labten, kamen mir manche Gedanken und Fragen in den Sinn. Den ersten Hinweis auf diesen Tempel fand ich in einer wissenschaftlichen Arbeit eines australischen Archäologen. Ein Herr Sonnenmann hat sich ausführlich und intensiv mit der Wasserwirtschaft der Khmer beschäftigt, nach seinen Erkenntnissen trugen die westlich des Angkor-Gebietes gelegenen Barays zur Funktion der Wasserbereitstellung einen bedeutenden Anteil. In dieses System der Wasserversorgung war auch der Wassergraben des Banteay Sra Tempels integriert. Wie kann eine derart riesige Tempelanlage völlig verschwinden? Sind alle Steinblöcke für andere Tempelbauten wiederverwendet worden? Wurden die Steine erst in der Neuzeit verschleppt und für Profanbauten benutzt? Auch Sopheak hatte keine schlüssige Erklärung parat. Der verlorene Tempel liegt nördlich der NR6 und ist nur 22km von Siem Reap (Zentrum) entfernt. Diese Tempel-Tour, inklusive Wanderung und Steinsuche, wage ich nur eingefleischten Angkor-Liebhabern zu empfehlen. - Der Prasat Prei Khmeng ist ein alter Tempel aus der Ak Yom Ära, von dem nur noch wenig zu sehen ist. Kaum noch zu definieren ist ein ehemaliger Ziegelturm in gewohnter, der Zeit entsprechenden Bauweise. Lägen nicht eindeutige Sandsteinfragmente umher, die den Prei Khmeng Stil belegen würden, wäre die Datierung der Errichtung des Tempels nur schwer zu ermitteln. Ein rundes Säulenfragment und ein Gargoyle dienen als unverfängliche Belege der Prä-Angkor-Kunst. - Im Wat Khnat südlich der NR6 legten wir einen kurzen Stopp ein, um die wenigen noch vorhandenen kärglichen Überreste des Prasat Khnat, die zu großen Teilen unter einem Baum bewahrt werden, zu besichtigen. Weitere verstreute Sandsteinbruchstücke des alten Tempels sind auf dem Fundament des jetzigen Tempels zu entdecken. Wer damit nicht zufrieden ist und sich naserümpfend abwenden möchte, wird aber in jedem Fall Dank der Pracht des Wat Khnat entschädigt. Für die Klosterbauten wurde alles Sehenswerte, was Angkor zu bieten hat, durchaus geschmackvoll imitiert. Wer sich in der Nähe von Siem Reap ein modernes prachtvolles Kloster ansehen möchte, dem kann Wat Khnat wärmstens empfohlen werden. - Zuallerletzt rundeten wir die Tempeltour mit dem in der Nähe des Airport Siem Reap gelegen Prasat Prei (auch Prasat Prei Chas) ab. Prasat Prei kann leicht verwechselt werden. Im Angkor-Gebiet werden zwei Prasat Prei und ein Prei Prasat Prei gelistet, deshalb der Zusatz: Nähe Airport. Ein einzelner Ziegelturm, nur zur Hälfte erhalten, mehr ist nicht zu sehen. Keine Highlights haben wir heute besichtigt, doch missen möchte ich diesen Tag nicht. Abends kennzeichnete ich etliche Tempel auf meiner Liste als Besichtigt. Für mich war die Rundfahrt mit dem Moped ein Gewinn und Sopheak konnte seine Eindrücke auffrischen und zusätzliche Erfahrungen sammeln. Er könnte diese Tempel-Rundfahrt als außergewöhnliche Erkundungstour verkaufen und wäre mit diesem Angebot vermutlich konkurrenzlos. Hinweis: Fortsetzung folgt als UNTERWEGS IM ABSEITS Teil 2
Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones Der Bayon-Tempel gilt neben dem Angkor Wat als die Sensation schlechthin. Der Bayon ist einmalig. Nach neuem deutschen Sprachverständnis ein must-see für alle Touristen, tatsächlich wurde im Angkor-Gebiet kein vergleichbarer Tempel erbaut. Alle Reisebücher preisen mit spektakulären Fotos die Gesichter-Türme des Bayon, folglich richten sich die Augen der Besucher verständlicherweise fast ausschließlich staunend nach oben. Den Bayon-Tempel in allen seinen Facetten zu erfassen, erfordert mehrere Besichtigungen oder sich einen Tag lang nur diesem Tempel zu widmen. Wie schon gesagt, das Hauptaugenmerk richtet sich vorrangig auf die Gesichter-Türme. Ein zweiter Fokus könnte sich umfassend den Bildwerken (Reliefs) widmen. Das Arbeitsthema in diesem Artikel klammert bewusst die Gesichter-Türme und die Relief-Galerien aus. Die folgenden Fotos entstanden aus völlig anders gerichteten Blickwinkeln, um vernachlässigte Aspekte vom Bayon-Tempel ins Licht zu rücken. Schon im Außenbereich liegen Unmengen bearbeiteter Steine teils aufgeschichtet, teils ungeordnet auf dem Boden. Die Zugangswege sind geebnet und gefahrlos zu nutzen. Wer aber neben den offiziellen Wegen unterwegs ist, muss aufpassen, sollte die Augen nach unten richten, um nicht zu stolpern. Bei der Begutachtung der wenig beachteten Steinmassen stoßen die Suchenden binnen kurzer Zeit auf zahlreiche wunderbare Relief-Fragmente (Bild 1, 2 & 3), deren konkrete Zuordnung in den rekonstruierten Bayon-Tempel nicht mehr gelang. Das Fragment (Bild 1) gehört vermutlich zu einer Giebelfront und zeigt eine Himmelstänzerin (siehe Bild 4). Die männliche Figur (eine stehende Gottheit) ist der Mittelteil eines Tympanums (Bild 2). Der untere Teil eines größeren Reliefs (Bild 3) wirft einige Fragen auf. Schwer zu bestimmen ist die bauliche Herkunft, die vierfach abgestufte Unterkante spricht für einen Türsturz. Der Bildinhalt ist offenkundiger, wenn auch nicht eindeutig: zwei Betende, wahrscheinlich Männer, sitzen zu Füßen einer Tierprozession, doch die Anordnung der Tiere ist unüblich und die Tiere selbst sprechen nicht unbedingt für Reittiere der jeweiligen Götter. Ein Elefant verweist auf Indra, das Buckelrind (Nandi?) auf Shiva. Indra und Shiva vereint auf einem Relief ward in Kambodscha noch nicht gesehen. Ist hier also eine weltliche Szenerie dargestellt? Welche Geschichte wird erzählt? Ehe die oberen Ebenen des Bayon erklommen werden, führen ausgebildete Guides ihre Kunden vor die ansehnlichsten, verständlichsten Szenen der Reliefwände. Gern wird auf Alltagsszenen hingewiesen, die lassen sich leicht erklären. Mythologische Bildfolgen erfordern oftmals die Kenntnis der Geschichten. Die wenigsten Besucher werden die klassischen indischen Epen gelesen haben. Touristen begeben sich eher selten in die ebenerdigen inneren Tempelbereiche des Bayon. Zugegeben, die Baustrukturen der engen Innenhöfe, dunklen Räume und verwinkelten Galerien erschließen sich dem Besucher nicht unvermittelt. Viele schon zu Khmer-Zeiten erfolgte Umbauten sind schuld an dem vermeintlichen Wirrwarr. Es macht wenig Sinn, sich den Bauplan zu vergegenwärtigen, aber wer sich im Bayon "unten" Zeit lässt und sich aufmerksam allen Ecken und Winkeln, Toren und Galerien widmet, wird ins Staunen geraten. Im unteren Tempelbereich gibt es viel zu entdecken. Von vielen Königen ist auf steinernen Inschriften die Glaubensausrichtung überliefert. Die Bauaktivitäten der jeweiligen Epochen verraten ebenfalls die Gesinnung der Herrscher. Den jeweiligen Göttern gewidmete Tempelbauten bestätigen die präferierten Religionen der Könige. Letzte Auskünfte und Gewissheit geben die Bildinhalte der Lintel und Tympana. Die kunstvollen Reliefs mit Götterbildern liefern die Orientierungshilfen, von denen sich die religiöse Nutzung der Tempel ablesen lässt. Diese allgemeine Faktenlage gilt auch für den Bayon. Die Gesichter-Türme ragen in den Himmel. Lokeshvara, der Herrscher der Welt blickt in die Welt auf die Menschen herab, folglich muss der Bayon zur buddhistischen Religionsausübung gebaut worden sein, das ist richtig, sofern nur die Periode des Königs Jayavarman VII. betrachtet wird. Er fühlte sich als Gott-König, war leidenschaftlich ausübender Buddhist und ließ die Ausübung anderer Religionen zu. Die Bilder 4 & 5 zeigen den Gott Indra auf seinem dreiköpfigen Elefanten Airavata. Das Indra-Motiv kann im Angkor-Gebiet in zahlreichen Varianten nachgewiesen werden. Ohne angestrengt suchen zu müssen, stoßen die Besucher im Angkor-Gebiet unvermittelt auf den leicht identifizierbaren hinduistischen Gott. Meist findet sich auf Türstürzen Indra über Kala (Bild 5), jedoch flächendeckende (bildfüllende) Indra-Darstellungen auf Tympana sind schon seltener zu sehen (Bild 4). Gewöhnlich sind die Gottheiten (nicht nur Indra) über Kala angeordnet. Kala, das gefräßige Monster mit Riesenmaul und gierigen Augen und zwei Krallenhänden frisst die Naga. Üblicherweise gliedern die gewundenen Schlangenleiber den Bildaufbau, anders am vorgestellten Bayon-Lintel (Bild 5). Hier ist keine Schlange erkennbar. Runde Blüten (Knospen) und Blattwerk symbolisieren das Werden und Vergehen der Natur, des Lebens. Eine völlig veränderte Bildgestaltung ist auf dem stark in Mitleidenschaft gezogenen Lintel (Bild 6) zu erkennen. Die floralen Rankenwerke können durchaus als Adaption vom Lintel (Bild 5) betrachtet werden, doch das Zentralbild, die Gottes-Darstellung wird nicht von Kala getragen, sondern ein kniendes weibliches Himmelswesen stemmt/stützt bzw. hält eine Gloriole nach oben, in Betracht käme etwa eine Kinnari oder eine Vidyadhari, wobei der Autor die Erstgenannte favorisiert. Die partielle Beschädigung der rechten Lintelseite kann auf Witterungseinwirkungen zurückgeführt werden, doch der Verlust der Gottheit muss menschlicher Unvernunft angelastet werden. Vermutlich bestand die Hoffnung, durch Ausmeißeln der Götterbilder die Verehrung und den Glauben an dieselben auszulöschen. Sicher saß ein meditierender Buddha in der schön gestalteten Gloriole. Wie dem auch sei, vergleichen wir die Lintel Bild 5 & Bild 6 stehen sich, wohlbemerkt in einem Tempel, ein hinduistisches und ein buddhistisches Bildwerk gegenüber und das ist kein Einzelfall. Es wäre ein leichtes im Bayon noch weitere sich in der Religionsausrichtung widersprechende Reliefs zu finden. Auch die Bilder 7 & 8 zeigen wiederum konträre Motive. Bautechnisch analysiert kann das Relief auf Bild 7 nicht als Lintel eingestuft werden. Zwar ist das Relief über einem Türrahmen angeordnet, doch ist kein separates Bauteil vorhanden, sondern das Relief wurde direkt in die Wandfläche geschlagen. Der Unterschied zwischen Lintel und bearbeiteter Wandfläche wird durch die Bilder 7 & 8 belegt. Die Wanddekoration über der Tür (Bild 7), wenn man so will ein Pseudo-Lintel, gleicht in der formalen Gestaltung den typischen Tympana der Angkor-Periode. Das zentrale Bildgeschehen wird von gewundenen, floralen Strängen eingefasst, die meist in Naga- oder Makara-Köpfen enden (siehe Bild 4). Der niedrigen Raumhöhe angepasst musste das Bild mehr in die Breite gezogen werden, wodurch sich die Makara nur noch an den Außenseiten schwungvoll winden konnten. Das in sich geschlossene Bild zeigt sieben Männer. Die Zentralgestalt (etwas größer als die anderen) sitzt leicht erhöht andächtig betend auf einem Podest. Je drei Männer ebenfalls im Gebet versunken knien ihm zur Seite. Ein Guru und seine Adepten? Rishis? Vishnuiten? Shivaiten? Buddhistische Asketen? Schaut man auf die Hüte und Bärte der Männer sind es in jeden Fall weise Männer. Der Türsturz (Bild 8) zeigt in der unteren Bildmitte Kala. Kala allein nur von Blüten- und Blattmotiven umrankt, kein Gott über ihm, dieses seltene Motiv erhebt diesen Lintel zu einem ungewöhnlichen Relief. Die Motivik der pflanzlichen Verwindungen entspricht der Gestaltung auf den Lintel Bild 5 & 6. Das leicht variierte Kala-Motiv findet sich nochmals auf einem besser erhaltenen Türsturz (Bild 9). Über dem Lintel sind mehrere Zierbordüren angelegt, die sich in dem schmalen Raum (Korridor) als Wandschmuck fortsetzen. Nach dem Ableben von Jayavarman VII. veranlassten die Brahmanen die Auslöschung möglichst aller buddhistischen Bildwerke. Diese Aktionen beschränkten sich nicht nur auf den Bayon, auch andere Tempel blieben nicht unversehrt. Auf Grund dieser folgenschweren Maßnahmen sind viele Kunstwerke unwiderruflich auf immer verloren. Ein nur kleines Beispiel für die maßlose Wut der Bilderstürmer wird im Bild 10 gezeigt: ausgemeißelt wurde die Zentralfigur, vermutlich ein Buddha. Im Zentral-Prasat stand eine 3,60m hohe Buddha-Statue, selbst vor dieser Statue schreckten die Zerstörer nicht zurück. In Stücke zerschlagen verschwand die Statue und wurde erst 1933 wiederentdeckt und restauriert, jetzt steht sie auf der Terrasse Preah Vihear Pram Pi Lveng in Angkor Thom, 700m vom Bayon-Tempel entfernt. (Diese und weitere Buddha-Statuen aus dem Bayon werden im Artikel BUDDHA-STATUEN IN ANGKOR THOM gezeigt, abzurufen in diesem Blog.) Die Beschäftigung mit dem Bildschmuck an den Wänden und über den Türen der unteren Ebene führt den/die Bildmotivsucher zwangsläufig durch enge Korridore und Galerien. Kleinere Höfe ermöglichen den Lichteinfall in die unterschiedlich hohen Galerien, deren Gewölbedecken von massiven quadratischen Pfeilern und Quer-Traversen getragen werden (Bild 11 – 13). Leider blieben auch die Pfeiler und weite Flächen der Wanddekorationen von der Intoleranz religiöser Fanatiker nicht verschont (Bilder 14 – 17). Buddha-Reliefs wurden zu Shiva-Lingams umgeformt oder radikal ausgelöscht. Die äußeren Umrisse der Buddha-Bilder sind noch deutlich zu erkennen. Wer sich abschließend nach oben begibt, gerät unweigerlich in touristisches Fahrwasser. Menschen blicken verzückt und aufgeregt lärmend in die ewig lächelnden Gesichter des Gott-Königs, aber keiner wird jemals den Zauber des Bayon erleben, wie es Peter Weiss in seiner "Ästhetik des Widerstands" beschrieb. Die Öffnungszeiten verbieten den Zugang bei Mondschein oder im Morgendämmern. Gleich wo man sich hinwendet, Lokeshvara ist allgegenwärtig. Lokeshvara hat noch jeden berührt. Die Faszination dieser Gesichtszüge bleibt ungebrochen. Nach dem sich die erste enthusiastische Bewegung gelegt hat und sich Verwunderung zu Begutachtung wandelt, sollte der Blick wieder mehr geradeaus gerichtet werden. Etwa mannshohe sehr plastisch aus dem Mauerwerk hervortretende Garuda-Statuen markieren die Eckpunkte des zentralen Prasat (Bild 18). Wir stehen den majestätischen Reittieren Vishnus gegenüber. Mit geschwellter Brust und erhobenen Flügeln, als wöllten die mythischen Vögel unvermittelt in den Himmel aufsteigen, werfen die Garudas einen letzen Blick auf die Menschen. Loyal und mit aller Kraft kämpft Garuda für seinen Herrn. Viele sehen sogar in Garuda eine Verkörperung Vishnus. Anders Lokeshvara, der gilt als Bodhisattwa des Mitgefühls. Hier vereinen sich Symbole zweier Religionen. Hinduismus und Buddhismus feiern friedliche Koexistenz. Von nichts Geringerem hatte Jayavarman VII. geträumt. Blicke nach unten verraten die Verläufe und Ausmaße der Galerien und die Bauweise der Dächer (Bild 20). Der untere Tempelbereich bietet mit seinen Außen- und Innengalerien Raum und Flächen für die Reliefwände. Die obere Ebene trägt die Gesichter-Türme. Die Verschiedenheit der Konstruktionen vermittelt den Eindruck, als wären zwei sakrale Welten gedacht und realisiert worden. Während sich die Reliefwände den mythologischen Überlieferungen und der Khmer-Geschichte widmen, ist der obere, weithin sichtbare Tempelbereich allein der Verehrung des Gott-Königs vorbehalten, immer ist an Lokeshvara und Jayavarman VII. zu denken. Indra, Garuda und Lokeshvara sind in Angkor Thom allerorten präsent. Es gibt größere Indra-Bildnisse (an den Stadttoren), auch größere Garuda-Statuen (an der Elefanten-Terrasse) sind in Angkor Thom zu entdecken, doch nirgends in der Stadt Angkor Thom findet sich die Lobpreisung des Bodhisattwa Lokeshvara derart vervielfacht und ins Monumentale gesteigert, buchstäblich auf die Spitze getrieben, wie sie am Bayon bautechnisch auf unvorstellbare Weise verwirklicht wurde. Eine Spur von Gigantomanie gepaart mit Selbstverherrlichung kann dem König Jayavarman VII. nicht abgesprochen werden. Uneingeschränkte Ehre muss den Baumeistern und den ungezählten Handwerkern zukommen. Neben der auffälligen Größe aller Gottesbilder blieben die Details nicht vernachlässigt. Nichts ist zufällig an seinem Platz, alles ist mit feinsinniger Akribie gefertigt. Alles hängt mit allem zusammen. Kunstliebhaber werden sich unter anderem auch an den kleinen liebevoll bearbeiteten Flächen der Säulenbasen erfreuen, dafür nur ein Beispiel: ein Asket sitzt betend in einem Torbogen oder in einer Höhle (Bild 22), diese Sitzhaltung war schon auf dem Relief Bild 7 zu sehen. Das Kopf-Fragment (Bild 21) zeigt das fast schon stereotype Lächeln eines weiblichen Himmelswesens. Solche Gesichter finden sich schon an den fünf Toren der Stadt Angkor Thom. Wer sich die Tore im Detail anschaut, wird die sanften Frauengesichter zwischen den Lokeshvara-Köpfen erkennen. Es ließ sich wohl nicht mehr ermitteln, an welcher Stelle des Bayon der Frauenkopf einst seinen Platz hatte, seine Präsentation in der Nähe vom Ost-Gopuram ist gut gewählt, hier kann das schöne Stück nicht übersehen werden. Manch einer wird entsetzt sein, wie achtlos nicht verwendete Steine umher stehen bzw. umher liegen und wird meinen, solche Stücke gehören restauriert ins Museum. Darüber kann nachgedacht werden. Stellvertretend für die unzähligen Reliefs, für den flächendeckenden Wandschmuck überhaupt werden hier nur zwei Bilder gezeigt: ein Dvarapala auf einer Pfeilerfläche im unteren Galeriebereich (Bild 23) und der Kopf einer Göttin auf einer Außenfläche der oben gelegenen Prasats (Bild 24). Die meisten Überdachungen der äußeren Galerien sind eingestürzt, nur noch freistehende Pfeiler und einige Traversen über den Verbindungstoren lassen auf den vormaligen Bauzustand schließen. Auf einigen Traversen lagern noch wunderschöne Breitbandreliefs mit anmutigen Tänzerinnen (Bild 25). Ähnliche Bildmotive tanzender Himmelswesen sind als Flachreliefs schon auf den Flächen vieler Pfeiler im unteren Eingangsbereich zu sehen. Stufen und Naga-Balustraden leiten zu den Eingangstoren. Wer den Tempel betritt, muss vorbei an Löwen, Garudas und Dvarapalas (Bild 26 & 27). Hier im Außenbereich des Tempels wird auf die apotropäische Wirkung Garudas vertraut. Garuda erscheint als Feind der Naga (Bild 26), das ist ein in Angkor allgegenwärtiges Motiv. Löwen und Dvarapala finden sich nur in Tempel-Außenbereichen. Auch von den Löwen und den Tempelwächtern wurden schützende Wirkungen erhofft. Gezeigt wurden einige Fotos, welche den Kenntnisstand zur Tempelanlage erweitern und das Verständnis der Bayon-Architektur erleichtern sollen. Die Konzentration auf bestimmte Details sind als Anregungen zu intensivierten Besichtigungen zu verstehen. Jeder Besucher wird seine persönlich geprägten Prioritäten setzen, doch alle Besucher werden gleichermaßen vom Gesamteindruck des Bayon fasziniert sein. Ein Rundgang um den Bayon sollte die Visite einleiten oder vollenden. Erst die Blicke von außen auf den Bayon erschließen dem Betrachter die unglaubliche Architektur. Der größere Abstand vermittelt einen zusätzlichen Eindruck, der die Einmaligkeit des Tempels nochmals bestätigt. Für eine gemächliche TukTuk-Runde eignet sich die Ringstraße um den Bayon. Die weiten nicht befahrenen Flächen zwischen Ringstraße und Tempel taugen für einen Spaziergang um den Tempel (Bild 28). Wer ausgewählt schöne Bayon-Steinfragmente aus nächster Nähe begutachten möchte, der sollte am Ende der Verbindungsstraße, die vom Süd-Tor der Stadt in die Bayon-Ringstraße mündet, stoppen. Rechts dieser Straße stehen und liegen übersichtlich geordnet und ansehnlich präsentiert ausgesonderte Steine vom Bayon. Hinweis: Mehrere Artikel, die das eben behandelte Thema ergänzen,
können in diesem Blog abgerufen werden: Inmitten von Göttern Teil 10 → Garuda Gesinnungswandel zweier Herrscher → Jayavarman VII Apsara Spezial Apsara: Tänzerin oder Göttin Fotos 1-6, 20, 21, 26, 28 Birgit Schönlein Fotos 11-13, 24 Vanessa Jones Fotos 7-10, 14-19, 22, 23, 25, 27, 28 Günter Schönlein Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones Allgemein verbreitete Lehrmeinung: Zwei (in seltenen Fällen auch vier oder sechs), meist parallel und spiegelbildlich der West-Ost-Symmetrieachse im östlichen Bereich vieler Angkor-Tempel errichtete baugleiche Gebäude, werden als Bibliotheken deklariert. Ein auf die Überschrift BAYON BIBLIOTHEKEN bezogenes Zitat greift diese Lehrmeinung auf: In den Ecken der östlichen Hofseite, die von einer dritten Galerie umschlossen ist, stehen zwei "Bibliotheken". (Marilia Albanese: ANGKOR S. 215) Fragestellung: Sind die zwei "Bibliotheken" im Bayon Tempel wirklich als Bibliotheken konzipiert, gebaut und als solche genutzt worden? Betrachtung: Standort der Bauten Aufbau der Bauten Dekoration Innenausstattung Vorerst soll der eingebürgerte Begriff verwendet werden, also wird gesprochen über und betrachtet werden die Bibliotheken des Bayon, von denen zwei im östlichen Innenhof errichtet wurden. Beide Bibliotheken sind in Form und Größe baugleich und schmiegen sich fast an die Innenmauern der östlichen Galerie. Sie stehen tatsächlich in der äußersten Nordost- bzw. Südostecke des Hofes. Es bleibt nur ein schmaler Weg zwischen Sockelunterrand und Galeriemauer. Die Gebäude ruhen auf überdimensionierten Sockeln, die im Verhältnis zu den Gebäuden wuchtig wirken. Die dreifache Staffelung der Unterbauten kann auch den Eindruck unverhältnismäßiger Massivität nicht mindern. Reichliche 5m Sockelhöhe und etwa 4m ursprüngliche Gebäudehöhe ergibt eine Gesamthöhe von ungefähr 10m. Die Sockel entsprechen im Grundriss den Aufbauten und sind in ihren Umfängen nur unwesentlich größer als diese, weshalb die beidseitigen Stufenaufgänge extrem steil ansteigen. Die Form der Gesimse an den Sockeln sind stilistisch keine neuen Erfindungen, sie können nicht den Anspruch erheben, Bayon-eigene Kreationen zu sein, sind jedoch für den Bayon-Stil typisch. Sockel und "Bibliotheken" sind komplett aus Sandstein errichtet. Die Füllmasse der Sockel könnte aus Lateritstein geschichtet sein, aber eher wahrscheinlich kann eine vollständige Sandsteinschichtung angenommen werden (Bild 1 & 2). Die Stufen führen in offene quadratische Vorbauten, deren nicht erhaltene Bedachungen von jeweils zwei Pfeilern, zwei Pilastern und Traversen getragen wurden. Pfeiler und Pilaster sind aus neun verzapften Vierkantquadern geschichtet. Die unteren bzw. die oberen Vierkantsteine der Pfeiler sind als Basen bzw. Kapitelle geformt. Die Pilaster sind doppelseitig mit Bildwerk (Reliefs) verziert. Die Ost- bzw. Westeingänge in die Bibliotheken sind mit schlichten Rahmen eingefasst (Bild 3 & 4). In den rechteckigen leeren Innenräumen der "Bibliotheken" fallen einzig je drei über die Länge des Raumes gleichmäßig verteilte quadratische Pfeiler auf, sie entsprechen der Größe der Vorbaupfeiler und sind im Verlauf der von den Vorbauten fixierten Breite angeordnet. Die Positionierung der Pfeiler war zwingend notwendig, um die Dachlasten der Kraggewölbe aufzunehmen. Kein Dach der "Bibliotheken" konnte rekonstruiert werden, lediglich die Halbkraggewölbe über den Fensterfassaden haben sich erhalten. Die Vorbaudächer sind als Kraggewölbe schwer zu realisieren, weil der Widerpart zur Lastaufnahme fehlt, zu groß wären die nach außen strebenden Kräfte. Zwei freistehende Pfeiler hätten die Druckkräfte nicht oder nur schwerlich aufnehmen können. Vielleicht blieben die Vorbauten ohne Dach oder waren mit geraden Traversen überdacht, das wäre allerdings eine in der Khmer-Architektur untypische Lösung gewesen. Interessanter als die Erörterung der bautechnischen Probleme ist die aufschlussreiche Betrachtung der Verzierungen der Außenwände. Die schmalen Eingangsfassaden sind mit je einem Rechteck-Scheinfester (Jalousie, drei Säulen) und einem Götterbild dekoriert (Bild 4). Diese in Angkor typischen weiblichen Götterbilder werden nur allzu oft vereinheitlicht zu Apsaras gestempelt, was nicht allenfalls korrekt ist, doch die Klassifizierung der weiblichen Reliefbilder ist nicht Thema dieser Betrachtung. Ebenfalls nicht zu übersehen sind die Reliefs an den Pilastern: je ein Dvarapala (Tempelwächter!) und ein weibliches Götterbild (Apsara?) bedecken die Sichtflächen der Pilaster. Fragmente von Halbtympana und Naga-Akroterien sind neben den Vorbauten als Stirnseiten der Seitenbedachungen zu sehen. Von den wahrscheinlich ehemals vorhandenen Tympana über den Eingängen sind keine Spuren nachweisbar, wie auch keine Belege für Lintel am Ort verblieben sind. Die Längsfassaden (Nordwand und Südwand) der "Bibliotheken" sind jeweils mit drei Fenstern versehen. Göttinnen (Reliefs) flankieren die Fenster, d. h. auf jeder Fassade sind sechs weibliche Götterbilder zu sehen (Bild 8). An dieser Stelle muss unbedingt auf eine Ausnahme bzw. auf die Unregelmäßigkeit der Fassadengestaltung hingewiesen werden: In der Mitte der Fassaden der nördlichen "Bibliothek" sind Scheinfenster zu sehen. Absolut stilgerecht sind die herabgerollten Jalousien und die angedeuteten fünf Fenstersäulen gestaltet (Bild 5). Scheinfenster dieser Art sind an vielen Angkor-Tempeln vorzufinden, doch hier Scheinfenster vorzufinden ist ungewöhnlich, denn an gleicher Stelle mittig angeordnete Ausnahme-Fenster sind an der südlichen "Bibliothek" nicht vorhanden. Alle restlichen Fenster beider "Bibliotheken" sind quadratische offene Luken. Fenster in Angkor wurden traditionell mit einfacher oder doppelter Säulenreihe versehen. In den Fensterrahmen der Bibliotheken sind keine Zapfenlöcher zur Säulenaufnahme erkennbar. Konkret müsste nicht von herkömmlichen Khmer-Fenstern, sondern von quadratischen Öffnungen, gesprochen werden. Über Fenster und Scheinfenster wurde in diesem Blog schon ausführlich referiert. Interessenten rufen bitte folgende Artikel auf: SCHEINFENSTER und FENSTERSÄULEN IN ANGKOR Alle Ausführungen zur nördlichen "Bibliothek" treffen unverändert auf die südliche "Bibliothek" zu. Außer den schon erwähnten Scheinfenstern sind keine Unterschiede wahrzunehmen. Über die zaghaften Rekonstruktionsversuche an der Bibliothek Süd (Bild 8) können Fachleute und Publikum geteilter Meinung sein. Die Ergänzungen am Sockel und im unteren Mauerbereich sind aus statischen Gründen notwendig, also unvermeidlich gewesen, doch der Neuaufbau im oberen Eingangsbereich wirkt platt und wenig gelungen. Wie ein solches Kapitell und ein entsprechendes Naga-Akroterion aussehen, ist schließlich kein Geheimnis. An der nördlichen "Bibliothek" sind die Muster vorhanden. In der heutigen Zeit sind gelungenere Restaurationsergebnisse nachweisbar, auch in Angkor. Die kritischen Anmerkungen des Autors erübrigen sich, falls zwischenzeitlich die Restaurierungsarbeiten fortgesetzt oder abgeschlossen wurden und das Ergebnis dem Khmer-Stil entspricht. Die Fotos dokumentieren den Bauzustand der Jahre 2016 und 2017. Im Jahr 2016 und vorher konnten die Bibliotheken vom Publikum noch besichtigt werden. Seit 2017 ist der Zugang untersagt. Die Dekorationen an den Außenwänden sind an der nördlichen "Bibliothek" besser erhalten. Am Westeingang ist sogar noch die rechte Tür-Säule in situ verblieben (Bild 4). Ein Säulenstumpf an der südlichen "Bibliothek" belegt, dass auch dort Säulen vor den Türlaibungen standen. Wie schon beschrieben sind die Räume leer, zu sehen sind nur die oben erwähnten Pfeilerreihen. Die Wände sind kahl, auf jegliche Verzierung wurde verzichtet. Keine Bauelemente deuten auf die bibliotheksspezifische Nutzung der Räumlichkeiten hin. Im Innenraum der südlichen "Bibliothek" ist direkt in der Mitte am Boden eine quadratische, etwa 1,20mx1,20m große Einfassung zu erkennen. Reststeine markieren eine vormals vorhandene Erhebung, die auf einen Piedestal hinweisen könnte. Es bedarf nur geringer Fantasie, sich auf diesem Altar eine Statue oder einen Lingam vorzustellen . . . hier ist endlich der Zeitpunkt gekommen, den Begriff Bibliothek bzw. die Verwendung im Bayon-Kontext ernsthaft in Frage zu stellen. Resümee: Alle Ausführungen und bisher dargelegten Fakten zu den Gebäuden widerlegen die gewohnheitsmäßig angenommene Nutzung der Gebäude als Bibliotheken. Keine Bibliothek in Angkor steht auf derart extrem hohen Sockel. Keine Bibliothek in Angkor entspricht im äußeren Erscheinungsbild den beschriebenen Gebäuden. Keine Bibliothek in Angkor ist mit Dvarapalas und Apsaras geschmückt, derartige Dekorationen sind allein Tempelbauten vorbehalten. Auf die apotropäischen Wirkungskräfte der Tempelwächter und Göttinnen vertrauten die Khmer. Die meisten Khmer-Bibliotheken haben nur im oberen Fassadenbereich schmale Belüftungsluken. Offene Fenster, wie an den Bayon-Gebäuden, hätten auf Palmblättern geschriebenen Manuskripten, falls sie je dort verwahrt wurden, mehr als nur geschadet, sie wären binnen kürzester Zeit verdorben.
Mit einem Wort: Die Gebäude müssen als Tempel benutzt worden sein. Diese nicht zu beweisende Ansicht des Autors stützt sich zusätzlich auf die nicht zu übersehenden Steinhaufen in diesem Hof. Marilia Albanese hat diese "Fundamentreste" registriert und vermutet in den "16 rechteckigen Bauten (…) Schreine für Gottheiten (…) die vielleicht nach dem Tod von Jayavarman VII. abgerissen wurden" (Angkor-Buch S. 215). Gut möglich, dass die auf den Sockel erhobenen Bauten, egal ob sie als Bibliothek oder Tempel benutzt wurden, schlichtweg zu schön, zu prächtig schienen und der Abriss sich von selbst verbot oder von den Brahmanen untersagt wurde. Das Baugeschehen am Bayon zog sich über mehrere Generationen hin. Kein Mensch kennt Daten und Fakten, es fehlen Stelen, auf denen An- und Umbauten bzw. Abrisse und Neubauten vermerkt worden wären. Eines aber steht fest, Tempel in Angkor wurden nicht abgerissen. Noch die spärlichsten Tempelruinen wurden und werden erhalten und nicht abgetragen. Selbst in neueren buddhistischen Klöstern stehen neue neben alten Tempelhallen. Die eingangs notierte Fragestellung wird niemals eindeutig beantwortet werden können, doch etliche erklärende Fakten und Fotos, die einer Bibliotheksnutzung widersprechen, sind notiert worden. Jeder Leser, jeder Besucher in Angkor Thom kann entscheiden, welcher Meinung er beipflichtet: Tempel oder Bibliothek. Verwendete Literatur: Marilia Albanese – ANGKOR Hamburg 2014 ISBN 978-3-95559-032-1 Fotos und Text: Günter Schönlein Korrektur: Vanessa Jones |
Autor Günter Schönlein
Auf meinen bisher acht Reisen nach Kambodscha habe ich viele Khmer-Tempel photographisch dokumentiert. Mit Pheaks Hilfe suchte ich auch viele schwer zu findende entlegene Tempel auf. In diesem Blog möchte ich meine dabei erworbenen Eindrücke und Kenntnisse gerne anderen Kambodscha-Liebhabern als Anregungen zur Vor- oder Nachbereitung ihrer Reise zur Verfügung stellen. sortiert nach Themen:
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